In den Gesichtern der städtischen Verkehrsplaner wich die Zuversicht der Hoffnung, ehe das letzte bisschen Hoffnung in Enttäuschung umschlug. Zur gleichen Zeit "rutschte mir das Herz in die Hose", kommentierte nach der "Urteilsverkündung" Oberbürgermeister Sebastian Remelé. Am Ende war aber dann fast alles gut. Schweinfurt ist zwar noch nicht fahrradfreundlich, aber auf einem richtigen Weg, weshalb man die Verleihung des Prädikats "Fahradfreundliche Kommune" alsbald mit einem Fest feiern wird.
Ende gut, alles gut
Susanne Lender-Cassens, Sprecherin der Jury der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Bayern e. V., hatte das Ergebnis der "Hauptbereisung" am Mittwoch wie eine Absage aufgebaut, bei der das Bemühen des Kandidaten gelobt wird, ehe man diesem die Defizite aufzählt. Als Pluspunkte vermerkte Erlangens Bürgermeisterin eine hervorragende Präsentation der Bemühungen um den Radverkehr, die Berücksichtigung aller Verkehrsstrukturen und Verkehrsteilnehmer bei den Planungen, positive einzelne Schritte für den Radler, das Entstehen eines Radverkehrskonzepts und die personelle Ausstattung der Verkehrsplanung im Rathaus.
Unter der Rubrik "Handlungsbedarf" folgte ein ganzes Bündel an Forderungen. Vermisst werden Zielkonzepte und die Umsetzung bestehender. Die Mängel an der Beschilderung und bei den Markierungen seien nicht zu übersehen. Das Radwegenetz sei nur auf dem Papier durchgängig. Die Ampelschaltungen würden den Radler oft ausbremsen. Prioritäten seien nicht gesetzt, was selbst beim Winterdienst gelte. Mangelhaft sei die Führung der Radler in den Baustellen, bei deren Einrichtung anscheinend nur der Autofahrer berücksichtigt werde. Empfohlen ist eine regelmäßig tagende Arbeitsgruppe, die Probleme aus der Welt schafft. Bei den Erwartungen in den Radverkehr ist dem Rathaus mehr Optimismus angeraten.
Trotzdem: Die Jury empfiehlt dem Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr die Vergabe des Prädikats "Fahrradfreundliche Kommune". Allerdings wird es bereits in sieben und nicht erst in zehn Jahren eine Nachprüfung geben. OB Remelé sprach anschließend von den sinnvollen Lehren aus einer Schau von außen und davon, dass "uns klar ist, dass wir erst auf dem Weg sind". Erste Beratungen über das im Grundsatz erarbeitete Radverkehrskonzept kündigte das Stadtoberhaupt noch für diesen Herbst an. Eine Prioritätenliste für die dann anvisierten Ziele soll noch im ersten Quartal des Jahres 2020 folgen.
Rück-und Ausblick
Am Vormittag hatte Remelé die Gäste begrüßt und die Steigungen im Norden der Stadt und den hohen Anteil an Senioren als besondere Herausforderungen genannt, die sich mit dem Siegeszug des E-Bikes verändern würden. Susanne Lender-Cassens sprach bei der Fahrradfreundlichkeit von einem fortwährenden Prozess und forderte durchgängige Radverbindungen. Schweinfurts Baureferent Ralf Brettin erinnerte an die hohe Anzahl der Einpendler und präsentierte den Ausbau der Hauptbahnhofstraße als Paradebeispiel für das fahrradfreundliche Schweinfurt, das hier nicht nur die 500 000 Euro für die neuen Fahrbahnen, sondern insgesamt 1,4 Millionen Euro vor allem für die Radler ausgeben würde.
Radverkehrsplaner Fritz Hebert fasste zusammen, was für die Radler in den letzten Jahren passiert sei, was sich ereigne und was sich alsbald tun werde. Kontinuität belegte er beim Ausbau des Radwegenetzes. Geschaffen seien zusätzliche Fahrradparkplätze und eine stärkere Trennung zwischen Radlern und Fußgänger. Auch werde – wo immer möglich – die Straße trotz vorhandener Radwege für die Fahrradfahrer freigegeben und das Radeln gegen die Richtung in Einbahnstraßen erlaubt.
Mit dem Landkreis gut vernetzt
Als erfreulich stufte Hebert die Abstimmungen mit den Nachbargemeinden und dem Landratsamt sowie die Entwicklung bei den Unfällen ein, die sich trotz wachsendem Radverkehrs kaum erhöhen würden. Für das Radwegenetz nannte der Verkehrsplaner 46 Kilometer Mischverkehr, 24 Kilometer straßenbegleitende Radwege, 24 Kilometer Fuß- und Radwege, 23 Kilometer selbstständige Radwege, neun Kilometer Gehwege (Rad frei), acht Kilometer Radfahr- und Schutzstreifen sowie drei Kilometer nicht benutzungspflichtige Radwege.
Die acht Kilometer lange Radtour am Nachmittag präsentierte der Jury Vorzeigeprojekte, aber auch Schwachpunkte auf der Tour durch die Innenstadt bis zum Obertor, zu den Schulen an der Ignaz-Schön-Straße, weiter zum Hauptbahnhof und zurück zum Rathaus über die Schultesstraße.
Hoffe die "Herrschaften" standen nicht unter Drogeneinfluss bei den acht Kilometer radeln durchs Stadtgebiet.
Wo die eigentlichen Verkehrspolitischen Prioritäten der Stadt immer noch hängen, sieht man am Leopoldina-Krankenhaus. Zwei Parkhäuser geplant. Eines davon kostet alleine dem Steuerzahler acht Millionen Euro.
Davon könnte man in Schweinfurt viele "Luxusradwege" bauen.
Verkehrswende und Nachhaltigkeit, sehen anders aus!