Zwischen einigen Firmenbesitzern im Industrie- und Gewerbegebiet Maintal und der Stadtverwaltung gibt es juristischen Ärger: Die Verwaltung fordert höhere Preise für bereits getätigte Grundstücksverkäufe in den vergangenen Jahren. Auch der frühere Wirtschaftsförderer der Stadt, Hans Schnabel, ist in den Fokus geraten. Die Stadtverwaltung hat in einem Fall bereits eine Rückforderung an ihn gestellt, obwohl er 2018 in Rente gegangen ist. Das bestätigte Schnabel auf Nachfrage dieser Redaktion.
Aus Sicht der Stadt sind die Grundstückswerte zum Verkaufszeitpunkt nicht korrekt ermittelt gewesen, weswegen ein Verstoß gegen den Artikel 75 der Gemeindeordnung vorliegen könnte, der den Verkauf von Gemeindevermögen unter Wert verbietet. Mehrere Firmen wurden bereits durch die von der Stadt beauftragte Rechtsanwaltskanzlei kontaktiert und mit Nachforderungen von bis zu 500 000 Euro konfrontiert.
Das Thema ist juristisch verzwickt: Hat beim Verkauf ein Verstoß gegen den Artikel 75 der Gemeindeordnung vorgelegen, weil ein gewährter Nachlass doch nicht rechtens war, führt das zur Nichtigkeit des Geschäfts. Sprich: Das Grundstück muss an die Stadt zurück gegeben werden. Der Käufer bekommt den Kaufpreis erstattet, müsste aber im schlimmsten Fall sogar die gebauten Gebäude abreißen. Die einzige Lösung derzeit ist, nach Einschätzung der Stadt, dass die Firmen die Nachforderungen der Stadt bezahlen.
Kein Wunder, dass diese Thematik derzeit zwischen den Betroffenen, die bei den notariell beurkundeten Käufen nichts falsch gemacht hatten, und der Stadt für hitzige Debatten und Vorwürfe gegenüber Finanzreferentin Anna Barbara Keck und Oberbürgermeister Sebastian Remelé sorgt.
Zu erwarten sind jahrelange Rechtsstreitigkeiten, denn die Frage, ob letztlich wirklich ein Verstoß gegen die Gemeindeordnung vorlag und die von Seiten der städtischen Rechtsanwälte aufgezeigten Rechtsfolgen so einzuschätzen sind, kann nur ein Gericht klären.
Was wirft die Stadt ihrem ehemaligen Wirtschaftsförderer vor?
Das erste Mal aufmerksam auf ein mögliches Problem bei Grundstücksverkäufen im Maintal wurde die Verwaltung, als ein Firmenbesitzer eine von ihm schon 2017 erworbene Optionsfläche nutzen wollte, um seine gut laufende Firma zu erweitern und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Doch anstatt einer Genehmigung für den Neubau, bekam der Geschäftsführer eine Rechnung: Insgesamt 132 000 Euro soll er nachzahlen, da sowohl der Kaufpreis der Optionsfläche als auch des bereits bebauten Grundstücks zu niedrig gewesen sein soll.
Eben jene Summe fordert die Verwaltung im Rahmen einer vermuteten Schadenshaftung nun von Hans Schnabel, wie dieser gegenüber dieser Redaktion erklärt. Der früherer Wirtschaftsförderer betont im Gespräch: "Ich habe ein reines Gewissen". Er macht aber auch klar, dass aus seiner Sicht die Stadt ihm die Loyalität entzogen hat: "Ich bin enttäuscht über dieses Vorgehen".
Bei der Verabschiedung des ehemaligen Wirtschaftsförderers, der 32 Jahre für die Stadtverwaltung unter drei Oberbürgermeistern gearbeitet hatte, lobte ihn Oberbürgermeister Sebastian Remelé 2018 noch. Schnabel habe "für seine Heimatstadt gebrannt", sich mit Leib und Seele, Herz und Verstand seit 1995, als er das Amt für Wirtschaftsförderung und Liegenschaften von der damaligen Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser (CSU) übertragen bekommen habe, eingesetzt. Nun hat sich die Situation grundsätzlich geändert.
Waren die Verkaufspreise im Jahr 2017 korrekt ermittelt?
Schnabel war laut dem Bericht der Rechnungsprüfung im Januar und Februar 2020 zu Gesprächen in der Verwaltung, da das Rechnungsprüfungsamt insgesamt 37 Verkäufe aus den Jahren 2017 und 2018 prüfte und dabei feststellte, dass 19 Mal Abschläge gewährt wurden. Die Kernfrage dabei ist, ob die Grundstückspreise, die zuletzt 2007 neu ermittelt worden waren, auch 2017 dem korrekten Verkehrswert entsprochen haben.
Daran schließt sich die Frage an, ob alleine Hans Schnabel dafür die Verantwortung trägt. Warum hat Oberbürgermeister Sebastian Remelé in seiner Amtszeit ab 2010 kein neues Gutachten zur Preisermittlung in Auftrag gegeben, obwohl er bei den Vorlagen für den Liegenschaftsausschuss als zuständiger Wirtschaftsreferent mit unterschrieben hat? Warum fiel das mögliche Problem mit dem Artikel 75 der Gemeindeordnung nicht schon viel früher auf, weder der Verwaltung noch den teils im Berufsleben juristisch tätigen Stadträten im Liegenschaftsausschuss?
Das 107 Hektar große Industrie- und Gewerbegebiet Maintal wird seit 1998 im Rahmen einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme vorangetrieben. Der städtische Gutachterausschuss hatte, ausgehend von einem Gutachten 1998, in den Jahren 2002, 2004 und 2007 die so genannten Neuordnungswerte überprüft und fortgeschrieben, danach aber nicht mehr.
Was versteht man unter einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme?
Aus Sicht von Hans Schnabel ist vor allem der Begriff "städtebauliche Entwicklungsmaßnahme" maßgeblich für das Vorgehen bei der Preisfestsetzung für die so genannten Neuordnungswerte. Unter Neuordnungswert versteht man den Verkehrswert des Grundstückes, der sich durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs ergibt. Natürlich, so Schnabel, war die Vermarktung des Maintals "eine differenzierte Verkaufspolitik". Und zwar dahingehend, dass es auch darum ging, bestimmte Firmen zur städtebaulichen Entwicklung der Stadt hier anzusiedeln.
Anhand seiner Aufzeichnungen erklärte er, es habe in 24 von 72 Verkäufen Nachlässe gegeben, in neun Fällen Aufschläge. Setze man die Summe der Nachlässe und der Aufschläge in Relation zueinander, ergebe sich ein Plus für die Stadt. Die gewährten Nachlässe seien zum einen dokumentiert und gegenüber dem Liegenschaftsausschuss begründet worden, zum anderen, so Schnabel, lagen sie innerhalb des möglichen Ermessensspielraums. Das entspreche der Formulierung in Artikel 75 der Gemeindeordnung, dass "in der Regel" kommunales Eigentum nicht unter Wert verkauft werden dürfe.
Was sagt die Regierung von Unterfranken?
Die Stadtverwaltung hat mehrfach bei der Regierung von Unterfranken um eine rechtliche Bewertung des Sachverhaltes gebeten, die laut Johannes Hardenacke, dem Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, auch "immer zeitnah beantwortet" wurde. Aus Sicht der Regierung kann ein Verstoß gegen Artikel 75 der Gemeindeordnung bzw. das EU-Beihilferecht "nicht pauschal" beurteilt werden. Die Stadt müsse selbst eine Einzelfall-Prüfung vornehmen.
Außerdem erklärt die zuständige Fachabteilung, dass der Verkehrswert eines Grundstücks "keine mathematisch exakt feststellbare Größe" sei und sich "innerhalb eines Toleranzspielraums" bewegt. Nur wenn es eine deutliche Unterschreitung dieses Spielraums gegeben habe, könne man von einer Veräußerung unter Wert sprechen.
Was sagt die Schweinfurter Stadtverwaltung?
Die Stadtverwaltung betonte auf Nachfrage in einer ausführlichen Stellungnahme zu dem "komplexen" Sachverhalt, man stehe in Kontakt mit den betroffenen Firmen, "um eine für alle tragfähige Lösung zu finden." Die komplizierte Rechtslage schränke allerdings den Handlungsspielraum ein, heißt es.
Die Stadt wolle zum einen den Sachverhalt "vollständig aufklären und jeglichen wirtschaftlichen Schaden von der Stadt Schweinfurt abwenden". Zum anderen werde man aktiv, sollten sich "Verantwortlichkeiten einzelner verantwortlich handelnder Personen ergeben". Weitere Ausführungen dazu gibt es "aufgrund der noch laufenden Untersuchungen nicht".
Mit der Staatsanwaltschaft Würzburg, die in dem Komplex Ermittlungen gegenüber dieser Redaktion bestätigt hat, "kooperieren wir vollumfänglich", schreibt die Verwaltung. Wann die Ermittlungen abgeschlossen sind, kann Oberstaatsanwalt Tobias Kostuch derzeit nicht sagen, man stehe erst am Anfang. Es werde von "herausragender Bedeutung sein, welchen Wert die veräußerten Grundstücke zum Veräußerungszeitpunkt hatten." Dazu werden derzeit Gutachten erstellt.
Er betont: "Es stehen derzeit keine bestimmten Personen im Fokus der Ermittlungen. Es wird zunächst abzuklären sein, ob überhaupt eine Diskrepanz zwischen Verkaufspreisen und tatsächlichen Werten von Grundstücken vorlag."
Die vielen Gutachten , die Rechtskosten für die Verfahren , die Verlässlichkeit der
Stadt und der zuständigen Mitarbeiter !
Warum hat man bei den Verkaufsabschlüssen der Grundstücke event. Unklarheiten
nicht gemerkt , und wer legt jetzt im Vorfeld aller Verhandlungen bereits die
Forderungen fest . Dies muss ja wohl eine Person ermittelt haben !
Das Verhalten der Stadt Schweinfurt zeigt und sorgt dafür , das der Vertrauensverlust
in die Behörden immer mehr steigt.
Das gilt nicht nur fürs Maintal. Das Prestigeprojekt OB Remelés Landesgartenschau kann die Stadt sogar in den Ruin treiben, wenn man jetzt nicht die Notbremse zieht.
2010 endete die Amtszeit von OB Gudrun Grieser und Sebastian Remelé übernahm.
Andererseits werden – so die Berichterstattung – bereits Nachforderungen gegenüber einigen Firmen und eine Schadensersatzforderung gegenüber einem früheren Mitarbeiter der Stadt geltend gemacht.
Wie können diese Forderungen beziffert werden, wenn der Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt ist und es noch gar nicht feststeht ob es eine Diskrepanz zwischen Verkaufpreis und tatsächlichem Grundstückwert gibt?