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Schweinfurt
Ausweg aus der Krise: Wäre eine Kehrtwende beim Verbrenner-Aus die Rettung für die Schweinfurter Industrie?
Aus allen politischen Richtungen fordern Parteien eine Rücknahme des Verbrenner-Aus. Ob das Unternehmen wie ZF und Schaeffler in Schweinfurt wirklich helfen würde.
Ab 2035 sollen in Europa keine Verbrenner-Autos neu zugelassen werden. 
Foto: Christoph Schmidt, dpa (Symbolbild) | Ab 2035 sollen in Europa keine Verbrenner-Autos neu zugelassen werden. 
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 11:59 Uhr

Eigentlich ist es beschlossene Sache. Anfang 2023 entschieden die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten, dass ab 2035 keine neu gebauten Benzin- und Dieselautos mehr in Europa zugelassen werden. Derweil werden aus der Politik immer mehr Stimmen laut, die das beschlossene Verbrenner-Aus infrage stellen.

Neben dem Bayerischen Ministerpräsidenten forderten zuletzt auch sein Wirtschaftsminister, Hubert Aiwanger, bei seinem Besuch an der IHK Schweinfurt sowie Ex-Linkenchef und Gewerkschaftler Klaus Ernst die Rücknahme des Gesetzes.

Die Politiker begründeten die Forderung unter anderem mit dem Verweis auf die Schweinfurter Industrie und der Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region. Wahlkampfgetöse im Vorfeld der Europawahl am 9. Juni oder ein Ansatz für Probleme der Schweinfurter Industrie? Mit rund 22.000 Industriearbeitsplätzen ist Schweinfurt nach Nürnberg der zweitgrößte Industriestandort Nordbayerns. Ein Großteil dieser Arbeitsplätze befinden sich bei den beiden Automobilzuliefer-Unternehmen ZF und Schaeffler. 

40 Prozent der Arbeitsplätze bei ZF in Schweinfurt hängen am Verbrenner

Allein bei ZF arbeiten – Stand Mai 2024 – rund 9000 Beschäftigte in Schweinfurt. Rund 3500 davon in der Produktion. In den vergangenen Jahren hat der Konzern viel Geld in Transformation und Elektromobilität investiert. Laut Unternehmen werden viele der hergestellten Produkte in Schweinfurt in Fahrzeuge beider Technologien eingesetzt. Geschätzt hängen etwa 40 Prozent der Arbeitsplätze bei ZF in Schweinfurt noch direkt am Verbrenner, sagt Fabiola Wagner, Unternehmenssprecherin von ZF am Standort Schweinfurt. "Im Umkehrschluss bedeutet das aber nicht, dass die anderen 60 Prozent ausschließlich an der E-Mobilität hängen."

Bei ZF begrüßt man die Debatte über eine Kehrtwende beim Verbrenner-Aus.
Foto: René Ruprecht | Bei ZF begrüßt man die Debatte über eine Kehrtwende beim Verbrenner-Aus.

Wohl auch deshalb begrüßt der Automobilzulieferer die Debatte über das Verbrenner-Aus. "Wir haben immer betont, dass technologische Vielfalt ein Schlüssel für erfolgreiche Klimapolitik ist", sagt Wagner. Innerhalb des Konzerns stelle man sich aber aktuell immer öfter die Frage, ob das beschlossene Verbrenner-Aus für Neuzulassungen ab 2035  und der Plan einer rein elektrischen Zukunft der Mobilität ab diesem Zeitpunkt nicht doch zu restriktiv gegenüber anderer Technologiepfade gewesen sei.

ZF setzt auf Plug-in-Hybride 

"Die Zukunft im Pkw ist elektrisch. Aber ein reichweitenstarker Plug-in-Hybrid könnte die technologische Toolbox im Übergang erweitern", so Wagner. Der Konzern glaubt, mithilfe des Hybrids als Brückentechnologie die gesellschaftliche Akzeptanz für Elektromobilität weiter steigern zu können. "Das wäre zweifelsohne auch hilfreich für die soziale Akzeptanz und die industrielle Transformation", sagt Wagner. 

In Schweinfurt stellt ZF unter anderem solche Elektro-Motoren im Premiumbereich für Porsche, BMW und Mercedes her.
Foto: Josef Lamber | In Schweinfurt stellt ZF unter anderem solche Elektro-Motoren im Premiumbereich für Porsche, BMW und Mercedes her.

Bis 2026 will ZF weltweit 18 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. 30 Prozent davon in Deutschland. Voraussetzung für die Investitionen bleibt aus Sicht von ZF allerdings die Wettbewerbsfähigkeit der Werke hierzulande. Am Standort Schweinfurt habe der Konzern mehr als 360 Millionen Euro investiert und das, obwohl ursprünglich nur die Hälfte realisiert werden sollte. Das Geld floss und fließt dabei vor allem in neue Anlagen für E-Motoren.

Schaeffler fährt ähnliche Strategie

"Wir lassen uns von kurzfristigen Nachfrage-Schwankungen aufgrund politischer Maßnahmen nicht verunsichern – weder in Richtung E-Mobilität noch in Richtung Verbrenner", erklärt Marco Bosch, Pressesprecher von Schaeffler in Schweinfurt. Schaeffler produziert nicht nur für die Maschinenbau- und Automobilindustrie, sondern auch für die Luftfahrt. Neben der Entwicklung und Fertigung von voll elektrifizierten Antrieben und Brennstoffzellensysteme entwickelt der Konzern auch Komponenten für Verbrennungsmotoren. "Vom Pedelec bis zum 40-Tonner", verdeutlicht Bosch.

Mit rund 5800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist der Konzern mit Sitz in Herzogenaurach der zweite große Automobilzulieferer der Stadt.
Foto: René Ruprecht | Mit rund 5800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist der Konzern mit Sitz in Herzogenaurach der zweite große Automobilzulieferer der Stadt.

Die Unternehmensstrategie leitet sich unter anderem von der Prognose ab, dass 2030 weltweit 40 Prozent der Fahrzeuge vollständig elektrifiziert sein werden. Weitere 40 Prozent sollen demnach dann mit teilelektrischem Antrieb, 20 Prozent mit Verbrenner laufen.

Elektromobilität macht signifikanten Teil des Umsatzes aus

Der Konzern stehe zum Verbrenner-Aus, "obwohl wir grundsätzlich auf einen möglichst breiten Mix aus Antriebsalternativen setzen, um konsequent CO₂-Emissionen im Verkehr zu reduzieren", so Bosch. Dazu gehören nach Ansicht des Konzerns neben Batterie und Brennstoffzelle auch hybride Antriebe und die Technik für verbrauchsoptimierte Verbrenner.

Bei der E-Mobilität rechnet Schaeffler mit zweistelligen Wachstumsraten. Allein im vergangenen Jahr habe der Konzern dort einen Auftragseingang in Höhe von 5,1 Milliarden Euro verzeichnet. Und auch in diesem Jahr scheint das Geschäft noch zu laufen. Man verzeichne so viele Produktanläufe wie noch nie in der E-Mobilität, meint Bosch. "Bis Ende der Dekade wird der Umsatz mit Elektromobilität einen signifikanten Teil des Umsatzes der Schaeffler Gruppe ausmachen." Auf der anderen Seite wird jedoch noch ein Großteil des Umsatzes mit dem Verbrenner erzielt. Dort sehe man noch "Raum für Effizienzsteigerung – auch in hybriden Anwendungen."

Was die Unternehmen von der Politik fordern

"Wenn wir als Land Industriekraftwerk bleiben wollen, müssen wir den Standort Deutschland stärken", sagt ZF-Sprecherin Fabiola Wagner. Dazu brauche es bessere Rahmenbedingungen bei Bildung, Energiekosten und der Infrastruktur. Auch staatliche Unterstützung bei der Transformation zu CO₂-neutralen Standorten oder der Realisierung neuer Produkte sei notwendig. 

Ähnlich sieht man das auch beim Schaeffler Konzern. Vor allem bei der Elektromobilität müsse die Politik schnell Maßnahmen ergreifen, damit die Technologie von der Breite der Gesellschaft angenommen werde. Zum Beispiel mit einer flächendeckenden öffentlichen Ladeinfrastruktur, entsprechenden Stromnetzen sowie die Erzeugung regenerativen Energien.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert derweil die geforderte Kehrtwende in Sachen Verbrenner aus Teilen der Politik. In einer Pressemitteilung schreibt Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch:  "Deutschland hat bis zum Jahr 2030 im Verkehrssektor eine gewaltige Klimaschutzlücke von mindestens 180 Millionen Tonnen CO₂, die zu viel ausgestoßen werden. Ohne ein möglichst schnelles Verbrenner-Aus würde die Lücke immer größer."

 
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Kommentare
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  • Erich Spiegel
    China spielt mit gezinkten Karten indem es seine Autoindustrie massiv subventioniert. Das hat nichts mit fairem Wettbewerb zu tun. Leider verstehen die Verfechter der Marktwirtschaft (z.B. FDP) nicht was vor sich geht. Sie schauen zu wie die deutsche Autoindustrie droht abgewickelt zuwerden wie die deutsche Photovoltaik Industrie vor ein paar Jahren. Gegen unfaire Praktiken haben deutsche Hersteller keine Chance. Hinzu kommen Vorteile der Chinesen wegen niedriger Löhne und billiger Energie. Dringend notwendig wären Import Zölle auf chinesische E-Autos analog zu den USA. Ich fürchte die EU hat nicht die Kraft und den Willen sich mit Zöllen zu wehren. Die Manager in Chef-Etagen der deutschen Autohersteller sind vom Wohlwollen der Chinesen anhängig. China ist größter Kunde und größter Aktionär der deutschen Autoindustrie. Sich gegen China zu stellen bedeutet für die Manager den Rausschmiss. Deswegen sind sie vehement gegen Zölle.
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  • Erich Spiegel
    Klar, E-Mobilität wird sich durchsetzen. Aber Die Politik muss der Schweinfurter lndustrie mehr Zeit geben und das Auslaufen des Verbrenners hinauszögern. Nach der Abwanderung von Indutriearbeitsplätzen in photovoltaik, windkraft, Elektronik können wir uns weitere Verluste in der Autoindustrie nicht mehr leisten. Firmen wie Grundig, Nordmende, Telefunken, etc. waren mal deutsch, heute alle chinesisch. Hoffentlich nicht bald VW, BMW, etc. Das Weltklima wird in China, Indien, USA gemacht. Deutschland und Europa sind zu klein. Die chinesische Regierung verzerrt mit Subventionen den Wettbewerb. Hinzu kommen billige Arbeitskräfte und niedrige Energiekosten. Umweltschutz gibt es nur auf dem Papier. Gegen die unfairen Praktiken haben europäische Hersteller keine Chance. In China wird aktuell eine Flotte von E-Auto Container Schiffen gebaut für den Export nach Europa. Die erste Ladung ist schon in Bremerhaven angekommen.
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  • Jürgen Huller
    Das Verbot der Neuzulassungen von Verbrennern kommt erst in 2035.

    Was würde eine Abschaffung dieses Gesetzes JETZT der Industrie in Schweinfurt bringen? Richtig: Nichts!

    Hätte unsere "Schlüsselindustrie" den sich abzeichnenden Trend am Weltmarkt nicht ignoriert, oder schlimmer noch, versucht, mit Desinformation über die E Mobilität die Kundschaft zu verunsichern (was ihr hervorragend und nachhaltig gelungen ist, siehe aktuelles Kaufverhalten), hätte sie die Probleme nicht.

    Vermeintlich in Sicherheit gewogen von einer in der Sache ahnungslosen konservativen Politik, die eigene Vorlieben über die volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten stellt, fühlte man sich sicher. Dumm nur, dass eine Landes- oder Bundesregierung international nichts zu melden hat.

    Klare Managementfehlentscheidungen, die die Allgemeinheit wieder ausbaden soll und wird.

    So werden halt viele den Weg aller Nokias und Kodaks dieser Welt gehen. Entweder ganz weg oder eben sehr viel kleinere Brötchen backen.
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  • Walter Stöckl-Manger
    Danke!
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  • Peter Koch
    Quellenangaben fehlen. Bitte belegen Sie Ihre Aussagen mit entsprechenden Links und fügen Sie diese in einen neuen Kommentar ein.
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