Das Thema Grundstückspreise im Schweinfurter Maintal ist eines, das weder bei den betroffenen Firmenbesitzern, noch bei der Stadtverwaltung derzeit für große Freude sorgt. Eher im Gegenteil, denn Lösungen, wie man dazu kommen könnte, dass Firmen nicht Jahre später nachzahlen müssen, wenn sie fälschlicherweise einen Nachlass bekommen haben sollten, sind rechtlich sehr kompliziert.
Doch wie konnte es zu dem Problem überhaupt kommen? Bei der Suche nach den Ursachen und der Verantwortung spielen zwei Personen einen wichtige Rolle: Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und der frühere Liegenschaftsamtsleiter Hans Schnabel, der seit mittlerweile knapp vier Jahren im Ruhestand ist.
Das Problem ist klar zu benennen: Ein kleiner Teil der Grundstücke im Maintal wurde offenbar mit Preisabschlägen verkauft, die aus heutiger Sicht einen Verstoß gegen den Artikel 75 der bayerischen Gemeindeordnung darstellen könnten. In diesem Artikel wird geregelt, dass Kommunen ihr Eigentum nicht unter Wert verkaufen dürfen. Liegt ein Unterwertverkauf vor und ist es ein Verstoß gegen Artikel 75, ist das Grundstücksgeschäft nichtig und der Verkauf darf im Grundbuch nicht vollzogen werden. "Es ist eine rechtlich zwingende Folge, die die Verwaltung nicht beeinflussen kann", erläutert Liegenschaftsreferentin Anna Barbara Keck auf Nachfrage.
Um das Thema zu verstehen, muss man einen Blick zurück in die jüngere Geschichte der Stadt bis in die Ägide der früheren Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser (CSU) werfen. Das 107 Hektar große Industrie- und Gewerbegebiet Maintal wird seit 1997 im Rahmen einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme vorangetrieben. Zu Zeiten von Grieser hat der so genannte Gutachterausschuss, ausgehend von einem Gutachten 1998, auf Anforderung der Verwaltung in den Jahren 2002, 2004 und 2007 die Neuordnungswerte überprüft und fortgeschrieben. Doch diese Praxis endete mit Beginn der Amtszeit von Sebastian Remelé. Erst 2019 wurden wieder neue Preise für die Grundstücke im Maintal ermittelt.
Warum war das so? Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) betont im Gespräch mit dieser Redaktion, die Verantwortung liege natürlich grundsätzlich qua Amt bei ihm und er stelle sich dieser auch.
Zunächst hat der OB im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass die Praxis, Nachlässe – egal in welcher Höhe – zu gewähren, abgestellt wurde. Aktuelle Wertgutachten liegen nun bei jedem Grundstücksverkauf durch das Liegenschaftsamt zu Grunde. Darüber hinaus ist dieses Amt mit Sabine Schröder im Herbst 2019 durch eine Volljuristin besetzt worden und der OB übertrug der Finanzreferentin Anna Barbara Keck das Liegenschaftsreferat, auch sie Volljuristin.
Keck und ihre Mitarbeitenden arbeiten unter Hochdruck gemeinsam mit der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei aus München an individuellen Lösungen, die kompliziert sind, da bayerisches Kommunalrecht, Zivilrecht und EU-Recht Berücksichtigung finden müssen. Betont wird auf Nachfrage dieser Redaktion, dass die Aufarbeitung der Fälle "in Kenntnis und enger Abstimmung" mit dem OB erfolge. "Jeder Anschein nur des Versuches einer politischen Einflussnahme zum Beispiel durch Herrn OB Remelé ist schon aus Rechtsgründen zu vermeiden", schreibt die Stadt. Für Sebastian Remlé ist klar: "Für diese schwierigen Sachverhalte gibt es keine politische Lösung."
Der OB verweist gegenüber dieser Redaktion darauf, dass er als Leiter der Verwaltung darauf angewiesen sei, sich auf die Einschätzung der Referenten sowie Amtsleiterinnen und Amtsleiter zu bestimmten Sachverhalten zu verlassen. "Alle Beteiligten haben immer in bester Absicht für die Stadt Schweinfurt gehandelt", auf diese Feststellung legt Sebastian Remelé großen Wert.
Bevor er 2010 zum ersten Mal zum Oberbürgermeister gewählt wurde, war Remelé als CSU-Stadtrat auch im nichtöffentlich tagenden Liegenschaftsausschuss vertreten. Dort ist aus seiner Erinnerung nie darüber gesprochen worden, dass bei Preisnachlässen ein Problem in Bezug auf den Artikel 75 der Gemeindeordnung bestehen könnte. Offen bleibt die Frage, warum der Gutachterausschuss nach 2007 über mehr als zehn Jahre nicht beauftragt wurde, neue Preise zu ermitteln. Erst 2019 wurden neue Preise für das Gebiet ermittelt.
Rechnungsprüfungsamt untersuchte Maintal-Verkäufe der Jahre 2017 und 2018
Auf das Thema aufmerksam wurde die Stadt unter anderem dadurch, dass eine leitende Mitarbeiterin in einem Seminar sensibilisiert wurde und das Rechnungsprüfungsamt bei einer routinemäßigen Prüfung des Liegenschaftsamtes im Jahr 2019 insgesamt 37 Verkäufe aus den Jahren 2017 und 2018 prüfte und dabei feststellte, dass 19 Mal Abschläge gewährt wurden. Kernfragen waren, ob die Grundstückspreise, die zuletzt 2007 neu ermittelt worden waren, auch 2017 dem korrekten Verkehrswert entsprachen und ob die Abschläge hätten gewährt werden dürfen.
Dass der Imageschaden für den Wirtschaftsstandort Schweinfurt und vor allem die Verwaltung enorm ist, ist auch dem OB bewusst. Einer der Firmenbesitzer brachte es im vertraulichen Gespräch auf den Punkt: "Wie soll man denn weiterhin mit dieser Verwaltung Geschäfte machen?".
Teilnehmer der Liegenschaftsausschuss-Sitzung Anfang Februar berichten, dass von Stadträten nicht nur das grundsätzliche Problem, sondern auch das bisherige Vorgehen der Stadt gegenüber den Firmen als verheerend für das Image der Stadt bezeichnet wurde. Dagegen soll sich Liegenschaftsreferentin Keck verwahrt haben, die darauf verwiesen haben soll, dass man Fehler aus der Vergangenheit aufarbeite.
In einer offiziellen Stellungnahme betont Anna Barbara Keck, die Stadt bemühe sich mit derzeit sieben Firmen "eine rechtlich mögliche und für die Erwerber wirtschaftlich tragbare einvernehmliche Lösung zu erarbeiten". Ein Weg dazu könnten Grunddienstbarkeiten sein, über die die Bebaubarkeit eines Grundstücks reduziert würde, was wiederum den Wert mindert.
Welche Verantwortung hatte der damalige Liegenschaftsamtsleiter?
Die Stadt hat, wie berichtet, gegenüber dem früheren Liegenschaftsamtsleiter Hans Schnabel vorsorglich Schadensersatzansprüche geltend gemacht und sich dabei auf Paragraph 37 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst berufen. Der früherer Wirtschaftsförderer betonte bereits im vergangenen Jahr auf Nachfrage: "Ich habe ein reines Gewissen". Er sei aber grundsätzlich "enttäuscht" vom Vorgehen der Stadt.
Nach Informationen dieser Redaktion ist derzeit gleichwohl vollkommen offen, ob die Stadt die erhobenen Ansprüche überhaupt durchsetzen kann und will, insbesondere wenn grundsätzlich Lösungen möglich sind, die keine Nachzahlungen von Firmen zur Folge hätten.
Ein weiteres Thema sind mögliche strafrechtliche Aspekte aus dem Handeln der Verwaltung in den vergangenen Jahren. Der Komplex ist seit einiger Zeit auch bei der Staatsanwaltschaft Würzburg aktenkundig. Die Stadtverwaltung bestätigte die Ermittlungen ebenso wie die Staatsanwaltschaft. Laut Anna Barbara Keck "kooperieren wir vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden". Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach erklärt auf Nachfrage dieser Redaktion derzeit lediglich: "Die Ermittlungen dauern an. Weitergehende Auskünfte sind im gegenwärtigen Stadium der Ermittlungen leider nicht möglich."