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SCHWEINFURT
Wenn's die Pause richtig in sich hat
Den Eichstrich immer im Blick: Oliver Schikora beim Einschenken vor dem Pausenansturm.
Foto: Josef Lamber | Den Eichstrich immer im Blick: Oliver Schikora beim Einschenken vor dem Pausenansturm.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:34 Uhr

Das Orchester legt sich noch mal richtig ins Zeug, die Sopranistin schmettert die letzten Töne der Arie vor der Pause in Guiseppe Verdis „Troubadour“. Arie vorbei, Applaus, Licht an, wohlverdiente Pause. Die Tür geht auf, die über 500 Besucher an diesem Abend strömen heraus, eilen zu den Verkaufsständen im unteren und oberen Foyer. Startschuss für besonders intensive neun Minuten als Reporter in Betrieb im Schweinfurter Theater.

 

Nützlicher Holzblock

Die erste Bestellung, zwei Prosecco. Gut, die Flaschen und Gläser haben Jonas, der routinierte Abiturient von Mangold's Theatermeisterei an meiner Seite, der diesen Job schon Dutzende Mal gemacht hat, und ich schon vorher auf den Tisch gestellt. Dazu der sehr nützliche schwarze Holzblock, den man hinter das Glas stellt. Er ist genau so hoch wie der Eichstrich, den man sonst schwer sehen würde. Die Dame zahlt per Bon, zum Glück.

Denn gleich darauf rächt sich meine Nonchalance zuvor, als ich mich mit Jonas über alles Mögliche unterhalten habe, aber nicht darauf gekommen bin, mal die Preise anzuschauen. Eine Cola ist gewünscht, wird prompt geliefert mit Glas. Aber was kostet sie? Ich muss auf der Preisliste ein wenig suchen, Jonas hat keine Zeit für Fragen, die Schlange bei ihm ist genauso lange wie bei mir. Ich finde den Preis, 2,30 Euro, die Kundin hat dankenswerter Weise Geduld mit mir, auch wenn die Pause nur 20 Minuten dauert.

 

Fotoserie

Kopfrechnen gefragt

So langsam finde ich mich rein ins Getränkegeschäft in der Theaterpause. Es hilft, dass ich privat bei mir zu Hause seit Jahren größere Veranstaltungen mit organisiere und nicht das erste Mal Getränke ausschenke. Doch so intensiv wie dieses Mal hatte ich es schon lange nicht mehr. Es sind nur neun Minuten, dann ist der Ansturm vorbei, aber es sind neun Minuten, die es in sich haben. Bestellung aufnehmen, einschenken, gleich mitrechnen mit „krummen“ Preisen, richtiges Wechselgeld herausgeben. Puhh, das ist kein Job für Jedermann, das muss man mögen. Doch Jammern ist fehl am Platz, das Team um Chefin Susanne Mangold im ein Stockwerk tiefer gelegenen Café mit seinen wunderbaren Spiegelwänden hat in der Pause meist den noch größeren Andrang.

In ihre fünfte Saison geht Susanne Mangold mit ihrem 16-köpfigen Team, meist Schüler und Studenten aus Schweinfurt, nun schon. 165 Vorstellungen im Jahr betreuen sie, Getränkeverkauf, Kleinigkeiten zu Essen – vor den Vorstellungen und in der Pause. Was das Team auszeichnet ist nicht nur der kollegiale Umgang miteinander und der freundliche mit den Kunden, sondern die große Routine. 

Bestellannahme in der Pause.
| Bestellannahme in der Pause.

Treffpunkt vor den 19.30-Uhr-Vorstellungen ist meist gegen viertel Sieben am Hintereingang, dann geht es gemeinsam durch die verwinkelten Theatergänge in die kleine Küche hinter dem Café, die man als Kunde gar nicht sieht. Jeder weiß, was er zu tun hat, was vorbereitet, was wohin gebracht werden muss. Susanne Mangold schaut immer als Erstes an die Glastür zum Foyer, da liegt nämlich der Zettel der Produktionsfirma mit den genauen Pausenzeiten.

Falsche Pausenzeiten sind fatal

Essenziell zu wissen, denn in der Theatermeisterei kann man vorbestellen und sich seinen Secco oder sein Bierchen auch an einen der Stehtische liefern lassen. Wenn man dann als Zuschauer in die Pause geht, ist schon alles am entsprechenden Tisch gerichtet. Wenn die Zeiten stimmen. „Zum Glück ist es nur ein Mal passiert, dass es falsch war“, erinnert sich Susanne Mangold mit einem Lachen, „damals hatte man uns das Ende der Pause versehentlich als Anfangszeit gemeldet. Es fehlten 20 Minuten und als auf einmal die Leute herauskamen, waren wir noch nicht fertig.“ Da hieß es flitzen, doch auch diese Bewährungsprobe meisterte das Team am Ende mit Bravour.

 

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Vor dem großen Pausenandrang heißt es Kisten mit Getränken und Gläsern schleppen. Zum Glück gibt es seit der Sanierung Anfang der 2000er einen Aufzug. Akribisch werden die Bestellungen für die Tische abgearbeitet, alles gerichtet. Der Prosecco wird im übrigen erst fünf Minuten vor der Pause eingeschenkt, sonst wäre er ja schal.

Batterien für das Hörgerät

Flaschen-Transport: Die Bar im oberen Foyer wird immer erst am Abend bestückt.
| Flaschen-Transport: Die Bar im oberen Foyer wird immer erst am Abend bestückt.

Als der zweite Gong ertönt und man von drinnen schon die Musiker hört, wie sie vor dem nächsten Troubadour-Akt ihre Instrumente stimmen, eilen die letzten Besucher zu ihren Sitzen. Für uns ist das Startschuss fürs Aufräumen. Gläser einsammeln, Flaschen, Teller, Müll – es finden sich auch Skurrilitäten wie eine leere Packung Batterien für ein Hörgerät. Gut, dass der mutmaßlich ältere Gast so wenigstens nach der Pause in den Hörgenuss dieser sehr guten Opern-Inszenierung des Anhaltischen Theaters Dessau kam.

Die Tücken der Karten-Kontrolle

Während wir aufräumen und die Gläser aus der superschnellen Industriespülmaschine holen, abtrocknen und aufräumen, bleibt ein wenig Zeit, über den anderen erstaunlich herausfordernden Job an diesem Abend nachzudenken. Da es eine laue Sommernacht war, gab es an der Garderobe nicht viel zu tun, also versuche ich mich als Kartenkontrolleur.

Christiane Schmitt weist mich ein, da brummt mir schon der Kopf: Es gibt Freiverkaufskarten, an der Theaterkasse erworbene Tickets, im Internet gekaufte, Abo-Karten, Abo-Karten mit speziellen Rabatten, Abendkarten, wenn jemand seine Abo-Karte vergessen hat. Manche Karten reißt man ein, andere nicht.

Konzentration gefragt: Karten-Kontrolle gemeinsam mit Ilse Thierbach.
| Konzentration gefragt: Karten-Kontrolle gemeinsam mit Ilse Thierbach.

Zum Glück nimmt mich an der Tür zum Sperrsitz Ilse Thierbach unter ihre Fittiche. Ihre herzliche Art ist ansteckend, sie ist seit Jahrzehnten dabei und kennt fast jeden Besucher persönlich.

Für jeden ein nettes Wort

Warum gibt es Menschen, die seit 40 oder 50 Jahren ununterbrochen ein Abo fürs Theater haben? Weil die Qualität der Vorstellungen gut ist und es Menschen wie Ilse Thierbach gibt, die immer ein freundliches Wort auf den Lippen haben, die bei den älteren Herrschaften auch fragen, wenn der Partner mal nicht dabei ist und Trost spenden, wenn er krank ist oder Schlimmeres passiert ist. „Auf Menschen zuzugehen, hat mir immer Spaß gemacht“, erzählt Ilse Thierbach. Sie war schon zu Zeiten von Gründungsintendant Günter Fuhrmann im Theater, liebt das Schauspiel, „ich brauche das Wort.“

Sie kann etwas, was ich als Kontrolleur gar nicht kann: Erzählen, die herbeiströmenden Besucher erkennen, ansprechen und gleichzeitig die Karten kontrollieren. Konzentration ist gefragt, wir haben an diesem Abend die Karten vom gemischten Abo E und freien Verkauf zu überprüfen. So schnell kann man gar nicht schauen, wie die Leute kommen, gerade kurz vor Vorstellungsbeginn. Ich bin froh, dass ich hauptsächlich die Aufgabe habe, Flyer für die neue Saison auszugeben.

 

Nach dem Ansturm muss alles sauber gemacht werden – Gläser polieren ist da Pflicht.
| Nach dem Ansturm muss alles sauber gemacht werden – Gläser polieren ist da Pflicht.

Um kurz nach 21 Uhr ist mein Dienst in der Küche beendet, alles aufgeräumt. Zeit zum Durchschnaufen nach einem zwar körperlich nicht sehr anstrengenden, aber dennoch meine Konzentration richtig fordernden Abend.

Als ich wenige Tage später mir den „Troubadour“ mit meiner Frau anschaue, bin ich irgendwie doch froh, einfach nur als Besucher da sein zu können.

Tagblatt-Serie Reporter in Betrieb

Denken Sie nicht auch manchmal, wie schön es wäre, mal einen freien Tag zu haben? Kein Problem: Mieten Sie sich einen Redakteur. Mit unserer Serie „Reporter in Betrieb“ wollen wir Zeitungsleute über den Tellerrand schauen – nicht immer nur Stadtratssitzung und Jahreshauptversammlung, das Leben ruft. Wir wollen wissen, wie geht es in anderen Berufsfeldern tatsächlich zu? Unser Vorschlag: „Reporter in Betrieb“. Sie haben einen interessanten Job, den Sie uns zutrauen, dann melden Sie sich. Schreiben Sie uns Ihren Vorschlag, entweder per Post an Schweinfurter Tagblatt, z. Hd. Oliver Schikora, Schultesstraße 19a, 97 421 Schweinfurt, oder per Mail an red.schweinfurt@mainpost.de

Die Redakteure Josef Schäfer, Oliver Schikora, Irene Spiegel und Susanne Wiedemann wählen die Angebote aus und wir krempeln dann die Ärmel hoch. Wie es uns ergangen ist, lesen Sie nachher in einer unseres Samstagsausgaben.

 
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