Siegfried Schmidt will "Dampf im Kessel erzeugen". Er will den hiesigen Politikern Druck machen und hat sogar eine "Petition", wie er es nennt, an Ministerpräsident Markus Söder geschrieben. Der Psychologe aus Bad Königshofen will verhindern, dass der Ellertshäuser See im Herbst abgelassen wird. Das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen hat diese Maßnahme angekündigt, um die technischen Betriebseinrichtungen am Seegrund zu sanieren. Bis der See wieder aus seinen natürlichen Quellen mit Wasser gefüllt ist, kann es Jahre dauern.
"Das ist eine völlig übertriebene Aktion", sagt Schmidt. Natur und Tiere rund ums Wasser würden "irreparablen Schaden" erleiden. Im See leben nicht nur Fische, auch Amphibien und Wasservögel haben hier ihr Zuhause. Im Frühjahr laichen Kröten am Nord- und Südufer. Das Ablassen des Sees könne das Aus für die Tier- und Pflanzenwelt bedeuten, befürchtet Schmidt. Den "gesamtwirtschaftlichen Schaden für den Steuerzahler und die Natur" prognostiziert er auf zig Millionen Euro.
Dass sich Schmidt als Rhön-Grabfelder für den Ellertshäuser See einsetzt, begründet der Psychologe, der ein Segelboot am Ufer liegen hat, mit seinem Umweltbewusstsein. Seit Jahren beobachte er, dass sich die Niederschlagsmengen verringern. Der Grundwasserspiegel falle, Dürre und Missernten seien die Folge. Wasserflächen sollten deshalb nicht beseitigt werden, was bei einem über mehrere Jahre trocken liegenden Ellertshäuser See der Fall wäre.
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"Der Arm der Politik muss jetzt zupacken und kompensatorisch Wasserflächen schaffen", schreibt Schmidt in seiner "Petition" mit Verweis auf die durch den Klimawandel bedingten Hitze- und Dürreperioden in der Region. In Unterfranken müssten seiner Meinung nach an mehreren Orten Wasserflächen aufgestaut werden, damit der Grundwasserspiegel steige, die Tauwasserbildung gefördert werde, die Niederschlagsmenge zunehme und neue Rückzugsräume für Mensch und Tier entstünden.
Das Wasserwirtschaftsamt fordert der Bad Königshöfer auf, nach minimalinvasiven Methoden zu suchen, ohne dass das Wasser abgelassen werden muss. Oder den Stausee künftig nicht mehr über einen Schieber, sondern alternativ über ein "Rohr mit Ventil" zu regulieren. Das sei "kostengünstiger, in wenigen Wochen erledigt, und das Wasser könnte im See bleiben".
Wasserwirtschaftsamt sieht keine Alternative zum Ablassen des Sees
Das Wasserwirtschaftsamt stellt auf Nachfrage dieser Redaktion klar, dass "selbstverständlich" Alternativen zum Ablassen des Sees geprüft worden seien. Schon aufgrund des Gebots der Wirtschaftlichkeit, dem die Behörde unterliege. Doch es gebe keine Alternative. Der von Schmidt vorgeschlagene "Heber" sei theoretisch zwar möglich, ersetze aber nicht die jetzt anstehende Sanierung und hätte erst Recht Mehrkosten zur Folge. Denn zusätzlich zu der Sanierung müssten sämtliche Anlagen für einen gesteuerten Heber gebaut werden: Einlassbauwerk, Steuerung, Auslassbauwerk, Tosbecken. "Über die vorhandene Hochwasserentlastung kann das nicht realisiert werden", sagt Andreas Kirchner, der für den Landkreis zuständige Abteilungsleiter am Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen und Talsperrenbeauftragter am Ellertshäuser See.
Der Fachmann verweist zudem auf die sowieso erforderliche Entschlammung des Sees, die im Zuge der Sanierung mit Trockenlegung wesentlich kostengünstiger komme als der Einsatz eines Saugbaggers. Die Entschlammung ist laut Wasserwirtschaftsamt notwendig, um die Wasserqualität zu verbessern. "Nach der Maßnahme werden die Fische und Organismen von der besseren Wasserqualität profitieren." Auch sei man in enger Abstimmung mit Fischerei und Naturschutz, um das Vorhaben so naturverträglich wie möglich abzuwickeln.
Das Wasserwirtschaftsamt hat die Sanierungsmaßnahmen mit rund drei Millionen Euro veranschlagt. Zu Mehrkosten kann es laut Kirchner dann kommen, wenn zusätzliche Arbeiten notwendig würden, zum Beispiel der Einbau einer Innendichtung im Hauptdamm. Diese Mehrkosten seien aber unabhängig zu der Sanierung am Grund- und Betriebsauslass. Diese ist nach Angaben des Wasserwirtschaftsamtes deshalb erforderlich, weil dieser mikrobiell belastet ist. Mikroben, winzig kleine Lebewesen, fressen an dem 80 Meter langen Stahlrohr, über das vom Seegrund aus unter dem Damm hindurch der Wasserstand des Sees reguliert wird. Die Rohrwandung wird dadurch immer dünner und muss laut Wasserwirtschaftsamt ausgetauscht werden.
Naherholungsgebiet wird zur "Fata Morgana"
Schmidt führt noch andere Gründe gegen die Maßnahme des Wasserwirtschaftsamtes ins Feld. Wenn der Ellertshäuser See über Jahre trocken liegt, werde es rund um den See "zig Dutzend Arbeitslose" geben, befürchtet er. Denn Stausee-Restaurant, Kiosk, Hochseilgarten, Bootsverleih, Segelschule und Campingplatz bekämen nicht mehr den erwarteten Zulauf oder müssten ganz schließen. "Das an der Autobahn angepriesene Naherholungsgebiet am Ellertshäuser See wird für viele Jahre eine Fata Morgana sein." Der Psychologe befürchtet gar eine Zunahme von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen, wenn nach den Corona-Einschränkungen nun auch noch "von Staats wegen weiterer Mangel" erzeugt werde.
Schmidt bittet deshalb in seinem Schreiben an die Staatskanzlei Ministerpräsident Söder um "Amtshilfe" für Nordbayern: "Lassen Sie Ihren Landschaftsplanern bei der Regierung etwas einfallen, damit der Ellertshäuser See nicht abgelassen werden muss, sondern alternative Lösungswege beschritten werden können." Außerdem soll der Ministerpräsident seine Parteifreunde motivieren, sich tatkräftig einzusetzen, um die "Vision der Nordbayerischen Seenplatte" mit den in den 1970er-Jahren geplanten Seen bei Bad Königshofen (Lkrs. Rhön-Grabfeld) und Bad Bocklet (Lkrs. Bad Kissingen) Wirklichkeit werden zu lassen. Schmidt fordert außerdem, den zu DDR-Zeiten in den 1960er-Jahren trockengelegten See am Fuße der Gleichberge wieder zu reaktivieren.
"Solche Maßnahmen wurden in der Vergangenheit durch die Wasserwirtschaft schon sehr ernst genommen", verweist Kirchner auf das Überleitungssystem im fränkischen Seenland, das Wasser aus dem regenreichen Süden in den Norden Bayerns bringt. Mit der Maßnahme am Ellertshäuser See allerdings habe das nichts zu tun. Dieser sei ein staatlicher Speicher mit wasserwirtschaftlichen Aufgaben wie Hochwasserrückhalt und Niedrigwasseraufhöhung. Und was die touristischen Reize anbetrifft: "Diese bleiben bestehen", schreibt das Wasserwirtschaftsamt, "abgesehen davon, dass der See leer ist und man nicht schwimmen kann."
Ellertshäuser See
1970 wurde der See vom Wasser- und Bodenverband an den Freistaat Bayern veräußert. Heute dient er hauptsächlich dem Hochwasserschutz sowie der Freizeit und Erholung. Mit einer Fläche von 31 Hektar, das entspricht 43 Fußballfeldern, ist er der größte See Unterfrankens. 2,3 Millionen Kubikmeter Wasser passen ins Seebecken. Bis zu 600 Liter pro Sekunde können die Leitungen in Hochwasserzeiten in die Bäche ableiten.
Serie "Trockenlegung Ellertshäuser See": Im nächsten Teil geht es um die Auswirkungen für die Tier- und Pflanzenwelt. Dazu bezieht die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Schweinfurt Stellung.
Interresant, dass die Mainpost bisher kein einziges Mal einen Artikel aus der Perspektive derer geschrieben hat, die sich wirklich für die Touristische Weiterentwicklung mit Ihrer Arbeit und Geld einbringen. Kiosk und Restaurant Betreiber, Campingplatz, Tinylodge, Sportschule,.... Verstehen Sie das als Anregung.