Der 17. August 1943 war ein schöner Sommertag, wie sich Zeitzeugen erinnern. Für die Schweinfurter Bevölkerung allerdings nur bis 15.56 Uhr. 24 Minuten später endete der erste von insgesamt 22 Luftangriffen auf die Stadt. Nichts war mehr wie vorher.
1200 Sprengbomben, 1800 Flüssigkeitsbrandbomben und eine Minenbombe warfen die 230 Bomber vom Typ Boeing B-17 mit dem Spitznamen „Fliegende Festung“ über Schweinfurt ab. Ziel des Angriffs auf Schweinfurt war die kriegswichtige Kugellagerindustrie.
Als die Bomber Gemünden um 15.44 Uhr überflogen, wurde in Schweinfurt Fliegeralarm ausgelöst, die Bewohner flüchteten in die Luftschutz-Bunker, die mehreren tausend Zwangsarbeiter in der Großindustrie mussten dagegen draußen irgendwie Schutz suchen.
Nachdem die Bomben auf die Stadt regneten, war nicht nur das Industrieviertel in dichten Rauch gehüllt, es brannte in der ganzen Stadt. Offiziell 203 tote Zivilisten, weitere 60 Tote in der Kaserne und sechs Todesopfer in Sennfeld, das ebenfalls betroffen war, wurden gezählt. 36 amerikanische Flugzeuge wurden abgeschossen, 68 amerikanische Besatzungsmitglieder kamen ums Leben, 248 gerieten in deutsche Gefangenschaft. Aufgrund der großen Zerstörungen durch die insgesamt 22 Bombardierungen zwischen dem 17. August 1943 und dem 10. April 1945 in Schweinfurt spricht man auch vom dritten Stadtverderben.
Industrieanlagen zunächst kaum getroffen
Dass Schweinfurt als Ziel der alliierten Streitkräfte ins Visier geriet, lag an der kriegswichtigen Wälzlagerindustrie. FAG Kugelfischer, Fichtel und Sachs oder VKF produzierten Kugellager, aber auch Munition. „In einem Flugzeug wie der Ju 88 waren 1070 unterschiedliche Kugellager verbaut“, erklärt Klaus Hofmann, Sprecher der Initiative gegen das Vergessen, die sich der Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus in Schweinfurt widmet: „Alles, was man im Krieg brauchte, benötigte Kugellager.“ Ob Flugzeuge, Panzer, Schiffe, U-Boote, Lastwagen, Artillerie oder Waffen. Hergestellt wurde die große Mehrzahl davon durch die Schweinfurter Großindustrie und hier insbesondere durch mehrere tausend Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Deren erschütternde Schicksale hat die Initiative gegen das Vergessen ebenfalls ausführlich dokumentiert.
„Für die Bevölkerung waren die Angriffe ein Schock“, weiß Hofmann. Sie bedeuteten für Schweinfurt einen Aderlass: 1940 lebten 48 060 Menschen in der Stadt, 1945 nur noch 23 548, die meisten waren aufs Land geflüchtet. Insgesamt starben bis April 1945 1079 Menschen bei den Angriffen, darunter 360 Ausländer, meist Zwangsarbeiter.
„Das tausendjährige Reich endete nach zwölf Jahren in der Katastrophe“, so Klaus Hofmann und nimmt, um seine Worte zu illustrieren, ein Foto der völlig zerstörten Industrieanlagen von Fichtel und Sachs in Oberndorf zur Hand: „Das sagt alles.“
Schutt von Bergleuten aus dem Ruhrgebiet weggeschafft
Der erste Angriff auf Schweinfurt war nicht so effektiv wie von den Alliierten erhofft: Nur 80 der 954 auf die Fabriken abgeworfenen Sprengbomben trafen. Der Schutt wurde später von aus dem Ruhrgebiet abkommandierten Bergleuten weggeräumt, im September lief die Produktion wieder.
Zuvor hatten die Firmen einen Großteil der Produktion und Verwaltung an andere Standorte in ganz Franken ausgelagert, trotz Einschränkungen wurde während des gesamten Kriegs produziert. Die Innenstadt dagegen wurde am 17. August 1943 schwer getroffen: 150 Gebäude komplett zerstört, 1000 leicht oder schwer beschädigt.
Die Erinnerung an die Angriffe auf Schweinfurt lebt bei den Betroffenen nach wie vor. Und ist am Spitalseebunker mit einem Mahnmal, das 1998 aufgestellt wurde, verbunden. Dort wird den Männern, Frauen und Kindern sowie den Angehörigen der 8. US-Luftflotte und der deutschen Luftwaffe, die bei den Angriffen zwischen 1943 und 1945 zu Tode kamen, gedacht.
Klaus Hofmann hält das Denkmal für den richtigen Weg, betont aber, dass bei der Beurteilung des Bombenkrieges der Gesamtzusammenhang wichtig ist: „Die Nationalsozialisten wollten von Anfang an Krieg und sie haben mit den Bombardierungen von Warschau, Rotterdam oder Coventry zwischen 1939 und 1940 und später beim Rückzug aus Russland verbrannte Erde hinterlassen.“