Mit den Worten "Fressmarathon" und "ein großes Spektakel" beschreibt, der Leiter des Stadtarchivs, Gregor Metzig, die Schweinfurter Schlachtschüssel. Bis heute treffen sich Menschen in geselliger Runde, um ein ganzes Schwein zu verzehren. Bei der Ausstellung "Essen und Trinken in Alt-Schweinfurt", die am Tag der Archive präsentiert wurde, fand sich sogar eine Schallplatte, liebevoll "Schlachtplatte" genannt, unter den Ausstellungsstücken.
Gerade arme Menschen hätten selten viel Fleisch auf dem Teller beziehungsweise dem Brett gehabt. Die älteste Schlachtschüssel könnte sogar bereits vor 1840 verspeist worden sein, so Metzig. Darauf deuteten Verweise in den Archiven. Die Ausstellung über die Ess- und Trinkgewohnheiten der Schweinfurter hielt aber noch viele weitere kuriose Fakten bereit.
1. Zum Tode Verurteilte wurden in Schweinfurt kulinarisch verwöhnt:
Aufzeichnungen über einen Kirchenräuber belegen: Wer um 1600 in Schweinfurt dem Henker vorgeführt wurde, speiste, wie es sonst nur den Reichen vorbehalten war. Die Henkersmahlzeit des Inhaftierten, der zum Tode durch das Schwert verurteilt wurde, bestand aus Hammelschlegel und ein paar junge Hennen, sagt Metzig. Mit der Zeit wurde die Henkersmahlzeit, vielleicht auch aufgrund eines schlechten Gewissens, immer weiter ausgebaut, so der Leiter weiter.
Gefangene wurden regelrecht mit Süßspeisen, zwölf Gläsern Wein pro Tag, Bier kurz vor der Hinrichtung und auf dem Weg dorthin mit einer Flasche Süßwein verwöhnt. "Dadurch sollten das Leid versüßt und die Person in einen gut trunkenen Zustand versetzt werden", erklärt Metzig.
2. Die Schweinfurter Bürger rebellierten gegen eine Alkoholsteuer:
Wein galt im alten Schweinfurt als Alltagsgetränk. Die Arbeiter, Häcker genannt, stellten die zweitgrößte Zunft dar. Sie mussten laut Metzig hart schuften. Als es 1513/1514 zum Bürgeraufstand kommt, lehnten sich die Arbeiter nicht gegen die Arbeitsbedingungen, sondern gegen eine geplante Einführung einer Alkoholsteuer auf. Das belegt eine Urkunde des Reichsvogt Graf Wilhelm von Henneberg.
Zwar gelang es den Aufständischen, den Rat aus der Stadt zu jagen, doch der Kaiser wehrte sich in aller Härte. Rund zehn bis 20 Hinrichtungen habe es laut Metzig gegeben. Das Ergebnis: Der Rat wurde wieder eingesetzt und die Alkoholsteuer erhoben. Diese fiel mit zehn Maß pro Eimer, was Metzig mit einem heutigen Steuersatz von 22,5 Prozent vergleicht, hoch aus. Der Wein blieb aber weiterhin prägend für die Stadt, sodass selbst der Dichter Johann Wolfgang Goethe sich pro Jahr rund 700 Liter des Weines der Gebrüder Will nach Weimar schicken ließ.
3. Ab 1548 existierte in Schweinfurt ein Brauzwang, bald folgte eine Sperrstunde:
Um Krankheiten vorzubeugen, wurde Wasser bis zur Eröffnung des Schweinfurter Wasserwerkes 1898 mithilfe von Bier sterilisiert. Reiner Bierkonsum galt lange "als unüblich", erzählt der Archivleiter. Gebraut wurde das Bier zu Hause. Ab 1548 führte der Rat deshalb einen Brauzwang ein, fortan durfte nur noch im städtischen Brauhaus unter Aufsicht eines Brauleiters gebraut werden.
Auf Nachfrage bestätigt Metzig, dass es immer wieder Verstöße gegen die Verordnung gab, jedoch sei das Brauen im Brauhaus praktisch gewesen– trotz Alkoholsteuer und Braukosten. "Das Bier im Anschluss nach Hause zu schleppen, war Frauensache. Eine Hausfrau wurde nach ihrem Haustrunk beurteilt", sagt der Leiter.
Der Alkoholkonsum hätte laut einem Ratsprotokoll aus dem 16. Jahrhundert vermehrt zu tätlichen Übergriffen geführt. Die Folge: Eine Sperrstunde ab 22 Uhr. Bei Verstößen musste eine Steuer zwischen 30 und 50 Pfennig gezahlt werden – vergleichbar mit einem Bußgeld bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, ordnet Metzig ein.
4. Italienisch-amerikanische Soldaten brachten die Pizza nach Schweinfurt:
"Die amerikanischen Besatzer haben Spuren hinterlassen, nicht nur in Bezug auf Cola oder Kaugummi", hieß es bei der Führung. Sie brachten auch Pizza in die Region. Die erste Pizzeria in Deutschland eröffnete 1952 in Würzburg. 1959 folgte die Pizzeria La Gondola in Schweinfurt. 2022 schloss das italienische Restaurant in der Niederwerner Straße seine Türen, damit endete ein Stück Lokalgeschichte.
Heute unvorstellbar: Zunächst wurde Pizza von den "Deutschen kritisch gesehen", sagt Metzig, "es hat eine Weile gedauert, bis sie sich bei der jungen Generation durchsetzte."
Neben Pizzerien, eröffneten bald der erste McDonalds, amerikanische Supermärkte und eine Milchbar. Auch deutsch-amerikanische Volksfeste fanden statt. Die Dokumente, die dies belegen, wurden auf der Original-US-Flagge der Ledward Kaserne ausgestellt, ein Geschenk der US-Offizierin Mary Ritzmann.
5. Zwei Störe werden 1575 und 1593 im Schweinfurter Rat zum Politikum:
Als "markantes und hässliches Vieh" bezeichnet Metzig einen der beiden Störe, die in Alt-Schweinfurt für Streitigkeiten sorgten. Im Zentrum stand die Frage, ob die Schweinfurter die Fische, die sie in Untereuerheim, dem Hoheitsbereich des Hochstifts Würzburg, aus dem Main gezogen hatten, behalten durften.
Um den Nachbarschaftsfrieden zu gewährleisten, dienten sie als diplomatisches Geschenk an den Fürstbischof Julius Echter. Noch heute sind sie als Fresko im Rathaus zu sehen, sagt der Archivleiter.