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Schweinfurt
Schweinfurt im Krieg: Mit einer neuen Handy-App auf Spurensuche durch die Stadt
Schon das Intro der App-Beschreibung klingt filmreif. "Schweinfurt, 1943: Auf dem Höhepunkt des 2. Weltkriegs rückt das Zentrum der kriegswichtigen Wälzlagerproduktion in den Blickpunkt der Weltgeschichte".
Das unbekannte Gesicht der Luftschlacht um Schweinfurt: Dieses Ruinenfoto, dessen genaue Entstehung unbekannt ist, wurde für den Flyer der 'Spurensuche-App' verwendet.
Foto: Hans Uhlenhuth/Stadtarchiv | Das unbekannte Gesicht der Luftschlacht um Schweinfurt: Dieses Ruinenfoto, dessen genaue Entstehung unbekannt ist, wurde für den Flyer der "Spurensuche-App" verwendet.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:02 Uhr

Schon das Intro der App-Beschreibung klingt filmreif. "Schweinfurt, 1943: Auf dem Höhepunkt des 2. Weltkriegs rückt das Zentrum der kriegswichtigen Wälzlagerproduktion in den Blickpunkt der Weltgeschichte".

Der Angriff vom 14. Oktober 1943 gilt als größte Luftniederlage der US-Air Force, das Desaster fand ebenso am Boden statt. Anlässlich des 80. Jahrestags hat das Stadtarchiv einen multimedialen Spaziergang an authentische Originalschauplätze erstellt. "Black Thursday – Bomben auf Schweinfurt" nennt sich der historische Audiowalk, der bei einer Gedenkfeier offiziell gestartet worden ist, durch Stadtarchivar Gregor Metzig.

Mit dem Smartphone lassen sich derzeit 13 Stationen erkunden (www.stadtarchiv-schweinfurt.de). Es geht um die "vermutlich dramatischsten Ereignisse der Stadtgeschichte", die mit Hilfe von Zeitzeugen und Erzählstimmen, Originalfotos und kaum bekanntem Archivmaterial aufgearbeitet werden. Ein Aquarell des ehemaligen Flakhelfers Gerhard Bellosa auf dem Flyer erinnert daran, dass sich die Tragödie des "Schwarzen Donnerstags" real und "in Farbe" abgespielt hat.

Endkampf in der Degnerstraße: Stadtarchivar  Gregor Metzig und die Schüler am 'Goethe-Bunker', vor dem 1945 US-Panzer aufgefahren sind.
Foto: Uwe Eichler | Endkampf in der Degnerstraße: Stadtarchivar  Gregor Metzig und die Schüler am "Goethe-Bunker", vor dem 1945 US-Panzer aufgefahren sind.

Die Klasse von Geschichtslehrerin Verena Hebig probiert die App aus und staunt, welche Dramen sich rund um die Friedrich-Fischer-Schule ereignet haben. Die einstige Goethe-Schule ist heute die FOS/BOS. Metzig schaut vorbei, ebenso eine ehemalige Lehrerkollegin. "Kalenderblatt" ist die Exkursion der BOS-Vorklasse überschrieben, anlässlich des Jahrestags.

Ein US-Panzer schoss auf eine Lüftungsöffnung des Bunkers

Der benachbarte Goethe-Bunker war finale Zuflucht von Oberbürgermeister Ludwig Pösl, der sich während der NS-Diktatur zwar als strammer Parteifunktionär erwiesen hatte. Andererseits beim Einmarsch der Amerikaner den fanatischen Endkampf verhinderte. Ein US-Panzer schoss auf eine Lüftungsöffnung des Bunkers, ein Mann kam ums Leben, der OB sorgte für die rasche Übergabe.

Der Hochbunker A4, "Goethe-Bunker" genannt, sollte fast tausend Menschen Schutz bieten, hielt aber auch Komfort für braune VIPs bereit. So führte ein Heizungsrohr von der Schule in den getarnten Betonklotz.

Mit dem QR-Code auf den blauen Hinweistafeln gelangt man in die Spurensuche-App.
Foto: Uwe Eichler | Mit dem QR-Code auf den blauen Hinweistafeln gelangt man in die Spurensuche-App.

Nach dem Krieg diente der A4 den Amerikanern als Notgefängnis. Hier war Wilhelm Weidling inhaftiert, als NSDAP-Kreisleiter einer der "kleinen Herrgötter" des Nazisystems (wie sie Propagandaminister Goebbels genannt hat). Weidling hatte sich in der Rückertstraße in der Kanzlei eines vertriebenen jüdischen Rechtsanwalts einquartiert und war für die Überwachung von Stadt und Umland zuständig. Berichtet wird von "Me too"-Übergriffen gegenüber Bittstellerinnen. Zur Peitsche gab es auch das Zuckerbrot, so sorgte sich Weidling um das Wohl der Ausgebombten und die Kampfmoral. Er wurde später zu mehreren Jahren Haft verurteilt.

Spurensuche: Am Haupteingang des Goethe-Bunkers sind noch Reste des Emblems des 'Reichsluftschutzbunds' zu sehen.
Foto: Uwe Eichler | Spurensuche: Am Haupteingang des Goethe-Bunkers sind noch Reste des Emblems des "Reichsluftschutzbunds" zu sehen.

"Spannend und abwechslungsreich", finden die Schülerinnen und Schüler die Tour, auch der Sound der App passe: "Da sieht man die Stadt anders." Seinen letzten Befehlsstand hatte Weidling bombensicher in der Berufsschule Ludwig Erhard, wo er sich mit Getreuen und Weinflaschen verschanzte. Gegenüber ragt der Park des Schuttbergs auf, im Volksmund Monte Schuttino genannt. Eine Trümmerbahn hat hier die Hinterlassenschaften des "Dritten Reichs" aufgetürmt.

Zu den App-Themen zählen das Rathaus, das Büro der Kreisleitung, der Marktplatz im Bombenkrieg, Hans Uhlenhuth als Fotograf des Untergangs, die Widerstandsgruppe Gelbe Birke, das Luftkriegsdenkmal am Spitalseebunker, Panzerkaserne und Flakbatterie, ein Lili-Marleen-Konzert im Gemeindehaus und der FC im Krieg. Die Geschichten wurden mit Hilfe der Firma Linon Medien gesichert. Eine englische Version ist angedacht, für die Sponsoren helfen könnten.

 
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