Die Pressemeldung, die die Freien Wähler Ende August herausgaben, lässt auf den ersten Blick Routine vermuten. Am 21. August wurde eine Stadtvereinigung Schweinfurt der Freien Wähler gegründet. Neuer Vorsitzender ist Harald Schmitt, seine Stellvertreter sind Dagmar Bebersdorf, Peter Glückert und Stefan Labus.
Auf dem mitgelieferten Bild sehen die Protagonisten zufrieden aus, der vergangenen Herbst neu gewählte Landtagsabgeordnete Gerald Pittner aus Bad Neustadt kam als Bezirksvorsitzender und gratulierte. Man stehe für "eine unabhängige, nur an Sachthemen orientierte Politik der bürgerlichen Mitte, bei der in erster Linie die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt stehen", heißt es in der Pressemitteilung.
Die Neugründung des Stadtverbandes wirft gleichwohl eine Reihe von Fragen auf in Bezug auf die Konsequenzen für die Kommunalwahlen 2020 in der Wälzlagerstadt. Zuallererst: Was passiert mit der Schweinfurter Liste (SWL)? 2009 fusionierten die Freien Wähler mit der Schweinfurter Liste und traten seither mit einem gemeinsamen Namen auf. Seit 2014 sind für die Schweinfurter Liste/Freie Wähler Stefan Labus, Dagmar Bebersdorf und Ulrike Schneider im Stadtrat.
Der Name Schweinfurter Liste kommt für die Kommunalwahl-Liste nicht mehr vor, es gibt dann nur noch eine Freie-Wähler-Liste. Das hat Vorteile, denn die Liste wird auf dem Stimmzettel am 15. März 2020 auf Platz drei erscheinen und so mutmaßlich mehr Stimmen von Wählern generieren, die bei der Kommunalwahl nach Parteipräferenz wählen. Wenn die Schweinfurter Liste nicht mehr im Namen steht, bleibt die Frage offen, was mit dem SWL-Verein passiert. Dies sei Sache des Vereins, so FW-Vorsitzender Schmitt.
Die Schweinfurter Liste wurde vor 18 Jahren unter anderem von früheren CSU-Stadträten um Ulrike Schneider gegründet. 2002 traten sie zum ersten Mal bei Kommunalwahlen an, holten auf Anhieb 15,38 Prozent der Stimmen, hatten damals sieben Mandate.
Bei den Wahlen 2008 gab es nur noch vier Mandate, weil zwischenzeitlich eine Gruppe ehemaliger Schweinfurter-Liste-Mitglieder die Wählervereinigung proschweinfurt gegründet hatte, die 6,43 Prozent bekam und in Fraktionsstärke mit drei Räten in den Stadtrat einzog. Seit 2014 sind Adi Schön und Christiane Michal-Zaiser für proschweinfurt im Stadtrat, in Fraktionsgemeinschaft mit den Grünen.
Freien Wähler gehen mit eigener Liste und OB-Kandidat in den Wahlkampf
Der neue Freie-Wähler-Vorsitzende für die Stadt, Harald Schmitt, betonte auf Nachfrage, die Freien Wähler wollten eine eigene Liste bei der Kommunalwahl aufstellen und diskutierten, ob sie einen OB-Kandidaten stellen. Der neue Vorstand der Freien Wähler, so Schmitt, führe im Hintergrund Gespräche. Einen Namen für die OB-Kandidatur wollte Schmitt nicht nennen, man sei auf der Suche. Eine Aufstellungsversammlung ist im Oktober geplant.
Der Fraktionssprecher der Schweinfurter Liste/Freie Wähler, Stefan Labus, der auch Vorsitzender des Vereins Schweinfurter Liste ist, hatte im Gespräch mit dieser Redaktion im Juli erklärt, man werde einen starken OB-Kandidaten präsentieren. Er setzt im Wahlkampf auch auf Rückenwind durch die Landespolitik und seine Kontakte zur Parteispitze, insbesondere zu FW-Parteichef, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.
Aus Freie-Wähler-Sicht steht Ulrike Schneider eine Kandidatur offen
Ebenso interessant ist die Frage, ob Ulrike Schneider aktiv von den Freien Wählern gebeten wird, auf deren Liste zu kandidieren. Die vergangenen Monate waren von internen Debatten geprägt, vor allem zwischen Labus und Schneider. Darin spielten auch unterschiedliche Positionen zu den Bürgerentscheiden zum Thema Baumschutzverordnung und Stadtwald statt Landesgartenschau eine Rolle.
Harald Schmitt wiederholt zum Thema Schneider die auch von Stefan Labus geäußerte Position: Schneider sei Mitglied der Freien Wähler und könne natürlich bei der Aufstellungsversammlung kandidieren. Die Mitglieder würden entscheiden, ob und wenn ja, auf welchem Listenplatz sie kandidieren solle.
Deutliche Kritik von Ulrike Schneider an Fraktionskollegen
Ulrike Schneider war bei der Gründungsversammlung der Schweinfurter Stadtvereinigung in Urlaub. Auf Nachfrage erklärte sie, sie hätte für einen Vorstandsposten bei den Freien Wählern "mit der Rumpfmannschaft der Schweinfurter Liste als Mitglieder nicht zur Verfügung gestanden."
Schneider übt in ihrem Statement auch Kritik an ihren Fraktionskollegen Stefan Labus und Dagmar Bebersdorf: "Die Aktivitäten beschränken sich im Wesentlichen auf die Kindertafel und auf öffentlichkeitswirksame Scheckübergaben. Das ist nicht meine Auffassung von politischer Arbeit. Ich favorisiere die Zusammenarbeit mit ernsthaft an Sachthemen interessierten Bürgern, wie ich sie unter anderem bei der Bürgerinitiative gegen die Landesgartenschau erleben durfte."
Sie verweist darauf, dass sie als Direktkandidatin für die Freien Wähler Unterfranken in den Landtagswahlkampf 2018 gezogen sei und mit dem drittbesten Ergebnis zur ersten Nachrückerin für Unterfranken für den Bayerischen Landtag gewählt wurde. Deswegen bleibe sie den Freien Wählern "auf anderer Ebene verbunden." Wie es für Schneider kommunalpolitisch weitergeht im nächsten Jahr, lässt sie bewusst offen. Sie wägt verschiedene Optionen ab, wie sie im Hintergrundgespräch erläutert, und wird im September dazu Stellung nehmen.
Proschweinfurt bezieht klar Stellung für einen eigenen Weg
Sehr klar positioniert sich die Wählergruppe proschweinfurt. Die Gerüchte, man könne mit den Freien Wählern zusammen gehen, verweist der Vorsitzende Jürgen Zaiser deutlich ins Reich der Fabeln. "Nicht ohne Grund sind wir auseinander gegangen", erinnert er. Es gebe einen nach wie vor gültigen Vorstandsbeschluss, dass man keinen Zusammenschluss mit den Freien Wählern wolle.
"Wir werden eine eigene Liste aufstellen", so Zaiser, das geschehe Ende Oktober, Anfang November. Einen OB-Kandidaten stellt proschweinfurt nicht, wird "aber auch keine Empfehlung für einen abgeben". Einen Kandidaten könne man nur unterstützen, wenn man sich mit dessen Programm identifizieren könne. Doch weder bei CSU-Amtsinhaber Sebastian Remelé noch dem Grünen-Kandidat Holger Laschka kenne man bisher ein Wahlprogramm für 2020, so Zaiser.