
Massiver Stellenabbau bei Großunternehmen in Unterfranken, vor allem die Industrie in Schweinfurt und Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) ist betroffen. Wenn Mitte September die neue Tarifrunde im Freistaat beginnt, will die IG Metall dennoch ein deutliches Plus bei den Löhnen und Gehältern verlangen. Bernhard Stiedl, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Bayern, ist trotz allem zuversichtlich.
Im Interview zur aktuellen Situation nimmt der 53-Jährige Betriebe und Politik gleichermaßen in die Pflicht.
Bernhard Stiedl: Es belastet. Denn dahinter stehen Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Da leide ich ein Stück weit mit. Darum macht der DGB Vorschläge, wie man diese Arbeitsplätze retten kann: runder Tisch, neue und innovative Produkte in den Unternehmen. Die Politik muss ihren Beitrag mit notwendigen Investitionen leisten.
Stiedl: Ich bin sehr zuversichtlich. Hier gab es schon vor zehn, 15 Jahren eine schwierige Situation. Der Turnaround wurde geschafft. Das gelingt uns diesmal wieder. Dazu müssen aber alle Beteiligten Verantwortung übernehmen. Wie gesagt, da ist die Politik stark gefordert, aber auch die Unternehmen sind es. Sie müssen neue, mutige Wege gehen. Unsere Gewerkschaften leisten auf jeden Fall ihren Beitrag.
Stiedl: Kostendruck gibt es immer. Die Arbeitgeber haben ein Stück weit Recht, was die Energieversorgung anbelangt. Die Energiekosten sind gewaltig gestiegen. Ja, wir haben auch hohe Löhne – das ist aber gut so. Wenn das alles so ist, muss ich als Unternehmer innovative Produkte bieten. Ich muss am Markt besser sein als die anderen. Das wäre meine Antwort, wenn ich Unternehmer wäre. Deutschland und die Region haben in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, dass wir am Markt besser und innovativer sind als die anderen.
Stiedl: Sie werden von mir aber keine andere Antwort hören. Denn so funktioniert Marktwirtschaft. Dass der Staat mehr Verantwortung übernimmt, finden wir sinnvoll. Gerade, wenn es um Strukturwandel geht, muss der Staat mehr machen. Da ist in den vergangenen Jahren zu wenig passiert. Es hätte deutlich mehr investiert werden müssen. Vor allem, wenn es um Energieversorgung geht. In Amerika oder Asien passiert da ein Stück weit mehr.
Stiedl: Eigentlich ist die Forderung der IG Metall verhalten, wenn ich mir die Preissteigerung allein bei den Lebensmitteln anschaue mit sieben, acht Prozent. Die Inflation ist zwar zurückgegangen. Doch die Kosten, die die Menschen tagtäglich zu tragen haben, sind weiterhin sehr hoch. Und zwar nicht nur bei Nahrungsmitteln, sondern auch bei der Miete. Da sind sieben Prozent mehr Lohn relativ verhalten. Die IG Metall nimmt Rücksicht auf Firmen, die es wirtschaftlich schwer haben. Aber die Metall- und Elektroindustrie ist groß. Da geht es ja nicht nur um die Autozulieferer, sondern auch um Elektro und Maschinenbau. Es ist da ja nicht so, dass keine Gewinne erwirtschaftet werden. Daran fordern wir unseren gerechten Anteil.
Stiedl: Diese Ansicht teile ich. Unsere Gewerkschaften haben zusammen mit Betriebsräten schon lange auf die Lage hingewiesen. Deshalb überrascht mich die Einschätzung von Oliver Moll überhaupt nicht. Darum haben wir die Bundes- und die Landesregierung aufgefordert, diese Transformation der Wirtschaft nicht zu unterschätzen. Die Investitionen, die dabei getätigt werden müssen, sind ein gewaltiger Kraftakt. Ich bin aber guter Dinge, dass wir den Wandel schaffen – wenn die Politik die Notwendigkeit erkennt.
Stiedl: Wir haben aber auch Investitionen, und zwar da, wo der Staat unterstützt. Die Leiterplattenfertigung in den neuen Bundesländern zum Beispiel. In Krisensituationen muss der Staat einspringen. Deshalb finde ich es gut, dass die bayerische Staatsregierung einen Transformationstopf vorgeschlagen hat, mit dem die Veränderungen staatlich gestützt werden sollen. Wenn die Entwicklung beim Personalabbau so weitergeht, mache ich mir Sorgen. Es wird ja investiert, aber leider nicht in Deutschland, sondern in Amerika oder in China. Der Staat muss seinen Beitrag leisten, dass solche Investitionen der Unternehmen wieder in Deutschland getätigt werden.
Stiedl: Wir haben keinen flächendeckenden Fachkräftemangel. Wir haben vielmehr sogenannte Engpassberufe. Dort findet man in der Tat nur schwer Fachkräfte. Das betrifft die Gastronomie, die Pflege und den Gesundheitsbereich. In der Industrie und im Produktionssektor ist es nicht so.
Und wenn dann auch noch der bayerische Ministerpräsident (#söderisst) mit großem Gefolge in Schweinfurt aufläuft um da eine Schlachtschüssel zu verspeisen, dann gehts aber ganz bestimmt auch wirtschaftlich wieder vorwärts.
Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Firmen mit Produkten, die der Markt nicht (mehr) will, mit Steuergeldern am Markt zu halten. Wer die falschen Entscheidungen trifft, ... wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Die kontinuierliche Erneuerung unserer Wirtschaft ist ein Grundbestandteil unseres Wirtschaftssystems. Das Alte geht, das Neue kommt. Nur so bleibt eine exportorientierte Wirtschaft und ihre Produkte konkurrenzfähig. Arbeitsplätze fallen weg, neue entstehen.
Das speziell neue deutsche Problem dabei ist die innovationsfeindliche Stimmung, die Ablehnung gegen alles Neue in der Bevölkerung. Das Alte geht, das Neue darf nicht kommen. Das System kippt.
Unternehmen, die nicht nur quartalsweise gewinnorientiert wirtschaften, die Welttrends beachten und mittel-bis langfristig planen und investieren, haben die obigen Probleme nicht. Der Unternehmer hat das letzte Wort, nicht die Politik.