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Schweinfurt
Stadt Schweinfurt lehnte bewilligtes Dokument ab: Warum ein Mexikaner fast seinen Studienplatz an der THWS verlor
Eine Bekannte wollte für ihn bürgen, ein Visum bekam er dennoch nicht. Viele Behördengänge waren nötig, um einreisen zu dürfen. Ein Problem, das keine Seltenheit ist.
Viele Studierende aus dem Ausland entscheiden sich für ein Studium in Schweinfurt. An der THWS sind aktuell mehr als 1500 internationale Studierende eingeschrieben. (Symbolfoto)
Foto: Fabian Gebert | Viele Studierende aus dem Ausland entscheiden sich für ein Studium in Schweinfurt. An der THWS sind aktuell mehr als 1500 internationale Studierende eingeschrieben. (Symbolfoto)
Désirée Schneider
 und  Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:56 Uhr

In Deutschland studieren und vielleicht irgendwann hier arbeiten – das sei sein Traum. Dass dieser in Schweinfurt Realität werden soll, sei eine bewusste Entscheidung gewesen, sagt der junge Mann. Der Studienstandort habe ihm am meisten zugesagt. Den Weg aus seiner 500.000-Einwohner-Heimatstadt in Mexiko nach Schweinfurt wollte er dafür gerne auf sich nehmen.

Seinen Wunschstudiengang Mechatronik, auf Englisch, das gebe es schließlich nicht überall. An der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) sei das aber eine Option. "Also habe ich mich dazu entschieden, mich zu bewerben", sagt der 20-Jährige, der, um seine Integration nicht zu beeinträchtigen, lieber anonym bleiben möchte. Und tatsächlich bekam er die Zusage.

Dass er zu Studienbeginn im Oktober 2022 aber noch immer auf seine Erlaubnis, nach Deutschland zu reisen, warten und einen Großteil seines ersten Semesters sowie das Kennenlernen seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen verpassen würde, ahnte er damals noch nicht.

Zum Teil hohe bürokratische Hürden für Studierende

Den Weg, für den sich der junge Mann aus Mexiko entschieden hat, gehen jedes Jahr viele Studierende aus dem Ausland. So sind alleine am THWS-Standort Schweinfurt aktuell mehr als 1500 ausländische Studierende eingeschrieben. Die große Mehrheit, wie der 20-Jährige, für ein komplettes Bachelor- oder Masterstudium, teilt Pressesprecherin Katja Bolza-Schünemann auf Anfrage mit.

Doch die bürokratischen Hürden für ein Studium in Deutschland sind hoch. Viele Hochschulen verlangen Nachweise über Sprachkenntnisse und zum Teil Vorpraktika; von staatlicher Seite kommen, je nach Herkunft, strenge Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen hinzu.

So auch im Fall des 20-jährigen Mexikaners. Um für die Dauer seines Studiums ein Visum zu erhalten, musste er bei der deutschen Botschaft in Mexiko zahlreiche Unterlagen einreichen. Zentraler Bestandteil des Antrags: der Nachweis zur Lebensunterhaltssicherung. Sprich: Der junge Mann muss nachweisen, dass er sich das Studieren und Leben in Schweinfurt leisten kann.

Ausländerbehörde genehmigt Dokument – doch das Visum bleibt aus

In einem Merkblatt zur Finanzierung der Deutschen Botschaft in Mexiko werden drei Möglichkeiten des Nachweises aufgelistet: die Eröffnung eines Sperrkontos, eine formelle Verpflichtungserklärung eines Dritten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, ein Stipendium.

Der junge Mann entschied sich für die Verpflichtungserklärung. Eine Bekannte aus Norddeutschland erklärte sich bereit, diese für ihn zu unterzeichnen. Sollte der 20-Jährige während seines Aufenthalts in finanzielle Schwierigkeiten geraten, wäre sie damit verpflichtet, für alle entstehenden Kosten aufzukommen. "Letztendlich haben wir es gemacht, weil wir glaubten, dass es einfacher wäre", sagt der junge Mann. In Mexiko sei es schwieriger, Geld zu bewegen; zudem sei es mit hohen Steuerzahlungen verbunden. 

"Er ist der Sohn der früheren Gastfamilie meiner Tochter. Die Familie ist uns bekannt, deswegen war ich auch bereit, die Erklärung zu unterschreiben", sagt Petra Bräutigam, die Bekannte, die sich Ende vergangenen Jahres an diese Redaktion gewandt hatte. Von der Ausländerbehörde in ihrer Heimatstadt wurde ihre Bonität dafür auf Herz und Nieren geprüft. "Ich musste alles nachweisen: Wie hoch sind unsere Einkäufe, wie wohnen wir, Kontoauszüge, Vermögen, Rente", sagt sie. Letztlich wurde der Antrag genehmigt.

Das Dokument schickte sie an den jungen Mann nach Mexiko, der reichte es bei der Deutschen Botschaft ein. Sechs bis acht Wochen sollte das Visa-Verfahren maximal dauern, habe man ihm damals gesagt. Doch drei Monate lang passierte nichts.

Warum lehnte die Behörde in Schweinfurt das Dokument ab?

Dann die ernüchternde Nachricht: Die Ausländerbehörde in Schweinfurt hatte die bereits bewilligte Verpflichtungserklärung abgelehnt. Einen Grund dafür habe man nicht genannt.

Für Petra Bräutigam nicht nachvollziehbar: "Wenn eine Behörde hier mir ein Dokument ausstellt, nach eingehender Prüfung, wieso wird dieses Dokument bei einer anderen Behörde nicht anerkannt?", fragt sie sich. "Wir haben genug Einkommen und Vermögen. Selbst, wenn der Fall eintreten würde, dass sie auf mich angewiesen wären."

Warum es in dem konkreten Fall zu einer Ablehnung kam, beantwortet die Stadt Schweinfurt aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht. Es sei in jüngster Zeit aber vermehrt zu Problemen gekommen, weil einzelne auswärtige Behörden die Bonität der Unterzeichnenden nicht ausreichend geprüft hätten.

Man sehe sich in Schweinfurt deshalb gezwungen, diese gegebenenfalls zu überprüfen: "In diesen Fällen kontaktieren wir die ausstellenden Behörden und besprechen den Fall. Dies erfolgt in der Regel schnell und unkompliziert zwischen den Behörden. Nur in wenigen Fällen, wie dem hier vorliegenden, war dies leider nicht möglich", sagt Pressesprecherin Kristina Dietz. Genaueres möchte die Stadt dazu nicht preisgeben.

Generell werde bei Verpflichtungserklärungen geprüft, ob das Einkommen des Verpflichtungsgebers ausreicht, um seinen Bedarf sowie den des Studierenden zu decken. Die Fälle werden jeweils individuell berechnet und orientieren sich unter anderem an der Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen im Haushalt sowie den Unterkunftskosten. Die Berechnungsmodelle können variieren, da sie nicht bundeseinheitlich geregelt seien.

Häufig Probleme bei der Visa-Beantragung THWS-Studierender

Dass es bei den Visa-Verfahren ausländischer Studierender zu Verzögerungen kommt, sei keine Seltenheit, sagt THWS-Sprecherin Bolza-Schünemann. Unterstützen könne die THWS hier kaum: "Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine direkte Kommunikation mit den Konsularabteilungen an den Botschaften nicht zielführend ist und die Verfahren nicht beschleunigt."

Als weiteres Problem nennt sie ständige Änderungen der geforderten Sperrkontosumme. So sei es bereits vorgekommen, dass diese während des mindestens vier- bis achtwöchigen Antragsprozesses plötzlich angehoben wurde; das Vermögen der Studierenden war damit nicht mehr ausreichend. "Im schlimmsten Fall bekommt der Studierende gar kein Visum", so Bolza-Schünemann.

Hintergrund sei die Kopplung der Sperrkontosumme an das Bundesausbildungsförderungsgesetz, erklärt Kristina Dietz: "Dies hat zur Folge, dass durch jede bundesgesetzliche Erhöhung der BAföG-Sätze in den letzten Jahren auch kontinuierlich der Sperrbetrag auf nunmehr 934 Euro im Monat angewachsen ist."

Längere Studiendauer aufgrund verpasster Kurse

Für den jungen Mann war die Ablehnung ein Schock. Mehrmals hatte er seinen Flug nach Deutschland bereits verschieben müssen. Sein Visum erhielt er letztlich im Dezember – eineinhalb Monate nach Studienbeginn.

Wie es doch noch geklappt hat? Die Familie des 20-Jährigen musste zusätzlich ein Sperrkonto eröffnen. Für jedes Semester, das er in Schweinfurt studieren möchte, muss er hier 5604 Euro nachweisen.

In seinem Studiengang habe der junge Mann trotz der Verspätung mittlerweile Anschluss gefunden. Wegen der verpassten Kurse werde er aber vermutlich ein Semester länger studieren müssen.

Während des Visa-Verfahrens habe er sich oft gefragt, ob er nicht besser aufgeben und in Mexiko bleiben sollte. "Dort wäre ich jetzt schon im vierten Semester, das heißt, ich habe etwa ein Jahr verloren", sagt er. "Aber das war ein Risiko, das ich entschieden habe, einzugehen. Denn wenn ich erst einmal hier einen Abschluss habe, dann gibt es mehr Möglichkeiten für mich auf eine Arbeit, auch besser bezahlte."

 
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Kommentare
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  • A. S.
    Vielleicht liegen der Berechnung die gleichen Voraussetzungen zu Grunde wie bei der Berechnung der Rentabilität von PV-Anlagen. Ich sag nur 1674, nachzulesen in der Samstagsausgabe.
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  • P. H.
    Diese Behördenpraxis verhindert die Zuwanderung von qualifiziertem Nachwuchs, den wir in Deutschland so dringend benötigen. Und gerade die, die in der Familie nicht so vermögend sind, wollen etwas „reißen“. Genau diesen ehrgeizigen Nachwuchs benötigen wir!
    Aber: Schweinfurter Behörden scheinen hier die restriktive Handhabung zu bevorzugen. Zielführend ist das nicht.
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  • K. S.
    Und die Moral von der Geschicht: studier in Deutschland nicht.
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  • F. S.
    Da wollen hoffnungsvolle Nachwuchseliten aus dem Ausland nach Deutschland und dann werden sie von der Bürokratie wie Asoziale behandelt. So gewinnt man keine Sympathien und damit auch keine hochwertige Arbeitskräfte.
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  • M. S.
    Zitat: "Es sei in jüngster Zeit aber vermehrt zu Problemen gekommen, weil einzelne auswärtige Behörden die Bonität der Unterzeichnenden nicht ausreichend geprüft hätten."

    Sind wir mittlerweile zu einer Bananenrepublik verkommen? Hier misstraut eine deutsche Behörde einer anderen deutschen Behörde! Bürokratismus in Reinform! Einfach nur lächerlich.

    Dagegen scheint sich die Ausländerbehörde in SW für unfehlbar zu halten - mein Vorschlag wäre daher, dass die Ausländerbehörde in SW künftig für alle Prüfungen in Deutschland zuständig ist! In SW passieren nämlich nie Fehler. (Ironie aus)
    Offenbar sind die Beamten in dieser Behörde nämlich nicht so ganz ausgelastet wenn sie die Zeit haben anderen Behörden misstrauen und Doppelstrukturen aufbauen. Aufkommen muss dafür der Steuerzahler.

    Schweinfurt möchte sich mit seiner FH international aufstellen, ausländische Studenten anlocken aber der schöne Schein trügt anscheinend. Risiken gibt es immer, die lassen sich letztlich nicht vermeiden.
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  • I. E.
    Soviel zum Thema - Wir tun was gegen den Fachkräfte-Mangel!
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