"Es wird laut" warnte Dr. Ludwig Weth zum Auftakt seines Vortrags "Die Zerstörung Grafenrheinfelds durch alliierte Bombenangriffe am 24. Februar 1944". Gleich darauf ertönten ein ohrenbetäubender Sirenenton, Fluglärm und Bombeneinschläge. Für viele, ja die meisten Besucher in der Kulturhalle zum Glück ein unbekanntes Szenario - für die anwesenden Zeitzeugen dagegen schreckliche Erinnerung. 75 Jahre sind diese Luftangriffe her, die als "Big Week" in die Geschichteeingingen.
Ein ganzes Menschenleben quasi, wie Bürgermeisterin Sabine Lutz zum Auftakt der zweitägigen Gedenkfeierlichkeiten in der Kulturhalle feststellte und doch nie vergessen. Erschreckend eindrucksvoll sind die gezeigten Dokumente:15-jährige Flakhelfer in Stellungen rund um Grafenrheinfeld, nüchterne Statistiken der abgeworfenen Bomben, der geflogenen Einsätze, der Treffer und der Kollateralschäden. Bis heute finden sich "Altlasten", wie Weth mit zwei Berichten aus dem Schweinfurter Tagblatt über die Bergung von Fliegerbombenin der Umgebung belegt.
Leo Rumpel dokumentierte die Zerstörungen
Sein Vortragstitel ist eher nüchtern, die Ausführungen unterlegt mit Originalfotos sind es nicht. Die meisten Fotos stammen von Leo Rumpel, der unter Lebensgefahr die Tage nach der sogenannten Bombennacht vom 24. auf den 25. Februar dokumentiert hat. Die Zerstörung macht sprachlos: 90 Prozent Grafenrheinfelds liegen nach zwei nächtlichen Angriffswellen der Royal British Air Force in Schutt und Asche, mehr als 30 Grafenrheinfelder sterben in dieser Nacht, viele weitere an den Folgen.
Ganze Familien sind ausgelöscht, viele obdachlos; aus Zeitzeugenberichten, Fachliteratur und Archivmaterial schöpft Dr. Ludwig Weth, selbst in den letzten Kriegstagen geboren, sein sorgsam zusammengetragenes Wissen. Trotz der intensiven Beschäftigung mit diesem Thema scheint auch er immer wieder fassungslos, weiß er doch: Mit Worten lässt sich das Leid der Menschen nicht fassen. Die vielen Fotos sprechen eine eigene Sprache: Kaum ein Haus ist intakt, buchstäblich kein Stein mehr auf dem anderen. Die Pfarrkirche ist komplett zerstört, bis 1953 findet das kirchliche Leben in einer ehemaligen Flakbaracke auf dem Kirchplatz statt; die Einweihung der wiedererrichteten Pfarrkirche wird zum Symbol des Wiederaufbaus in Grafenrheinfeld.
Nur die alte Schule ist einigermaßen unversehrt, bereits eine Woche später geht der Unterricht wieder los - zum Verdruss der Schüler, wie Weth schmunzelnd erzählt. Alliierte Luftaufnahmen und die Zeitzeugen-Fotos von Schutt, Asche und rauchende Ruinen zeigen die furchtbare Seite des Krieges, zupackende Menschen, gemeinsame Aufräumaktionen und die Hilfsbereitschaft auch aus den Nachbargemeinden zeichnen dagegen einen zarten Hoffnungsschimmer, beweisen sie doch, dass das Leben irgendwie immer dann weiter geht, wenn Menschen im Leid zusammenhalten und Menschlichkeit zeigen.
Warum es wichtig ist, sich zu erinnern
Es ist die Aufgabe einer jeden Generation, das Wissen von der Stärke, aber auch der Schwäche der Menschen weiter zu tragen und so passt ein solcher Vortrag sehr gut in "unsere aufgeregten Zeiten", die "Erinnerungskultur", wie es Landrat Florian Töpper in seiner Rede in der Kulturhalle betonte, ist ein wichtiger Stabilitätsfaktor in unserem Land.
Die Zeitzeugen jener Zeit werden weniger und so braucht es Chronisten wie Ludwig Weth, aber auch Walter Kaspar, der unermüdlich auf der Suche nach alten Fotos ist, die sich nicht scheuen, auch in den dunklen Kapitel unserer Geschichte zu "wühlen", die Erinnerungen wecken, auch wenn es weh tut. Den Bildervortrag, zusammengestellt von Thomas Weigand, umrahmte die Kirchenmusik unter der Leitung von Manfred Weth, dazu gab es eine spontane, fröhlich beklatschte Premiere: Der Grafenrheinfelder Gemeinderat sorgte fraktionsübergreifend für die Bewirtung der vielen Besucher, die trotz des schönen Wetters in der Kulturhalle gerne in die Geschichte ihrer Heimatgemeinde eintauchen wollten.