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Bad Neustadt
Zwischen Sorge und Zuversicht: Was 6 Rhöner nach zwei Jahren Corona-Pandemie über die anstrengende Zeit sagen
Am 12. März 2020 gab es den ersten Corona-Fall im Landkreis. Ob Pflege, Familie oder Gastronomie – hier teilen Menschen aus Rhön-Grabfeld ihre Erfahrungen.
Katrin Siebert arbeitet als Stationsleitung im Rhön-Klinikum Campus in der Klinik für Neurologie auf der Intensivstation. In den vergangenen zwei Jahren hat sie viel Leid miterlebt.
Foto: Daniel Peter | Katrin Siebert arbeitet als Stationsleitung im Rhön-Klinikum Campus in der Klinik für Neurologie auf der Intensivstation. In den vergangenen zwei Jahren hat sie viel Leid miterlebt.
Julia Back
,  Michael Nöth
 und  Sigrid Brunner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 21:26 Uhr

Zwei Jahre ist es nun her, dass die Welt eine andere geworden ist. Was im Januar 2020 mit einer kleinen Nachrichtenmeldung über ein neues Virus in Asien begonnen hat, hat bereits zwei Monate später auch den Landkreis Rhön-Grabfeld betroffen: Am 12. März 2020 wurde der erste Corona-Fall hier registriert.

Wie hat sich das Leben seitdem für die Menschen in der Region verändert? Und wann ist der Einzelne auch einmal an seine Grenzen gekommen? Sechs Menschen berichten über ihre ganz persönlichen Erfahrungen in den vergangenen zwei Jahren.

1. Gastronom Maximilian Rottenberger (25): 300 Stornierungen an einem Tag

Maximilian Rottenberger aus Burkardroth (Lkr. Bad Kissingen) hat während der Corona-Pandemie das Cuba Cabana in Bad Neustadt übernommen.
Foto: Julia Back | Maximilian Rottenberger aus Burkardroth (Lkr. Bad Kissingen) hat während der Corona-Pandemie das Cuba Cabana in Bad Neustadt übernommen.

Mit 19 Jahren hat Maximilian Rottenberger sein Unternehmen "Maxi-Event" gegründet. "Vor Corona waren wir vor allem auf Hochzeitsfeiern oder Firmenevents spezialisiert", sagt der 25-Jährige. "Doch plötzlich waren von heute auf morgen alle Aufträge weg." Für den jungen Unternehmer aus Burkardroth (Lkr. Bad Kissingen) war dies allerdings kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. "Ich habe die Zeit von Anfang an als Chance gesehen", sagt er.

Ob Streetfood-Truck oder Cocktail-Lieferservice aus dem heimischen Wohnzimmer – Rottenberger hat viele Ideen, wie er weitermachen kann. Trotz Pandemie erfüllt er sich sogar den Traum vom eigenen Lokal: Am 1. Juli eröffnet er das Cuba Cabana in Bad Neustadt. Die Eröffnung und der Sommer läuft "super", er ist dankbar für die Unterstützung von Freunden und Familie.

Doch im Dezember 2021 hat er zum ersten Mal finanzielle Ängste: "An einem Tag hatten wir 300 Stornierungen und allein in der ersten Dezemberwoche Absagen für insgesamt 2500 Gäste." Dennoch macht Rottenberger weiter und blickt mittlerweile wieder positiv gestimmt in die Zukunft: "Wir hoffen auf einen normalen Sommer!"

2. Stationsleitung Katrin Siebert (59): In den vergangenen zwei Jahren viel Leid miterlebt

Katrin Siebert arbeitet als Stationsleitung im Rhön-Klinikum Campus in der Klinik für Neurologie auf der Intensivstation.
Foto: Daniel Peter | Katrin Siebert arbeitet als Stationsleitung im Rhön-Klinikum Campus in der Klinik für Neurologie auf der Intensivstation.

"Als wir erfahren haben, dass der erste Corona-Patient kommt, hatten einige von uns Tränen in den Augen", schildert Katrin Siebert, die als Stationsleitung im Rhön-Klinikum Campus in der Klinik für Neurologie auf der Intensivstation arbeitet. "Anfangs war das Virus noch weit weg und plötzlich bei uns. Man hatte großen Respekt."

Fragen, wie man den Patienten am besten helfen könne und wie man sich selber schütze, mussten geklärt werden. "Viele hatten auch Angst, das Virus mit nach Hause zu tragen und ihre Familie anzustecken", sagt sie.

Siebert hat in den vergangenen zwei Jahren viel Leid miterlebt, viele ihrer Patienten sind gestorben. "Die Angehörigen durften ja nicht zu ihnen", erzählt sie noch zwei Jahre später sichtlich betroffen. "Das war schon sehr schlimm." Ein letztes Telefonat eines Patienten mit seinem Sohn sei ihr besonders im Gedächtnis geblieben. "Dieses Gespräch war für alle furchtbar. Der Patient ist auch leider verstorben." Nach der Arbeit zu Hause abzuschalten, sei für Siebert und ihre Kolleginnen und Kollegen schwer gewesen.

Daneben gab es jedoch auch gute Momente: "Wir hatten auch Erfolge!" Viele Patienten haben sich später per Brief oder Telefon bedankt. "Wir hatten auch viel Unterstützung von der Geschäftsführung und allen Abteilungen", sagt sie: "Wir sind nicht alleine gelassen worden." Heute fühle sie sich gestärkt im Umgang mit den Corona-Patienten. "Die Impfung macht sich auch bemerkbar, weil die Verläufe nicht mehr so schwer sind und die Patienten wieder gesund werden."

3. "Angels Shop"-Inhaberin Edeltrud Härter (70): Mode über WhatsApp beworben

Edeltrud Härter aus Gollmuthhausen ist die Inhaberin der Modeboutique 'Angels Shop' am Marktplatz in Bad Neustadt.
Foto: Julia Back | Edeltrud Härter aus Gollmuthhausen ist die Inhaberin der Modeboutique "Angels Shop" am Marktplatz in Bad Neustadt.

"Wir sind ganz gut durch die Pandemie gekommen", sagt Edeltrud Härter, die die Modeboutique Angels-Shop in Bad Neustadt betreibt. Geholfen hat ihr hierbei auch die Möglichkeit der Kurzarbeit. "Es war ganz toll, dass meine vier Mitarbeiterinnen das mitgetragen haben. Es war ja auch ein Einkommensverlust für sie", sagt die 70-Jährige. Zudem habe ihr Vermieter sie durch eine Mietminderung unterstützt.

Auch ihr Geschäftsmodell hat ihr geholfen: Härter kauft ihre Ware alle drei Wochen in Sindelfingen oder München ein. "Wir haben das eingekauft, was wir gebraucht haben und saßen nicht auf bestellter Ware", sagt sie.

Von Dezember 2020 bis April 2021 war der Angels Shop geschlossen – danach kamen die Kundinnen und Kunden jedoch sofort wieder. "Gott sei Dank", sagt Härter rückblickend. "Wir sind so mit einem blauen Auge davon gekommen." Doch auch im Lockdown blieb sie kreativ. Über WhatsApp habe sie Werbung für ihre Mode gemacht, die sie dann per Bestellung aus der Tür hinaus verkauft habe. "Die Kundinnen und Kunden waren dafür sehr dankbar. Das hat mir auch etwas zurückgegeben – gerade in der schweren Zeit!"

4. Pflegeheim-Bewohner Hans Roscher (87): Pflegerinnen und Pfleger sind "Engel"

Hans Roscher wohnt im Stiftungs-, Alten- und Pflegeheim in Bad Neustadt.
Foto: Carina Achtzehn | Hans Roscher wohnt im Stiftungs-, Alten- und Pflegeheim in Bad Neustadt.

Hans Roscher lebt seit knapp vier Jahren im Stiftungs-, Alten- und Pflegeheim in Bad Neustadt. Er ist ein echtes Neuschter Original. Viele Jahre zog er beinahe täglich mit seinem Handwagen sowie Schaufel und Besen durch die Stadt und machte da sauber, wo es nötig war. Für sein Engagement erhielt er 2000 den Bad Neustädter Umweltpreis.

Heute muss er es zwar ruhiger angehen lassen, dennoch nimmt er rege Anteil am Heimalltag. Das ist auch gut so, denn die Besuche sind in den letzten beiden Jahren deutlich weniger geworden. "Schön ist es nicht gerade", stellt er dementsprechend fest. "Es ist schon bitter." Hans Roscher vermisst vor allem seine Schwester, die in München lebt. "Sie wäre gerne öfter hier, lebt aber zu weit weg", bedauert er.

Für Abwechslung sorgen die Pflegekräfte, die er als seine "Engel" bezeichnet. Auch kennt er etliche andere Bewohner der Stiftung. Und zudem liest der gebürtige Oberpfälzer, der aber schon "arg lange" in Bad Neustadt wohnt, noch regelmäßig die Zeitung. "Durch all das fühle ich mich nicht ganz so allein."

5. Dreifach-Mutter Julia Keßler (39): Zwischen Homeschooling und Quarantäne-Regeln

Julia Keßler mit ihrem Mann Martin und den Kindern (von links) Leni (6 Jahre), Finn (11 Jahre) und Ella (8 Jahre).
Foto: Keßler | Julia Keßler mit ihrem Mann Martin und den Kindern (von links) Leni (6 Jahre), Finn (11 Jahre) und Ella (8 Jahre).

"Auch wenn wir die Zeit als Familie genutzt haben, war es chaotisch und anstrengend", erzählt die Bad Neustädterin Julia Keßler. Gerade die Betreuung der drei Kinder im ersten Lockdown habe die Familie beschäftigt. "Zu Beginn der Pandemie hatten wir ein Kindergartenkind, eine Erstklässlerin und einen Drittklässler", erzählt die 39-Jährige.

Das Homeschooling der älteren Kinder hätte nicht funktioniert, wenn sie nicht daheim gewesen wäre: "Ich arbeite im Fitnessstudio und das war ja geschlossen." Die beiden Grundschüler mussten bei ihrer Schularbeit komplett begleitet werden, zeitgleich galt es, ein Kindergartenkind zu beschäftigen. Kontakt mit der Lehrerin, Senden der Aufgaben und Druck der Arbeitsblätter – die Schularbeit ging für die Eltern bis in die Nacht. "Die Regierung hat vorgegaukelt, dass man sich als Alleinerziehende oder neben dem Homeoffice um die Kinder kümmern kann. Das war schwer möglich", kritisiert sie.

In den vergangenen Monaten hat bei der Familie vor allem das Thema Quarantäne eine Rolle gespielt. "Ella war bereits viermal in Quarantäne", so die Mutter. Und auch bei den anderen Kindern gab es ständig Fehlalarme, weil sich Freunde infiziert hatten. "Mich wundert es bis heute, dass wir da ohne Infektion durchgekommen sind."

6. Musik-Kabarettistin Ilona Zirkelbach (44): Im harten Lockdown mit der Kaufmannsware ins TV

Ilona Zirkelbach, Musikpädagogin und Musik-Kabarettistin, aus Schönau.
Foto: Zirkelbach | Ilona Zirkelbach, Musikpädagogin und Musik-Kabarettistin, aus Schönau.

Kulturschaffende hat die Pandemie hart erwischt. Auftritte brachen weg, Proben nur unter erschwerten Bedingungen, der Kontakt zum Publikum fehlte gänzlich. "Jetzt aber starten wir wieder durch", blickt Ilona Zirkelbach aus Schönau freudig nach vorne. "Als der Anruf kam, dass die zweimal verschobene Mundart-Rallye nun am 1. April wieder stattfinden kann, fing bei der Kaufmannsware wieder das berühmte Kribbeln an",  so die Musikpädagogin am Münnerstädter BBZ.

Die Frauen-Formation mit ihren frechen Liedern hatte zwar ganz wenige Auftritte, "aber ganz tolle in den zwei Pandemie-Jahren", sagt Zirkelbach. Einer lief beim Bamberger Keller Fetztival mit David Saam, der andere im Münchner Hofbräuhaus bei den Brettl-Spitzen des Bayerischen Rundfunks. "Wir hatten da einen Arbeitsvertrag mit dem BR, und durften uns deshalb im harten Lockdown im April 2020 zum Proben treffen. Alle erst zum Testen ins Böschemer Feuerwehrhaus, danach zum Singen. Das war immer aufregend, ob's klappt", erinnert sich Zirkelbach.

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Es hat geklappt. "Es gab bei meinen zwei Formationen, der Kaufmannsware und der Scharadwanzen,  auch keinerlei Diskussionen zum Impfen. Wir konnten unsere beiden Gruppen über die lange Zeit aufrechterhalten. Bei anderen lief das nicht so glatt", weiß die Schönauerin.

Ob die Kaufmannsware im neuen Programm die Pandemie zum Thema macht? "Ein Corona-Lied gibt es sicher nicht, das können die Leute doch nimmer hören!"

 
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