So etwas dürfte der Schweinfurter Stadtrat in den vergangenen Jahren noch nicht erlebt haben. Der Kölner Architekt Markus Kill sorgte mit einem emotionalen Ausbruch am Ende der Diskussion am Dienstagnachmittag über das weitere Vorgehen bei der Planung für das Kulturforum am Martin-Luther-Platz für einen Eklat. Nur der besonnenen Reaktion der Stadträte war es zu verdanken, dass es keinen lautstarken Streit zwischen den Stadträten und dem Planer gab.
Lesen Sie hier einen Kommentar von Oliver Schikora
Gut zweieinhalb Stunden waren vergangen in der Diskussion im Stadtrat am Dienstagnachmittag, als Markus Kill offensichtlich der Kragen platzte. Der Architekt von Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten, dem Sieger des Gestaltungswettbewerbs für das Kulturforum am Martin-Luther-Platz, war zuvor von verschiedenen Stadträten in ruhig vorgetragenen, aber in der Sache deutlichen Argumenten kritisiert worden., weil der ursprünglich vorgesehene Veranstaltungssaal für 300 Personen baulich nicht möglich ist und überdies die größtmögliche Variante mit 266 Plätzen vier Millionen Euro Mehrkosten verursachen würde.
Als Georg Wiederer (FDP) fragte, wie es weitergehe und vor allem, wer die gewünschte Kostenberechnung für einen kleineren Saal mit bis zu 160 Personen vornehme – die Bauverwaltung oder "das vorgeblich gut bezahlte Architekturbüro" – meldete sich Kill, bekam das Wort und setzte zu einer Philippika an.
Er habe derartige Kritik an einem Entwurf seines Büros in einem Gremium noch nie erlebt und verwahre sich dagegen, dass seine Firma "diskreditiert" werde. Überdies sei der Schweinfurter Stadtrat eine "Schlangengrube", wie er es noch nie erlebt habe. Er betonte, man habe immer gesagt, dass der Saal mit 300 Personen auf dem Grundstück nicht realisierbar sei, dass man weitere Nebenräume wie Stuhllager, Umkleiden, etc. brauche und dass das vorgegebene Budget für die Sanierung des gesamten Areals, das bekanntlich die Alte Reichsvogtei, das Alte Gymnasium, das Stadtschreiberhaus und einen Neubau umfasse, so nicht zu halten sei.
Die Verärgerung über diesen Ausbruch war den Stadträten deutlich anzumerken, sie blieben aber besonnen. Der OB erklärte, er könne Kills Emotionalität persönlich verstehen, bat aber um Zurückhaltung. Theresa Schefbeck (CSU), Architektin von Beruf, zeigte insofern Verständnis für Kill, als sie erklärte, man müsse verstehen, wenn ein Planer nicht wisse, was er tun solle, wenn der Auftraggeber selbst sich unsicher sei, in welche Richtung es gehen solle. Sie halte die Ideen von Kills Büro für das Kulturforum nach wie vor für die besten und ihn für einen guten Planer. Man solle nun "ohne Schuldzuweisung" in der Sommerpause überlegen, wie es weitergehen solle.
Im Kern geht es um ein Problem, dasauch vergangene Woche im Bau- und Hauptausschuss für längere Diskussionen gesorgt hat. Im Verlauf der Planung hat sich gezeigt, dass der Entwurf des Planungsbüros, im Untergeschoss einen Saal zu bauen, schwierig ist. Das Grundstück ist für die gewünschte Größe von 300 Personen mit Bühne nicht groß genug, maximal möglich wären 266. Dazu brauche man auch bisher nicht vorgesehene Nebenräume wie ein Stuhllager oder Garderoben.
Gerechnet wird bei dieser Variante mit mindestens vier Millionen Euro Mehrkosten, dazu gibt es weitere Risiken, unter anderem wegen der Bodendenkmalpflege, da in diesem Bereich ein alter Friedhof ist. Die zweite, von Verwaltung, Planer und Oberbürgermeister bevorzugte Variante ist ein Saal für bis zu 160 Personen, überirdisch und mit der Möglichkeit der Öffnung zum Martin-Luther-Platz hin. Diese Variante würde keine Mehrkosten verursachen, aber den Verzicht auf den ursprünglich konzeptionell und von einer Mehrheit der Kulturschaffenden aus allen Branchen gewünschten 300-Personen-Saal.
Die Fraktionen hatten die Zeit zwischen den Ausschüssen und der Stadtratssitzung genutzt, sich mit dem Thema intensiv zu befassen. CSU-Fraktionschef Stefan Funk lehnte die große Variante ab, aus Kostengründen, aber auch, weil der Raum im Keller wenig attraktiv sei. Er betonte, dass die zweite Variante mit 160 Plätzen die CSU ebenfalls nicht zufrieden stellte, sie sollte dahingehend optimiert werden, variabler und vielleicht ein wenig größer zu werden.
"Wir stehen zum Kulturforum", betonte Funk, forderte aber eine detaillierte Kostenberechnung bis Herbst. Dieser Antrag wurde schließlich auch mehrheitlich so beschlossen, da ihn auch die Grünen und proschweinfurt unter anderem mit trugen.
Kritische Fragen hatten mehrere Räte aus allen Fraktionen. Georg Wiederer wollte wissen, ob die nicht ausgewählten Büros beim Wettbewerb klagen könnten, wenn der Entwurf nun gravierend geändert würde. Baureferent Ralf Brettin verneinte das, da aus seiner Sicht der Siegerentwurf "im wesentlichen erhalten bleibt".
SPD-Fraktionschef Ralf Hofmann brachte seine Verwunderung zum Ausdruck, wieso die klar definierten Vorgaben doch nicht eingehalten werden können. Man sei "durch bunte Bilder geködert" worden, beide Varianten nun stellten die SPD nicht zufrieden. Man müsse inne halten und neu planen, so Hofmann, dessen Vorschlag, im Kulturforum keinen Saal zu bauen und stattdessen im Rückertbau einen 300-Personen-Saal zu integrieren, mehrheitlich abgelehnt wurde.
Unterstützung bekam Hofmann parteiübergreifend, unter anderem von Frank Firsching (Die Linke). Er formulierte zugespitzt. "Wer auf ein totes Pferd setzt, kann nicht in den Sonnenuntergang reiten".