Im Winter 2018 war die Schweinfurter Finanzwelt noch fast rosarot: 70 Millionen Euro sollte der Anteil der Gewerbesteuer an den Steuereinnahmen der Stadt in 2019 betragen, bis 2022 sollte es auf diesem Niveau bleiben. Doch die Konjunktur hat sich auch für Wirtschaftsexperten überraschend schneller eingetrübt. Deswegen warnte Finanzreferentin Anna Barbara Keck bereits im Juli im Hauptausschuss, dass die Einnahmen deutlich geringer ausfallen werden als geplant.
Die Prognose, die Keck und Paul Borst, Sachgebietsleiter kommunale Steuern, nach vielen Gesprächen mit den Gewerbesteuerzahlern vor allem aus der Industrie und dem Finanzamt erstellt haben, geht von nur noch 55 Millionen Euro Gewerbesteuer für 2019 aus, maximal 60. Welche Folgen hat das für die geplanten Projekte im Rahmen der "Lebenswerten Stadtentwicklung 2018 bis 2026"?
Zunächst gilt es festzustellen, dass Schweinfurt trotz des Einbruchs der Gewerbesteuer um gut 20 Prozent nicht verarmt, im Gegenteil. Auf der Habenseite des städtischen Sparbuchs hat die Kämmerin ja bekanntlich gut 100 Millionen Euro, nach Abzug der Kredite. Keck, bekannt für ihre seriöse und eher konservative Finanzpolitik, hebt trotzdem mahnend den Zeigefinger: "Es ist ein Warnsignal, dass wir weitere Projekte sehr sorgfältig anschauen und planen müssen."
Das Phänomen, das sich die Konjunktur eintrübt und die Gewerbesteuer nicht so hoch ausfällt wie erwartet, ist kein nur auf Schweinfurt bezogenes. Viele andere Kommunen erleben das auch, wie Keck in Gesprächen mit Kollegen aus anderen Städten weiß.
In der Wälzlagerstadt gestaltet sich das Thema deshalb als Herausforderung, weil der Gewerbesteueranteil im Verhältnis zu den anderen Steueranteilen wie Einkommensteuer, Umsatzsteuer oder Grundsteuer ungewöhnlich hoch ist. Die gesamten Steuereinnahmen 2017 betrugen zum Beispiel 120 Millionen Euro, davon waren 70,7 Millionen Euro von den Gewerbetreibenden.
Knapp 1000 Betriebe zahlen in Schweinfurt Gewerbesteuer
Froh ist Keck, dass es in der Stadt 1000 Gewerbesteuer zahlende Betriebe gibt. Natürlich sei es so, dass die vier großen Industrieunternehmen zwischen 60 und 70 Prozent des Gesamtvolumens beisteuern – insofern stimmt der Spruch, wenn die Industrie hustet, bekommt die Stadt eine Grippe.
Doch unter den Top 15 der Gewerbesteuerzahler finden sich auch eine ganze Menge mittelständischer Betriebe mit vielen Mitarbeitern, die es ebenso zu hegen und pflegen gilt. Das macht die Stadt zum Beispiel in dem sie sich mit dem Hebesatz für die Gewerbesteuer, im Moment bei 370 Prozentpunkten, auf dem Niveau der umliegenden Gemeinden und auch größeren Städte bewegt, so dass zum Beispiel Mittelständler nicht über die Maßen belastet werden.
Grundsätzlich halten Anna Barbara Keck und Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) nach wie vor die geplanten großen Projekte für realisierbar, wenn der vorgegebene Kostenrahmen eingehalten wird und möglichst viele Fördermöglichkeiten ausgeschöpft werden. Keck versichert auch, dass "aktuell keine signifikanten Einschnitte bei den freiwilligen Leistungen der Stadt für 2020 und 2021 geplant sind."
Die geplanten Großprojekte sind nicht gefährdet
Im Klartext heißt das, dass die Landesgartenschau 2026 ebenso wenig gefährdet ist wie die weiteren Bauarbeiten im Rahmen der Konversion der früheren us-amerikanischen Liegenschaften. Außerdem weiter geplant werden der Bau der i-Factory, die Ansiedelung des Fraunhofer Instituts, Abriss und Neubau des Kassengebäudes, die Sanierung des Servicebetriebs, der Bau des Kulturforums, der Neubau der Parkhäuser Mainberger Straße und Leopoldina sowie der Maxbrücke.
Klar ist auch: "Ich sehe im Moment keinen Spielraum für weitere Großprojekte, insbesondere wenn man über die Folgekosten nachdenkt", so Keck. Sie hat in Absprache mit dem OB veranlasst, dass alle städtischen Referate und Abteilungen für den städtischen Haushalt 2020 ihre Kostenstruktur durchleuchten und die Investitionen hinterfragen. Ziel ist, zehn Prozent einzusparen, "das halte ich auch für realistisch, wenn man sich die bisherigen Jahresergebnisse anschaut."
Keck wird im Haushalt 2020 die Gewerbesteuer mit zehn Millionen Euro weniger ansetzen als bisher geplant. Sie verweist aber darauf, dass es sich immer nur um eine Schätzung handele und es durchaus eine Menge Rahmenbedingungen gebe, auf die die Stadt keinen Einfluss hat: weltweite politische Ereignisse oder die Standortentscheidungen der Industriebetriebe im europaweiten Wettbewerb. Die Perspektive für die nächsten drei bis fünf Jahre aber lässt die Finanzreferentin nach wie vor "vorsichtig optimistisch" sein.
Schwankungen des Gewerbesteueraufkommens sind für Schweinfurter Kämmerer übrigens nichts Neues. Am schlimmsten war es im Jahr nach der großen Finanzkrise, als die amerikanische Investmanbank Lehmann Brothers pleite ging und eine weltweite Schockwelle in der Wirtschaft auslöste. Da sank die Gewerbesteuer vom Rekordwert 100 Millionen Euro auf nur noch 40 Millionen Euro ab. Doch die Einnahmen stiegen auch schnell wieder, da das mainfränkische Bruttoinlandsprodukt schon 2010 wieder auf dem Wert von 2008 war und 2017 sogar 25 Prozent über dem von vor der Krise war.