Christof Wahlefeld, 40, ist seit 1. Februar Leiter des Theaters der Stadt Schweinfurt, das noch bis 2025 wegen Sanierung geschlossen ist. Der promovierte Literaturwissenschaftler stammt aus Neersen am Niederrhein, begann seine Karriere als Dramaturg und war zuletzt Künstlerischer Betriebsdirektor am Theater Bielefeld. Vorherige Stationen waren das Landestheater Coburg, das Theater Lüneburg, das Universitätsklinikum Regensburg und das Theater für Niedersachsen in Hildesheim.
Christof Wahlefeld: Ich habe sogar drei Theater – ich reiße das eine ab, weil es saniert werden muss, ich baue ein neues als Ersatzspielstätte auf und kümmere mich, drittens, um eine Bleibe für alle, die hier arbeiten. Ich werde mich mit vier Vorstellungen am Kultursommer beteiligen, und ab Oktober in Interimsspielstätten ein Ersatzprogramm anbieten. Im Lauf des Sommers stelle ich einen Spielplan vor und gebe auch bekannt, wann der Vorverkauf losgehen wird.
Wahlefeld: Es wird eine große Ersatzspielstätte geben, das Evangelische Gemeindehaus in der Friedenstraße mit etwa 400 Plätzen. Wir werden die Bühne etwas vergrößern und den ganzen Saal in ein Theater verwandeln, etwa mit aufsteigenden Sitzreihen. Das große Problem mit Ersatzspielstätten ist: Egal, wo ich hingehe, ich muss überall erstmal ein Theater einbauen, um da überhaupt spielen zu können. Deshalb war relativ schnell klar: Ein Wanderzirkus würde viel teurer werden, als wenn ich etwas durchgehend miete, wo ich nicht ständig auf- und abbauen muss.
Wahlefeld: Wir ziehen ins Museum Otto Schäfer. Da sind vier Büros verfügbar. Von dort aus werden wir den Spielbetrieb und den Umbau managen. Mit Museumsleiter Jan Soldin habe ich schon vereinbart, dass wir dort auch Kammerkonzerte und ähnliches veranstalten werden. Wir träumen ein bisschen den Traum von der Schweinfurter Kulturvilla.
Wahlefeld: Wir können dort auf 90 Quadratmetern sichtbarer Bühnenfläche Schauspiel machen, sogar Tanz, Musical und Konzert. Natürlich nicht den großen Bruckner, aber Mozart mit 40 Musikern, das geht.
Wahlefeld: Ich werde immer wieder Theaterfahrten zu den umliegenden Häusern anbieten. Also Meiningen, Würzburg, Coburg, Bamberg. An Wochenenden kann ich mir auch Nürnberg vorstellen. Ich stelle mir das sehr romantisch vor, wie auf Klassenfahrt: Auf der Hinfahrt hält der Intendant im Bus eine Einführung zu "Lohengrin", und auf der Rückfahrt reden wir dann alle drüber.
Wahlefeld: Da sind wir mittlerweile bei 52 Millionen. Wir haben aber von der Regierung gesagt bekommen, dass wir die Kostensteigerungen nachreichen dürfen, und dass der Förderanteil von 75 Prozent entsprechend mit steigt. Natürlich bleiben 25 Prozent bei der Stadt, aber wir müssen die Steigerungen eben nicht alleine aufbringen.
Wahlefeld: Das sind einerseits die Kostensteigerungen, die jeden treffen, der baut. Das hat auch mit dem Krieg in der Ukraine zu tun, der alles verschärft. Und mit dem Personalmangel, der in jedem Arbeitsbereich zu spüren ist.
Wahlefeld: Überraschungen gibt es jeden Tag. Aber es gibt keine krassen unerwarteten Erkenntnisse. Jedenfalls nicht für mich. Wir haben viele Wände auf Schadstoffe beprobt, Asbest ist ja nur einer davon. Wenn wir jetzt noch mehr belastete Wände finden, reißen die uns nicht rein. Ich gehöre auch nicht zu den Intendanten, die spät nochmal die ganze Planung über den Haufen werfen, was zu extremen Kostensteigerungen führt. Bis hin zu einem Planungsbüro, das dann sagt: Ich will nicht mehr. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass an einer Stelle die Sprinkleranlage nicht sinnvoll geplant war, das ist berücksichtigt worden. Aber das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird: Können wir hier das gleiche Desaster erleben wie in Würzburg?
Wahlefeld: Nein, können wir nicht. Es gibt wichtige Unterschiede: Wir sind von Anfang an deutlich geringer budgetiert gewesen. Zum anderen haben wir einen Generalunternehmer. Wir haben nicht wie Würzburg alles in einzelnen Losen vergeben und koordinieren das alles. Wir können trotzdem natürlich auch mitreden. Wir geben unsere Wünsche vor, und dann wird mit uns auf der Ebene des Nutzers gesprochen und nicht auf der Ebene des Bauherrn.
Wahlefeld: Ich darf als Nutzer erstmal groß denken und muss mir keine Gedanken machen, wie etwas umgesetzt wird. Ich habe zwei Dinge angeregt, und die werden auch umgesetzt, worüber ich mich sehr freue: Wir werden die Tageskasse von der Rückseite des Gebäudes ins Foyer verlegen, und wir werden das Theatercafé so ertüchtigen, dass man dort auch tagsüber Kaffee, Kuchen und ein paar Kleinigkeiten zu essen bekommt. Um das Haus ein bisschen mehr für die Stadtbevölkerung zu öffnen. Wir sitzen in einer Immobilie in 1-A-Lage, die sich aber nur 150 mal im Jahr für drei Stunden öffnet. Das ist ein bisschen wenig heutzutage.
Wahlefeld: Wir haben eine Lost Generation im Publikum geschaffen. Die bei allem anfängt, was so unter 50 ist. Theater hat doch arg Federn gelassen. Wir können zehn, vielleicht 15 Jahre weitermachen, wie wir es bislang gemacht haben, aber dann hat sich's biologisch erledigt. Dann kann sich meine Generation von Theaterleuten rühmen, eine 2500 Jahre alte Institution zugrunde gerichtet zu haben. Das möchte ich nicht auf meinem Grabstein stehen haben.
Wahlefeld: Die allermeisten von uns haben doch Abos. Ob das jetzt Netflix, Amazon prime, Disney Channel oder was auch immer ist. Das heißt: Die Bereitschaft, Abos abzuschließen, ist durchaus noch da. Die Bereitschaft, sich auf Geschichten einzulassen, auch. Freundeskreise und Familien treffen sich zum Binge Watching (Dauerschauen von Serien, Anm. d. Red.). Das Bedürfnis, in Gemeinschaft etwas zu erleben, ist immer noch da. Und das ist letztendlich nichts anderes als das, was Theater auch bietet.
Als wir diese Lost Generation geschaffen haben, war es üblich, am Publikum vorbei zu programmieren. Dann hat man halt zum Ausgleich eine Komödie gemacht, dann kamen die Leute schon. Das Problem: Es kamen nur die Leute, die ohnehin kamen. Ich habe nicht das Patenrezept, welche Stücke es in Zukunft sein müssen. Aber ich bin davon überzeugt, dass es wichtig ist, gute Geschichten anzubieten, ohne dass allzu viel kommentiert wird, wie das gerade in ist. Amazon prime & Co. machen es vor: Da werden Geschichten mit einem gewissen Humor und einer gewissen Leichtigkeit erzählt, die aber trotzdem sehr ernste Themen verhandeln. Die uns vielleicht nur in Teilen betreffen, uns aber dennoch interessieren.
Weitere Informationen zum Schweinfurter Kultursommer unter kultursommer-schweinfurt.de und zum Theater unter www.theater-schweinfurt.de