Der Laie stellt sich den Betrieb auf einer derart großen Baustelle vermutlich anders vor. Laut, hektisch, unübersichtlich. Nichts davon trifft auf die Baustelle in der Hadergasse zu. Hie und da ein Hämmern, manchmal das kurze Kreischen einer Kreissäge, ansonsten das leise Summen der beiden großen Kräne, die ihre Arme gemächlich über das Gelände schwenken. Angesichts der Tatsache, dass hier gerade der Rohbau einer dreigeschossigen Tiefgarage entsteht, mit 12 000 Quadratmetern Stellfläche und 470 Stellplätzen, mutet die scheinbare Ruhe fast unnatürlich an.
40 Leute arbeiten hier. Oben, von der Kante aus, sieht man vielleicht zehn. Einer sägt ein Stück Holz zu, ein anderer klopft ein Schalbrett zurecht, einer trägt eine Leiter durchs Bild, ein anderer studiert noch einmal Anweisungen in einer Art überdachtem Stehpult. Das passiert mit ruhigen Bewegungen, gezielt, gelassen und still. Jeder weiß offensichtlich, was er zu tun hat. Hier wird an vielen Stellen gleichzeitig gearbeitet, das wird klar, wenn man sieht, wie die Kräne ihre Ketten unaufhörlich in immer neue Tiefen senken.
Es ist Vormittag. Und vormittags wird geschalt. Das heißt, die Betonbauer bauen die Boxen oder Wannen, in die dann der Beton gegossen wird. Für Säulen, Decken, Unterzüge. Gegossen wird nachmittags. Dann kommen die Betonmischer, und dann muss alles bereit sein. Was angeliefert wird, muss auch verbaut werden. Auf einer Baustelle mitten in der Stadt ist so gut wie kein Platz, um Baumaterial zu lagern, und frischer Beton kann ohnehin nicht aufgehoben werden.
„Wir machen so viel wie möglich just in time“, sagt Gerd Schilling, Oberbauleiter von der Firma Glöckle. Glöckle und Riedel Bau haben für das Projekt Neue Hadergasse (siehe Infokasten) eine gemeinsame GmbH & Co. OHG gegründet, weswegen sich Schilling und Joachim Finck von Riedel Bau die Leitung teilen. Bei der Tiefgarage ist die Stadt Bauherr, bei den drei Hochbauten, die dann auf dieser Tiefgarage errichtet werden, die OHG selbst. Für das ebenfalls vorgesehene Hotel ist noch kein Investor gefunden, aber das Projekt funktioniert auch ohne Hotel, sagt Sandra Dressler von Glöckle, Projektleiterin für das Gesamtprojekt. Sie hat vorher mit der Stadt ausgehandelt, wie genau die Tiefgarage aussehen soll, und auf dieser Grundlage dann die Planung der Hochbauten auf den Weg gebracht.
Sandra Dressler, Joachim Finck und Gerd Schilling haben sich zur Baustellenbegehung mit dem Reporter und der Fotografin eingefunden. Um zu erklären, wie eine Großbaustelle mitten in der Stadt funktioniert. „Bau lebt von der Kooperation“, sagt Schilling, und die anderen nicken. Zuerst scheint es, als sei damit alles gesagt. Als sei der Rest Routine. Aber im Gespräch kristallisieren sich dann doch noch ein paar Besonderheiten heraus.
Zum Beispiel der Standort der Kräne. Denn außer der riesigen Grube selbst, die an zwei Seiten von Straße, an einer von der Stadtmauer und an der vierten von der Justizvollzugsanstalt begrenzt wird, gibt es hier keine Stellflächen. Und so steht der Riedel-Kran an der Neutorstraße mit zwei Füßen auf dem Rand der Gube und mit den beiden anderen auf zwei hohen Betonpfeilern über dem Abgrund – sieht luftig aus, ist aber offensichtlich höchst stabil.
Und der andere, gestellt von Glöckle, steht direkt mit dem Rücken zur JVA. Rücken deshalb, weil er nur in einem Radius von 180 Grad über der Baustelle schwenken darf, das ist im Vorfeld mit den Justizbehörden ausgehandelt worden, erklärt Joachim Finck. Der Rest seiner Drehfähigkeit ist abgeriegelt. Nachts wird er besonders gesichert, der Strom komplett abgeschaltet, der Ausleger mit Seilen über der Baustelle fixiert. Glöckle musste sich außerdem verpflichten, ausschließlich vertrauenswürdige Kranführer aus dem Stammpersonal einzusetzen.
Mühelos entsteht vor dem inneren Auge das Szenario einer spektakulären nächtlichen Flucht per Kran aus dem Gefängnis – Finck muss bei der Beschreibung lachen, offenkundig hatten auch die Leute von der JVA genau diese Gedanken.
„Wir setzen auf dieser Baustelle ausschließlich Stammpersonal ein“, sagt Gerd Schilling. Am Heimatstandort beider Firmen soll alles optimal laufen. Hier arbeiten neben einigen Azubis übrigens nur Facharbeiter, Meister und Ingenieure. Den Hilfsarbeiter auf dem Bau gibt es schon lange nicht mehr. Der Verzicht auf jegliche Subunternehmer habe durchaus seinen Preis, schließlich seien zwischen März und Oktober 30 000 Lohnstunden eingeplant – nur für den Rohbau der Tiefgarage, so Schilling.
Das Zufahrtstor in der Stadtmauer ist schon gut erkennbar, ein rechteckiges Betonmaul, das später komplett in der Erde verschwinden wird. Das ist derzeit noch schwer vorstellbar – wer von der Hadergasse aus gen Stadtmauer blickt, sieht vor allem die sehr hohe Stadtmauer. Deren Teil, der zuvor in der Erde versteckt war, ist gelb verfärbt. Und diese Verfärbung ist sehr, sehr weit oben. Ebenso wie die drei Torbögen, durch die man einst vom Parkhaus in den Châteaudunpark gelangte und die jetzt Schaulustigen als Fenster dienen, von denen man das gesamte Gelände überblickt. Neun Meter beträgt das Gefälle zwischen dem Gehsteig am oberen Ende und der Talsohle an der Ecke Hadergasse/Wolfsgasse.
Was die Mengen Aushub erklärt, die hier in den ersten Wochen abtransportiert wurden: 55 000 Kubikmeter, davon 25 000 Kubikmeter sogenannter Tonsteinfels. Tonsteinfels ist zwar nicht ganz so hart wie richtiger Fels, aber hart genug, um die Arbeit deutlich schwerer zu machen. Und um zum Beispiel den Main zu dem Knick zu bewegen, den er westlich der Stadt gen Süden macht. „Das wusste ich vorher auch nicht: Ganz Schweinfurt sitzt auf einer Schwelle aus Tonsteinfels“, sagt Gerd Schilling.
Während der Aushubarbeiten waren täglich zwölf Sattelschlepper im Einsatz, von denen jeder zehn Fuhren a 13 Kubikmeter (oder 25 Tonnen) wegfuhr. Im Gegenzug werden bis zur Fertigstellung des Tiefgaragen-Rohbaus 1600 Mischer die Baustelle anfahren, die die rund 15 000 Kubikmeter Beton bringen, die hier verbaut werden. 100 weitere Laster bringen 1600 Tonnen Stahl. Täglich wird genau besprochen, wer was wann bringt oder abtransportiert. Ein Stau an oder gar auf der Baustelle wäre undenkbar, schon während der Aushubzeit haben Baustraßen in einem ausgeklügelten Rundlaufsystem gewährleistet, dass kein Laster rangieren musste. Dreck und Staub haben die Anwohner am Anfang schon verärgert, sagt Joachim Finck. „Wir haben dann immer wieder die Straßen gekehrt.“ Inzwischen seien die Nachbarn den Bauleuten aber durchaus freundlich gesinnt, hat Sandra Dressler beobachtet.
Die Tiefgarage sieht im Moment noch ein wenig aus wie der Palast von Knossos auf Kreta – verschiedene Etagen in verschiedenen Stadien der Fertigstellung bilden eine Art Terrassenlandschaft aus Beton. Das Gelb der Schalbretter, das Braun des Stahls und das Hellgrau des Betons bestimmen das Bild. Da, wo später weitere Teile angegossen werden, stehen die Stahlbänder aus dem Beton wie borstige Haare. Überall unterfangen Stützen frisch gegossenen Teile, unter einer Decke stehen sie dicht wie in einem dunklen Fichtenwald.
Wie eine Art steiniger Schwimmgürtel umgeben die zuerst gesetzten Bohrpfähle aus Beton die Grube, die die Böschung zurückhalten. Sie reichen bis zu 15 Meter in den Boden und sind in die Böschung hinein mit Stahlbändern, sogenannten Litzen, verankert. Mit zehn Zentimetern Abstand kommt als nächstes die Außenwand der Tiefgarage. Die Litzen werden eines Tages korrodieren und damit ihre Kraft verlieren. Dann wird die Böschung die Bohrpfähle allmählich gegen die Außenwand der Garage schieben. „Das ist kein Problem, die Garage ist dank der Decken stabil genug, um das auszuhalten. Der Druck des Wassers ist ja auch immer da“, sagt Joachim Finck.
Garage und Hochbauten werden übrigens auch schwer genug sein, um dem Auftrieb des Grundwassers zu widerstehen. Die Tiefgarage steht ein paar Meter tief im Grundwasser. Dieses, das kann man ausrechnen, hat eine Auftriebskraft von 17 000 Tonnen, das heißt, es würde alles, was leichter ist, einfach hochheben. Während der Bauzeit laufen ununterbrochen Pumpen, sonst würde die Baustelle geflutet. Das ist schon einmal passiert, an Ostern ausgerechnet. Da waren die Pumpen ausgefallen. Glücklicherweise fiel Nachbarn auf, dass die Baustelle unter Wasser stand. Sie riefen die Polizei, und die rief Gerd Schilling, dem es zusammen mit Kollegen gelang, die Pumpen wieder in Gang zu setzen. Jetzt befördern sie zuverlässig drei Liter in der Sekunde und 250 Kubikmeter in 24 Stunden ins Abwassernetz.
Die fertige Tiefgarage wird eine sogenannte Weiße Wanne sein, das heißt, ihr Betonmantel ist so dicht, dass kein Wasser eindringen kann. Der Mantel kann aber unmöglich in einem Stück gegossen werden. Deshalb geht man in acht Meter großen Abschnitten vor. Die Fugen zwischen diesen Abschnitten verschmelzen zwar beim Gießen des neuen Teils vollkommen und sind statisch voll belastbar, erklärt Joachim Finck. Damit sie aber auch zuverlässig wasserdicht sind, werden blaue Plastikbänder zwischen den Abschnitten mit eingegossen.
Die An- und Abfahrten der Lkw sind eng verzahnt mit dem ausgeklügelten Rhythmus, dem die gesamte Baustelle gehorcht. In dem übrigens die Kranführer eine wesentliche Rolle spielen: Sie denken permanent mit und schwenken oft schon in die richtige Richtung, bevor per Funk die ausdrückliche Anweisung kommt. Morgens wird geschalt, nachmittags gegossen, nachts wird der Beton hart. Würde sich das Gießen verzögern, könnte erst später ausgeschalt werden, das Schalmaterial würde an anderer Stelle fehlen. Nach rund 20 Stunden können nichttragende Teile ausgeschalt werden, tragende Teile sind nach rund fünf Tagen belastbar. Seine „Regelfestigkeit“ erreicht der Beton nach 28 Tagen. Ein bis eineinhalb Jahre dauert es, bis alle Flüssigkeit restlos gewichen ist. In dieser Zeit schwindet der Beton noch.
Die Tiefgarage ist dennoch ein komplett dehnfugenfreies Gebäude, sagt Gerd Schilling. Nur zur Zufahrt, die ja außerhalb des Baukörpers liegt, gibt es eine Fuge. Ansonsten wird die Garage in der „gerissenen Bauweise“ errichtet. Das bedeutet, dass die Risse, die durch das Schwinden des Betons entstehen, einkalkuliert, ja gewollt sind. Dank der Technik, die Außenwand in acht Meter großen Teilabschnitten zu gießen, weiß man ziemlich genau, wo Risse auftreten werden. Die werden dann mit Epoxidharz abgedichtet, erklärt Joachim Finck. „Das versteht der Laie oft nicht und sagt, was habt ihr denn da für einen Murks gebaut, aber bei dieser Technik sind Risse ganz normal“, sagt Gerd Schilling.
Eine weitere Besonderheit der Tiefgarage Hadergasse ist ihre Form: Sie folgt dem historischen Bogen der Hadergasse entlang der Stadtmauer, hat also kaum gerade Außenwände. Außerdem, und das ist neu im Tiefgaragenbau, sind ihre Böden an jeder Stelle abschüssig, damit das Wasser, das die Autos bei Regen oder Schnee hereinbringen, sofort abfließen kann. Und das können große Mengen sein: Ein Auto, dessen Radkästen mit Schnee gefüllt sind, würde bis zu 30 Liter Wasser in die Garage bringen.
Runde Wände und ein Gefälle von 2,5 Prozent machen jegliche Vermessung besonders schwierig. Weswegen ausschließlich mit elektronischen Geräten gearbeitet wird. Wobei jetzt endlich der wichtigste Mann auf der Baustelle ins Spiel kommt: der Polier. Er ist für den reibungslosen Ablauf verantwortlich. Er teilt die Leute ein, er bestellt Lkw und Baumaterial, er bestimmt, wann was wo gemacht wird, er studiert die Pläne und markiert dann auf der Baustelle, wo was hinkommt. Er muss die Technik ebenso verstehen wie die Menschen, und er muss stressresistent, durchsetzungsfähig und einfallsreich sein.
Auf der Baustelle Hadergasse ist Christian Zänglein von Riedel Bau der Polier. Er bewegt sich auf der Baustelle mit der Gelassenheit desjenigen, der weiß, dass die Sache läuft, und zwar deshalb, weil er sie selbst organisiert hat. „Ich bin das gewohnt, ich mache nur so Zeug“, sagt er auf die Frage, ob die Hadergasse auch für ihn eine besondere Herausforderung ist. Aber ein wenig tüfteln musste auch er, angesichts des schwierigen Geländes. „Am Anfang bin ich schon ein, zwei Wochen gesessen und habe geschaut, wie muss ich meinen Laser einstellen. Aber wenn man dann zwei Abschnitte gebaut hat, und es hat geklappt, dann wird auch das zur Routine.“
Projekt Neue Hadergasse
Auf dem Areal Hadergasse/Neutorstraße errichtet die Neue Hadergasse GmbH & Co. OHG bestehend aus den beiden Schweinfurter Bauunternehmen Glöckle und Riedel ein Ensemble für Wohnen und Arbeiten. Auf einer dreigeschossigen Tiefgarage mit 470 Stellplätzen entstehen drei Hochbauten mit Einzelhandels- und Gewerbeflächen (Praxen und Büros) und Eigentumswohnungen. Bei der Tiefgarage ist die Stadt Bauherr, bei den drei Hochbauten die OHG selbst. Für das außerdem vorgesehene Hotel ist noch kein Investor gefunden.
Der Rohbau der Tiefgarage soll bis Oktober fertiggestellt sein, der Innenausbau, mit Technik, Lüftung und Beschichtung der Böden gegen Tausalz, bis Ende März. Die Eröffnung ist für April geplant. Der Rohbau des ersten Hochbaus an der Ecke Stadtmauer/Neutorstraße soll Ende des Jahres fertiggestellt sein. Die Entwurfs- und Ausführungsplanung für die Tiefgarage, der städtebauliche Entwurf und der Gebäudeentwurf für den östlichen Hochbau neben der JVA liegt beim Büro Ropertz & Partner, der Entwurf für die beiden anderen Hochbauten bei Schlicht Lamprecht Architekten, beide Schweinfurt.
In den Erdgeschossen der Hochbauten sollen Geschäfte Platz finden, darunter ein Lebensmittelmarkt. Knapp 50 Wohnungen werden auf dem Areal entstehen, manche mit Gartenanteilen, andere dank abgestufter Bauweise mit Terrassen. Anknüpfend an das historische Straßenbild wird das Areal von einer Fußgängerzone umgeben sein, die auch den Bogen zwischen Neubauten und Stadtmauer einschließt. Laut Pressemitteilung investiert die GmbH & Co. OHG hier 15 Millionen Euro (ohne Hotel).
Gratulation Tagblatt. Peinlicher kann Journalismus nicht mehr sein.
Der ganze Handergassenunsinn ist so überflüssig wie ein Kropf. Schweinfurt braucht diesen Größenwahn nicht. Ich dachte, das wäre nach dem Agbang von Frau Grieser vorbei. Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Herr Remele baut nicht hoch, wie Frau Grieser sondern tief und beglückt damit ein paar dankbare Schweinfurter Unternehmen.
Fakt ist, dass hier mehrere Millionen Euro Steuergelder einbetoniert werden.
Schade, Schweinfurt hätte bessere Projekte verdient und gebraucht.