In rund neun Monaten sind in Bayern die Kommunalwahlen. In der Wälzlagerstadt geht's um den Posten des Oberbürgermeisters, den seit 27 Jahren die CSU stellt, aber auch um die Mehrheiten im 44-köpfigen Stadtrat. Vor sechs Jahren holte die CSU mit 48,01 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte in der Stadt, das ist die Messlatte für 2020.
Sebastian Remelé will 2020 seine dann dritte Amtszeit starten, einen Gegenkandidaten gibt es bereits mit Holger Laschka (Bündnis 90/Die Grünen). Doch wie viele werden es noch? Es könnten bis zu fünf sein, die im März um die Gunst der Wähler werben, eine Stichwahl scheint vorprogrammiert.
Die Wahlbeteiligung in der Stadt ist traditionell schwach, sank 2014 auf nur noch 42,65 Prozent. Dennoch spiegeln sich Bundes- und Landestrends auch in der Kommunalwahl wider. Sprich: Es wird erwartet, dass die Grünen aufgrund der derzeitigen Umfragen ein deutlich besseres Ergebnis als die 6,16 Prozent von 2014 bekommen. Würde die AfD in etwa die bayernweiten Umfragewerte erreichen, wäre das mehr als eine Verdreifachung der Zahlen von 2014. Sollte es so kommen, zu wessen Lasten gehen die Zugewinne dieser beiden und wie sehen die Mehrheitsverhältnisse aus?
Die CSU steht hinter OB Remelé und will klar stärkste Fraktion bleiben
Ob die Christsozialen noch einmal 21 der 44 Mandate im Stadtrat holen, ist offen. In jedem Fall setzen sie auf Geschlossenheit. Sebastian Remelé wurde mit hundert Prozent der Stimmen zum Oberbürgermeister-Kandidaten nominiert, hielt eine flammende Rede, in der er vor allem die Grünen und die AfD als politische Gegner ausmachte.
Das sonst durchaus wahrnehmbare Getuschel hinter den Kulissen über die Amtsführung Remelés, der seine Aufgabe in einem Interview mit dieser Zeitung als "Motivator, Koordinator und manchmal auch Kontrolleur" beschrieb, ist nicht zu hören. Fraktionschef Stefan Funk arbeitet mit dem OB am Wahlprogramm, das im Herbst präsentiert wird. Auch die Stadtrats-Liste ist weit gediehen: Nur drei Räte stehen nicht mehr darauf. Maximilian Grubauer aus gesundheitlichen Gründen, Jürgen Royek aus beruflichen, und Heike Gröner möchte sich nach drei Amtszeiten ebenso zurückziehen.
Offiziell präsentieren will Funk die Liste Ende Oktober, als Listenführer gesetzt ist Sebastian Remelé. Wieder kandidieren werden in jedem Fall Stefan Funk als auch Klaus Rehberger, Sorya Lippert, Bernd Weiß und Stefanie Stockinger-von Lackum. Insbesondere die erneute Kandidatur Rehbergers ist für die CSU wichtig. Er holte 2014 mit 11 127 Stimmen das beste Ergebnis aller Stadträte.
Funk betont: "Wir brauchen Antworten als CSU für die nächsten sechs Jahre und das möglichst konkret." Den Anspruch, stärkste Fraktion zu sein, hat die CSU schon aufgrund ihres Mia-san-mia-Grundgefühls, Funk ist sich aber bewusst, dass Zusammenarbeit im Stadtrat "mit allen, die die Stadt weiterentwickeln wollen" wichtiger denn je wird, sei es nun mit der zweitstärksten Fraktion SPD, den Grünen oder den Freien-Wähler-Gruppen.
Die Sozialdemokraten beraten über ihren OB-Kandidaten und wollen mehr Sitze
Eines kann man den zehn Sozialdemokraten im Stadtrat wahrlich nicht unterstellen: mangelndes Engagement. Die Fraktion, geführt von Ralf Hofmann, ist eine der aktivsten. Goutiert das auch der Wähler? Die Sozialdemokraten ziehen selbstbewusst in die Kommunalwahl und erhoffen sich mehr als die bisher zehn Sitze, auch wenn der Bundes- und Landestrend in den Umfragen dagegen spricht.
In Sachen Kommunikation mit den Bürgern ist der von Julia Stürmer-Hawlitschek geführte Stadtverband sicher der innovativste: Tür-zu-Tür-Gespräche, Diskussionsrunden, ein eigenes Online-Format unter dem Motto "zuhören, mitreden lassen, ernst nehmen".
Dass die SPD noch keine OB-Kandidatur bekannt gegeben hat, liegt am Vorpreschen der Grünen. Im Winter fanden nach Informationen dieser Zeitung tatsächlich fraktionsübergreifend Gespräche statt, einen gemeinsamen OB-Kandidaten der Opposition zu präsentieren. Diese scheiterten, als die Grünen eigene Wege gingen. Nun stellt sich die Frage, wer macht's als SPD-OB-Kandidat: Ralf Hofmann? Julia Stürmer-Hawlitschek? Marietta Eder? Auch Kerstin Westphal, die Ende Mai nicht mehr ins Europaparlament gewählt wurde, hatte sich alle Türen offen gehalten. Doch seit Freitagmittag ist bekannt, dass sie sich von der SPD Würzburg zur OB-Kandidatin hat nominieren lassen.
Die sozialdemokratische Stadtratsliste, erklären Ralf Hofmann und Julia Stürmer-Hawlitschek, wird verjüngt, strategisch aufgestellt und – natürlich – zu gleichen Teilen Männer und Frauen berücksichtigen. Ziel: "Im Stadtrat soll keine Entscheidung ohne uns getroffen werden", so Hofmann. Dazu setzt die SPD auf ein klar sozialdemokratisches Profil, in dem auch der Klimaschutz eine wichtige Rolle spielt.
Die Grünen wollen mit OB-Kandidat Laschka den derzeitigen Höhenflug nutzen
Noch bevor Sebastian Remelé offiziell wieder kandidierte, hatten die Grünen ihren Kandidaten präsentiert: Holger Laschka, gebürtiger Schweinfurter und Pressesprecher der Grünen-Landtagsfraktion in München, gab Anfang April seine Kandidatur bekannt.
In einer Klausurtagung am 22. Juni wollen die Schweinfurter Grünen basisdemokratisch ein Wahlprogramm entwickeln, in dem "Nachhaltigkeit ein Maßstab für alles Handeln ist", so Fraktionssprecher Reginhard von Hirschhausen, der wie seine Ratskollegin Ayfer Retschulte wieder antritt. Da Thomas Schmitt beruflich in Nürnberg arbeitet, ist offen, ob er noch einmal auf der Liste steht. OB-Kandidat Laschka schließt eine Listenkandidatur aus.
Die Grundstimmung in der Fraktion ist von selbstbewusster Gelassenheit geprägt. Das liegt an den guten Umfragewerten der Partei, aber auch an dem Bewusstsein, dass das von Hirschhausen propagierte "Wandeln auf dem Sachpfad" im Stadtrat grüne Erfolge zeitigt. Dementsprechend erhoffen sich die Grünen mehr als die 2014 erreichten drei Mandate, wollen drittstärkste Kraft in Schweinfurt werden.
Die Linken setzen auf ein bewährtes Team und Diskussion mit den Mitgliedern
2014 waren die Schweinfurter Linken mit 7,23 Prozent drittstärkste Kraft, lagen klar über den bayerischen Umfragewerten. Vor allem die berufliche Verwurzelung ihrer Stadtratsmitglieder Sinan Öztürk und Frank Firsching in der Gewerkschaft spielt eine Rolle. Beide kandidieren wieder, ob Carmen Starost weitermachen kann, ist noch offen. In jedem Fall will man die Fraktionsstärke mit drei Mandaten halten.
Öztürk und Firsching sehen nicht nur Sebastian Remelés Politik kritisch und artikulieren das im Stadtrat, sie setzen auch auf ein klares, linkes Profil, was man unter anderem im Kampf um mehr sozialen Wohnungsbau sieht. Ein gemeinsamer OB-Kandidat der Opposition war für die Linken vorstellbar, nun ist aber auch ein eigener Linken-Kandidat ebenfalls weiter eine Option.
Bei den Freien Wählern bahnen sich handfeste Überraschungen an
Überraschend sind die Entwicklungen bei der Schweinfurter Liste/Freie Wähler. Fraktionssprecher Stefan Labus kündigt an, dass man zukünftig nur noch eine Freie-Wähler-Liste haben wird, die 2001 gegründete Schweinfurter Liste (2009 mit den Freien Wählern fusioniert) kommt im Namen nicht mehr vor.
In den vergangenen Monaten gab es wohlwollend formuliert lebhafte Debatten hinter den Kulissen, unter anderem zwischen Stefan Labus und seiner Fraktionskollegin Ulrike Schneider. Dabei spielten auch die beiden Bürgerentscheide zum Thema Baumschutzverordnung und Stadtwald statt Landesgartenschau eine Rolle. Labus hält Schneider die Tür offen, macht aber klar, dass sie bei der Listen-Nominierung der Freien Wähler "um ihren Platz kämpfen muss."
Labus kündigt einen OB-Kandidaten der Freien Wähler an, der eine bekannte Persönlichkeit aus der Stadt sei. Welchen Weg Ulrike Schneider geht, ist offen: Sie wägt drei Optionen ab, wie sie im Hintergrundgespräch erläuterte. Sie möchte in jedem Fall erneut als Stadträtin kandidieren.
Labus setzt im Kommunalwahlkampf vor allem auf Rückenwind aus dem Landtag seit die Freien Wähler in Bayern mitregieren, seine Kontakte zur Parteispitze, insbesondere zu Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, sind exzellent.
Wählergruppe proschweinfurt setzt auf bewährte Kräfte und hofft auf Fraktionsstärke
Als "bürgerliche Mitte" bezeichnet Christiane Michal-Zaiser den Standort der Wählergruppe proschweinfurt, die mit ihr und Adi Schön im Stadtrat vertreten ist. Beide treten wieder an, haben auch die Hoffnung auf Fraktionsstärke nicht aufgegeben. Erst im Spätherbst gibt es die Liste und die konkreten Wahlkampfthemen, die im Vereinsvorstand in verschiedenen Gruppen erarbeitet werden.
Einen eigenen OB-Kandidaten wird proschweinfurt nicht präsentieren, "wir wollen auch keinen eigens unterstützen", so Michal-Zaiser. Das sei frühestens bei einer möglichen Stichwahl eine Option.
Die AfD möchte ihre bayernweiten Umfragewerte auch vor Ort erreichen
Erst Ende des Jahres ist mit einer Liste der Alternative für Deutschland zu rechnen, erklärt der derzeit einzige AfD-Stadtrat Richard Graupner. Er ist seit 1990 im Gremium, war vor seinem Wechsel zur AfD, für die er seit Oktober 2018 Landtagsabgeordneter ist, bei den Republikanern.
Graupner kandidiert erneut als Stadtrat, das Ziel der Partei sei natürlich, die bayernweiten Umfragewerte auch kommunalpolitisch zu erreichen. "Ich habe keine Zweifel, dass wir mindestens Fraktionsstärke mit drei Mandaten erreichen", so Graupner.
Ob es einen eigenen OB-Kandidaten geben wird, werde intern noch diskutiert. Wenn nicht, lässt Graupner offen, ob die AfD eine Wahlempfehlung ausspricht. Das hänge davon ab, wie stark sich die CSU im Wahlkampf abgrenze.
FDP-Stadtrat Georg Wiederer will's noch einmal wissen
Als Einzelkämpfer pro Innenstadt wirkt FDP-Stadtrat Georg Wiederer. Der 78-Jährige lässt es sich offen, ob er wieder antritt, klar ist aber: "Ich bin leidenschaftlich gerne Stadtrat", immerhin schon seit 1996.
Mehr als die 2014 erzielten 1,52 Prozent erhofft sich die FDP durchaus, die auch wieder eine eigene Liste stellt. Ob die Fraktionsgemeinschaft mit der Schweinfurter Liste/Freie Wähler bleibt, ist offen. Grundsätzlich sei die Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren aber fair gewesen, konstatiert Wiederer.