Das Internet ist für viele Jugendliche in seinem Alter eine Art zweites Wohnzimmer. Dort verbringen manche bald mehr Stunden am Tag als in der realen Welt, mit Online-Spielen, Video-Schauen oder in sozialen Medien. Jakob Hebenstreit aus Traustadt dagegen sieht im Internet einen ganz anderen Vorteil: Er entwickelt ein kostenloses digitales Programm, um Englisch zu lernen. Mit "DiscussTime", so der Name seines Projekts, beteiligt sich der 16-Jährige gerade an einem Businessplan-Wettbewerb. Und er hat damit noch weiterreichende Pläne.
Es ist bemerkenswert, mit welcher Gelassenheit und Übersicht der Heranwachsende am Küchentisch seines Elternhauses über seine Ideen und deren Umsetzung spricht. Es ist ein Einblick in eine Welt, die man auf Anhieb eher in der Programmierer-Abteilung einer großen Software-Schmiede verorten würde. Wenn Jakob Hebenstreit beschreibt, wie sich seine digitale Lernplattform entwickelt hat, dann hört sich das alles sehr einfach an. Doch insgeheim ahnt man, dass dahinter viel Fachwissen steckt – Wissen, dass er sich komplett selbst angeeignet hat.
Im Internet nichts Passendes zu finden
Denn eigentlich ist er nicht der geborene Programmierer. Und die Idee zu "DiscussTime" entstand mehr oder weniger aus der Not heraus. Im ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 ist dem jungen Traustädter, der aktuell die 10. Klasse des Egbert-Gymnasiums in Münsterschwarzach besucht, bewusst geworden, dass sein Englisch "ziemlich schlecht ist", wie er sagt. Also schaute er sich im Internet nach interaktiven Lernmöglichkeiten um. Doch gefunden hat er nichts Passendes. Kurzum entschied er: "Das mache ich selbst."
Bis dahin hatte der Jugendliche sich nicht näher mit Informatik oder dem Programmieren von Apps oder Webseiten befasst. Schnell stellte er fest: Es gibt zu diesen Themen sehr viel Literatur und eine Menge Videos auf YouTube. Auf Foren im Internet tauschen sich Gleichgesinnte zu Fachfragen aus. Im weltweiten Netz fand Jakob Hebenstreit rasch die Hilfe, die er suchte, um seine Vision einer Lernplattform für Englisch umzusetzen. "Das funktionierte besser als mit jedem Lehrer", meint er.
Programm berücksichtigt Lernstand der Nutzer
Im Prinzip bietet die Webseite von "DiscussTime", die er programmiert, verschiedene Varianten: In der Grundstufe, "Basic-Talk" genannt, sprechen zwei Menschen auf gleichem Lernstand, die zufällig auf "DiscussTime" online sind und verbunden werden, zwei Minuten lang über ein Thema – natürlich auf Englisch. Um die Konversation zu erleichtern, gibt das Programm bestimmte Wörter oder Phrasen vor, die die Sprecher verwenden können. Im Modus "Self-Talk" kann ein Anwender allein das Englisch-Sprechen üben. Für Fortgeschrittene ist "Argumentation" gedacht. Hier sind drei Teilnehmer beteiligt: zwei diskutieren miteinander, einer entscheidet als Schiedsrichter, wer von den beiden besser diskutiert hat und bewertet diesen für ein Ratingsystem mit Punkten. Und "Just Talk" ist als Modus für Neueinsteiger konzipiert.
Die Webseite, die Sprachprobleme durch aktive Konversation lösen möchte, ist kurz davor, dass er sie freigeben kann, berichtet Jakob Hebenstreit. Seit zehn Monaten arbeitet er daran. "Eigentlich brauche ich nur Zeit, dass ich mich auch mal einen ganzen Tag an den Computer setzen kann." An einer "DiscussTime"-App programmiert er ebenfalls, braucht dafür aber noch etwas mehr Zeit, bis diese fertig ist. Da kommen ihm die nahen Pfingstferien gerade recht.
Wettbewerb lockt mit 10.000 Euro Preisgeld
Ebenso recht kommt ihm ein Businessplan-Wettbewerb von Startup-Teens. Die Non-Profit-Organisation, die von Unternehmern und Promis unterstützt wird, möchte eigenen Angaben zufolge junge Menschen unternehmerische Fertigkeiten vermitteln. Aktuell lobt sie einen Wettbewerb aus, der in sieben Kategorien Sieger sucht, denen jeweils 10.000 Euro Preisgeld überreicht werden. In der Kategorie "Education" nimmt Jakob Hebenstreit mit seinem Projekt teil.
Auf den gut dotierten Wettbewerb war er mit einem Kumpel zufällig aufmerksam geworden. Eine von drei Hürden zum Sieg in seiner Kategorie hat er bereits genommen: Eine Jury hat "DiscussTime" für eine Online-Abstimmung nominiert, die noch bis 7. Juni läuft. Wenn für Jakob Hebenstreits Projekt bis dahin auf der Webseite von Startupteens (www.startupteens.de) genügend viele Nutzer ihre Stimme abgeben, dann erreicht er das Finale der Kategorie "Education", das in Berlin stattfindet.
Mentoren-Programm für alle Teilnehmer
Selbst wenn er am Ende nicht als Sieger hervorgeht – auch ohne das Preisgeld, das er ins Marketing für seine Lernplattform stecken würde - ist der Wettbewerb auf jeden Fall ein Gewinn für ihn, sagt der 16-Jährige. Denn damit verknüpft ist ein Mentoren-Programm, das ihn mit der Gründerwerkstatt Würzburg in Verbindung gebracht hat. Davon profitiert er genauso wie von den Erfahrungen, die er bereits beim Präsentieren von "DiscussTime" für den Businessplan-Wettbewerb sammeln konnte.
Und vom Potenzial seiner Entwicklung ist Jakob Hebenstreit ohnehin überzeugt. "So etwas gibt es einfach noch nicht", sagt er. Nun komme es darauf an, "DiscussTime" noch bekannter zu machen. Dazu beitragen dürfte eine Demo-Version des Programms, die in Kürze bereitstehen soll und die für 100 Teilnehmer konzipiert ist. Das Feedback einzelner Nutzer, denen er die Lernplattform schon mal vorgeführt hat, sei jedenfalls ausnahmslos gut gewesen, sagt der Entwickler.
Programm funktioniert auch mit anderen Sprachen
Und das Lernprogramm könnte noch viel mehr leisten: Außer auf Englisch ließe es sich ohne Probleme eins zu eins als Lernplattform für andere Sprachen anwenden. Doch das, gibt Jakob Hebenstreit zu, ist auch für ihn derzeit noch reine Vision.
Obwohl er erst in zwei Jahren sein Abitur machen wird, studiert der junge Mann aus Traustadt bereits jetzt in einem Frühstudium im zweiten Semester an der Uni Würzburg Informatik. An zwei Tagen in der Woche sitzt er deshalb im Hörsaal statt im Klassenzimmer. Ob er nach dem Abitur tatsächlich ein reguläres Studium beginnen wird, weiß er noch nicht. Dies wird auch davon abhängen, welchen Erfolg "DiscussTime" noch haben wird. Gut denkbar ist, dass er als junger Softwareentwickler weiter sein Glück suchen wird.
Selbst wenn es auf startupteens.de nichts wird: Immer weitermachen!