Dieter Schorn sitzt in seinem Wohnzimmer in seinem kleinen Haus am Bergl. 91 Jahre alt ist der frühere evangelische Pfarrer mittlerweile, rüstig und aktiv ist er immer noch. Vor allem, wenn es um eines seiner Steckenpferde geht: Schweinfurts Stadtgeschichte, insbesondere der Zweite Weltkrieg. Am 24. und 25. Februar jährt sich ein dreifacher Bombenangriff auf Schweinfurt zum 80. Mal. Dieter Schorn war damals fast elf Jahre alt. Wenn er davon erzählt, klingt es so, als sei es gestern passiert und nicht 1944.
Es sind bedrückende Geschichten von Zeitzeugen, die den Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg erlebt haben. Nachdem das nationalsozialistische Terrorregime am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen und in den folgenden Monaten ersten Bombardements in Polen und den Niederlanden den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, führte dies vor allem ab 1943 zur Reaktion der Alliierten. Wegen der kriegswichtigen Kugellagerindustrie wurde auch Schweinfurt zum Ziel. 22 Angriffe auf die Stadt gab es ab August 1943.
"Ich höre Sirenen bis heute anders", erzählt Dieter Schorn und meint damit: "Mit absolutem Bewusstsein über den Bombenkrieg, und ich mache mir jedes Mal meine Gedanken." Auch aus diesem Grund will er die Erinnerung bewahren und jüngeren Generationen davon erzählen, was für ein Geschenk der jahrzehntelange Frieden in Mitteleuropa seit 1945 ist.
Dieter Schorn erlebte die Luftangriffe ab 1943 im Bunker in Schweinfurt
Dieter Schorns Vater Heinrich wurde 1942 als evangelischer Lazarett-Pfarrer nach St. Johannis in Schweinfurt versetzt. Die Familie mit Sohn Dieter und der Tochter Christel folgte im Frühjahr 1943. Dieter Schorn sollte ins Gymnasium wechseln, das heutige Celtis. Doch die ersten Luftangriffe auf Schweinfurt, beginnend am 17. August 1943, standen dem entgegen. Dieter Schorn erlebte sie als Kind im Bunker, die Zerstörung hat sich ihm eingeprägt.
Schweinfurt war eine der wenigen Städte in der Region, für die die sogenannte Kinderlandverschickung durch die Nationalsozialisten angeordnet wurde. Mit mehreren Klassenkameraden kam Dieter Schorn Ende 1943 in ein Lager nach Veitshöchheim. Dort erlebte er den Angriff am 24. und 25. Februar 1944, der erste, bei dem in der Nacht Schweinfurt zweimal innerhalb weniger Stunden bombardiert wurde, mehrere hundert Menschen starben alleine in Schweinfurt.
Die erste Angriffswelle am Nachmittag des 24. Februars 1944 flog die US-Armee, am Abend gegen 21 Uhr griff die britische Armee mit 266 Bombern an, bei der zweiten Welle der Briten in der Nacht kurz vor 1 Uhr morgens flog man mit 660 Maschinen. Abgeworfen wurden Sprengbomben, Luftminen und Brandbomben.
Auch in Grafenrheinfeld hat sich diese Nacht in die Erinnerung eingeprägt: Fast 90 Prozent des Dorfes wurden durch Bomben zerstört, 32 Menschen starben. In Heidenfeld wurden gut die Hälfte der Gebäude beschädigt oder zerstört, auch Schwebheim war betroffen, hier gab es zwei Tote und weitere Opfer, die später an den Folgen ihrer Verletzungen starben.
In Veitshöchheim den Bombendonner gehört und die Flammen gesehen
"Der Bombendonner hallte in der Nacht bis nach Veitshöchheim, wir haben in der klaren, kalten Nacht gesehen, wie sich der Himmel rot gefärbt hat", schildert Dieter Schorn seine Erinnerung. Die Sorge um die Angehörigen in Schweinfurt war natürlich groß, "wir hatten Angst." Telefonieren war damals nicht möglich. Es dauerte mehrere Tage, bis die erlösende Nachricht kam, dass sein Vater – die Mutter war mit Dieter Schorns Schwester Christel in die Rhön geflüchtet – die Angriffe unversehrt überstanden hatte.
Zerstört wurde in dieser Nacht hingegen Teile der Johanniskirche am Martin-Luther-Platz in Schweinfurt. "Als ich zwei Wochen später zum ersten Mal wieder da war, stand ich in den Trümmern der Kirche", erzählt Dieter Schorn. Er weiß noch, wie der Schutt weggeräumt wurde und dennoch im Krieg Gottesdienste stattfanden.
Dieter Schorn hat sehr viel zu diesen Angriffen recherchiert. Eine der Erzählungen bezieht sich auf die dramatischen Erlebnisse der Feuerwehren und Rettungsdienste. Denn es war ein bitterkalter Winter, "tagsüber minus zehn Grad, nachts minus 15", erzählt Schorn. Das führte dazu, dass beim Löschen gerade der brennenden Industriegebäude die Wasser-Schläuche innerhalb kurzer Zeit einfroren und man nicht weiter löschen konnte.
Dieter Schorn hat im Schweinfurter Stadtarchiv ein Bild gefunden, das die Probleme eindrücklich zeigt: Eiszapfen in den Ruinen eines zerstörten Hauses in der Brückenstraße, davor ein Feuerwehrmann, der versucht, den Brand zu löschen. Ein beklemmendes Dokument der Zeitgeschichte.
Die für Samstag und Sonntag angekündigten Führungen in der Schweinfurter St. Johanniskirche mit Pfarrer i.R. Dieter Schorn wurden kurzfristig abgesagt.