Was macht ein Theaterchef ohne Theater? Eine Frage, die dem seit Februar amtierenden neuen Intendanten des Schweinfurter Theaters angesichts der im Sommer beginnenden Generalsanierung wahrscheinlich schon hundert Mal gestellt wurde. Er beantwortet sie seinem Naturell entsprechend optimistisch: "Jetzt macht es Spaß und ich mache das, wofür ich engagiert wurde." Nämlich: Theater in einer Ersatzspielstätte.
Die 4200 Abonnenten des Theaters sind teils seit über 40 Jahren treu an der Seite des 1966 erbauten Theaters, freuten sich jedes Jahr auf das neue Programm. Seit November 2020 gibt es keine Vorstellungen mehr, denn der Beginn des zweiten Lockdowns markierte die seither dauerhafte Schließung und Vorbereitung auf die Sanierung. Jetzt ist klar: Ab Oktober wird wieder gespielt und zwar im evangelischen Gemeindehaus in der Friedenstraße in Schweinfurt.
Der Stadtrat und die evangelische Kirchengemeinde genehmigten kürzlich die Mietverträge. Bis mindestens Frühjahr 2025 findet das Theater nun eine Bühnen-Heimstatt im Gemeindehaus, das gleichwohl auch weiterhin für andere Veranstaltungen vermietet wird, so es der Theaterspielplan zulässt. Christof Wahlefeld hat ehrgeizige Ziele: Er will in den Spielzeiten 2022/23, sowie 2023/24 und 2024/25 in jedem Fall die gleiche Menge Veranstaltungen wie in einer normalen Spielzeit im Theater anbieten. Meist waren das rund 150 Abende im Jahr.
Die große Oper geht aufgrund der Platzverhältnisse und des fehlenden Orchestergrabens nicht, doch Musical, Tanz, Ballett, Sprechtheater, Konzerte sind problemlos machbar auf der über 90 Quadratmeter Spielfläche verfügenden Bühne im Gemeindehaus.
Umbau im evangelischen Gemeindehaus ab September, Eröffnung Mitte Oktober
Während die Handwerker im großen Theater in der Rüfferstraße hoffentlich im Spätsommer auch schon zu Gange sind, steht für Wahlefelds Team ab September richtig viel Arbeit auf dem Programm: Die Bühne im Gemeindehaus wird angepasst, Beleuchtung und Ton eingebaut, Platz für 400 Gäste inklusive ansteigender Besucherreihen. Wenn man ins Theater zurückzieht, wird alles wieder abgebaut.
Im Eingangsbereich im Gemeindehaus plant Wahlfeld auch eine Art Lounge für die Theaterbesucher mit den bekannten Couch-Möbeln aus dem Theater. Natürlich gibt es auch Catering durch einen Gastronom. Am 21. Oktober ist die Eröffnung, danach beginnt die Spielzeit, die bis Frühsommer 2023 geht. Der zeitliche Ablauf ist ambitioniert, doch Wahlefeld ist sehr froh über die "sehr gute Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche", zumal die ersten Gespräche über die Ersatzspielstätte erst an Ostern geführt werden konnten.
Transparenz für die Besucher ist Wahlfeld übrigens ein ebenso großes Anliegen. Deswegen wird er den Umbau zur Ersatzspielstätte ebenso intensiv mit einer Social-Media-Kampagne begleiten wie die Sanierung des Haupthauses, wo die Bühnentechnik, die Haustechnik und das Dach saniert werden sowie mit Schadstoffen belastete Wände. Regelmäßige Baustellenführungen sollen die Baufortschritte zeigen. Mit dem Theaterflohmarkt und der Farewell-Party kürzlich ging Wahlefeld bereits völlig neue Wege in Schweinfurt und landete zwei Volltreffer.
Verwaltung des Theaters zieht vorübergehend in das Museum Otto Schäfer
Die Verwaltung des Theaters zieht während der Bauphase in das Museum Otto Schäfer, wo man vier Büros vom dortigen neuen Chef Jan Soldin bekam. Der ist ebenso wie Wahlefeld sehr an einer Zusammenarbeit interessiert, weswegen schon für diese Spielzeit einige Kooperationen geplant sind wie ein Ella-Fitzgerald-Abend oder ein Beatbox-Lehrgang.
Für die Spielzeit ab Oktober hat Christof Wahlefeld schon einen Rahmen, von vielen bewährten Partnern auch Zusagen. Ein Wiedersehen gibt es mit der American Drama Group, mit dem Theater Hof, mit der Unterfränkischen Landesbühne Theater Schloss Maßbach oder den Bamberger Symphonikern. Freuen darf man sich auch auf das Green-Day-Musical "American Idiot" im März 2023.
Los geht es mit dem Stück "Vom Suchen und Finden" der württembergischen Landesbühne Esslingen. Nimmt man den Gesamtkontext der Sanierung, ein sicher passender Titel für das, was die Schweinfurter erwartet und auch Christof Wahlefeld: Ein Suchen und Finden neuer Stücke, Orte und Gäste, denn auch darum geht es ihm: "Wir wollen verstärkt andere, neue Gruppen für das Theater ansprechen."
Der Intendant spricht selbstkritisch von einer "Lost generation", die alle Theaterleiter im deutschsprachigen Raum in den vergangenen Jahren durch ihre Art Programm zu machen, erzeugt hätten. Die Menschen zwischen 30 und 50 Jahren wieder für Theater zu begeistern, deren Schwellenängste zu minimieren, sei die große Aufgabe, der man sich stellen müsse.
Abokarte bringt Vorteile wie Rabatte und Vorkaufsrechte
Den treuen Abonnenten kann Wahlefeld zwar in den nächsten drei Spielzeiten nicht das gewohnte Abo bieten, aber er belohnt ihre Treue zum Theater mit einer Abokarte. Dadurch bekommt man die üblichen 25 Prozent Nachlass und ein zweiwöchiges Vorkaufsrecht. Rabatte gibt es auch für die Tickets der Theaterfahrten nach Meiningen, Würzburg oder Bamberg, die Wahlefeld ebenso anbietet.
Wie die neue Spielzeit endet, weiß Wahlefeld auch schon. Mit dem mit einem Augenzwinkern zu sehenden Stück "München kann jeder, Schweinfurt muss man wollen" der Burghofbühne Dinslaken im Frühsommer 2023.