Wer das Wort "Start-up" liest, dürfte im ersten Moment wohl nicht an Schweinfurt, sondern eher an Metropolen wie Berlin oder München mit ihren ausgeprägten Start-up-Szenen denken. Mit dem Projekt Startbahn27, benannt nach der Flugzeug-Startbahn der ehemaligen Conn Barracks, wollen Politik, Wirtschaftskammern und die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) auch die Kugellagerstadt am Main als internationalen Gründungsstandort für innovative Unternehmerinnen und Unternehmer etablieren.
In diesem Jahr hat das Gründerzentrum GRIBS deshalb zusammen mit dem Innovationsscout Nico Hildmann damit begonnen, im sogenannten Accelerator-Programm ausgewählte Start-ups bei der Ideenentwicklung zu betreuen. Zweimal jährlich sollen so bis zu sechs Start-ups über zwölf Wochen lang bei Problemen und Konzeption unterstützt werden. Die ersten Erkenntnisse daraus wurden nun von den Tüftlern und Ideenfinderinnen auf dem Demo Day im GRIBS vorgestellt.
Internationale Studierende brauchen gesonderte Genehmigung
Ein Start-up davon ist "Airbelts", welches von dem 20-Jährigen Studenten Dhairya Shah ins Leben gerufen wurde. Hinter der Idee steckt ein Sicherheitsgurt-Überwachungssystem für Flugzeuge, das Echtzeit-Updates über die Passagiersitze und das Gurtsystem bei Start und Landung zur Verfügung stellen will. Mit der Idee überzeugte Shah in der Vergangenheit bereits die Jury des Kickstart Wettbewerbs der THWS und ergatterte so 7500 Euro an Gründungshilfe.
Dennoch hat der junge Start-up-Unternehmer einige Schwierigkeiten, was die Gründung seines Unternehmens betrifft. "Als internationaler Student, der mit einem Studienvisum in Deutschland studiert, darf ich mich nicht ohne gesonderte Genehmigung der Ausländerbehörde selbstständig machen", erklärt er im Gespräch mit dieser Redaktion.
Shah stammt aus Indien. Im Jahr 2021 kam er für sein Studium der Wirtschaft und Technik nach Schweinfurt an die THWS. Aktuell sucht er deshalb nach einem Mitgründer, der die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt und das Start-up mit ihm zusammen führen und weiterentwickeln möchte.
Standort aus Sicht der Start-ups zweitrangig
Ähnlich geht es dem 17-Jährigen Jakob Hebenstreit aus Traustadt und seinem Partner Lorenz Wolf aus Falkenstein im Landkreis Schweinfurt. Wie Shah stehen die beiden Schüler gerade kurz vor der Gründung eines Unternehmens. Ihr Konzept: eine App namens "Gainback", welche eine moderne Marketingform für Restaurants bieten soll. Indem Gäste ihre Erfahrungen beim Besuch einer Gaststätte auf Social Media teilen, sollen sie über die App Vergünstigungen und Belohnungen erhalten.
Interesse an ihrem Start-up seitens der Branche ist da. Nur was die Gründung eines Unternehmens anbelangt, müssen sich die beiden Schüler noch gedulden. "Wir sind 17 und können noch nicht gründen", sagt Hebenstreit. Das hält sie jedoch nicht davon ab, jetzt schon nach potenziellen Partnerinnen und Partnern für ihre App zu suchen.
Ihr junges Alter spiele dabei keine Rolle, versichern die Entwickler. Man führe bereit erste Gespräche mit Investoren und befinde sich dabei immer auf Augenhöhe zueinander. Was das angeht, spielt auch der Standort Schweinfurt eine besondere Rolle, erklären sie.
"Man kann auf keinen Fall Berlin und München mit Schweinfurt vergleichen, aber man darf das Netzwerk hier trotzdem nicht unterschätzen", sagt Hebenstreit. Vor allem, was die Art der Betreuung betrifft, überzeuge Schweinfurt mit der individuellen Beratung durch die Startbahn27 und die Nähe zu großen Unternehmen. "In Berlin wären wir da nur eines von tausenden Start-ups", sagt Wolf.
Gründung eines Start-ups benötigt viel Zeit
Patrick Grimmeisen, Jakob Bach, Elena Kordmann und Theresa Eck studieren an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS). Die vier Studierenden wollten als Team eine digitale Plattform entwerfen, die nachhaltiges Handeln für Unternehmen aufzeigen und darstellen sollte. Daraus wurde aber am Ende jedoch nichts. "Bei uns hat das gesamte Setting unserer Idee nicht gepasst", nennt Eck als Hauptgrund, warum das Projekt letztlich scheiterte. Auch der Faktor Zeit machte es ihnen zusehends schwer, ihre Idee zu verwirklichen.
Um sich ihr Start-up zu finanzieren, arbeiten viele Gründerinnen und Gründer oft parallel zum Studium zusätzlich als Werkstudenten, erklärt Elena Kordmann. Gründung, Studium und Arbeit entwickelten sich so schnell zu einer Dreifachbelastung, so auch bei ihnen, erklären die vier. Gerade auch was die Organisation betrifft, stolperte die Gruppe in dem Zusammenhang zusätzlich noch über eine weitere Hürde, mit der sich anfangs nicht gerechnet hatten: den ÖPNV.
Viele Treffen und Termine der Startbahn und im Unternehmensnetzwerk würden in Schweinfurt stattfinden, meint Kordmann. Drei von vier Mitgliedern von ihrem Start-up leben und arbeiten jedoch in Würzburg und mussten deshalb immer nach Schweinfurt pendeln. Die Strecke zwischen den beiden THWS Standorten ist nicht vollständig im Semesterticket mit inbegriffen, was vor allem Studierende der Hochschule auf Dauer finanziell belastet. Schlecht gelaunt, sind die vier wegen ihres letztlichen Scheiterns jedoch nicht. Man sei froh über die gewonnene Erfahrung, die sicher auch für künftige Projekte nützlich sei, so die Studierenden.
Die Politik könnte finanziell mehr unterstützen
Drei der häufigsten Probleme für Gründerinnen und Gründer in der Anfangsphase von Start-ups seien der richtige Fokus im Konzept, Pilotkunden und die Finanzierung, erklärt Innovationsscout Nico Hildmann. "Man braucht Daten, muss Dinge testen und benötigt Partner, die Vertrauen in ein Projekt setzen, um weiterzukommen." Kontakte und Investoren seien das A und O für ein erfolgreiches Start-up. "Wenn unsere Gründer das nötige Geld hätten, würden die meisten von ihnen längst mit ihrem ersten Prototypen dastehen."
Was das nötige Netzwerk und den Standort betrifft, hält der Innovationsscout Schweinfurt unter anderem deshalb wie geschaffen für aufstrebende Unternehmen. "Hier in Schweinfurt gibt es viele Firmen, die ein breites Netzwerk besitzen." Nur was die Finanzierung betrifft, könnte sich die Politik in Bayern noch eine Scheibe vom Nachbarn in Baden-Württemberg abschneiden. Dort sei man, was die finanzielle Hilfe und Programme für Start-ups angehe, schon deutlich weiter. "Es wäre toll, wenn es sowas wie einen Schweinfurt Region-Finanzfonds für innovative Gründung gäbe."
Und Schweinfurt bietet großartige Chancen, eben weil man nicht eines von vielen ist, wie im Text zutreffenderweise erwähnt. So kann man sich die Schwäche Berlins, nämlich die Masse an Start-ups, zur Stärke machen: Sichtbarkeit.
Schweinfurt hat das Zeug zu soviel mehr!