Das gruselige Kuscheltier. Die schwarze Dunkelheit. Eine laute Stimme. Die Dinge, vor denen Kinder Angst haben, sind vielfältig. Doch dafür gibt es ja Mama und Papa, Oma und Opa, Bruder und Schwester - sie sind da und trösten, wenn die Furcht in einem hochkriecht. In der Corona-Pandemie hatten allerdings nicht nur die Jüngsten Angst, sondern auch ihre Eltern selbst: um ihre Existenz, um ihre Gesundheit, um die Zukunft.
Wie sind Familien mit der Krise umgegangen, welche Dinge sind dabei politisch und gesellschaftlich falsch gelaufen? Und vor allem: Welche Lehren lassen sich aus der Pandemie ziehen? Bernhard Roth, Diplom-Psychologe und langjähriger Leiter der Caritas-Erziehungsberatungsstelle und Gudrun Hellmuth, ehemalige Kindergartenleiterin und Referentin für Frauen und Familie im Bad Neustädter Stadtrat, schildern ihre Sicht.
Welche Fehler wurden in der Pandemie insbesondere in Bezug auf Kinder, Jugendliche und Familien gemacht?
Nach Meinung von Bernhard Roth waren Familien, vor allem Kinder und Jugendliche, in der Corona-Zeit lange kein Thema und wurden übersehen. Die Schließung von Kindertagesstätten und Schulen sei auf einer dünnen Datenbasis erfolgt und Familien zugemutet worden, Home-Office, Home-Schooling und Kinderbetreuung irgendwie unter einen Hut zu bringen. Dominiert habe die Sorge darüber, was Kinder und Jugendliche schulisch verpassen würden und ob man den Leistungsrückstand je wieder aufholen könne.
"Die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen wurde quasi in Quarantäne geschickt", sagt Gudrun Hellmuth. Laut Hellmuth und Roth habe man ihre Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt, da zeitweise auch keine Spielplätze, Vereinsaktivitäten oder Treffen mit Freundinnen und Freunden möglich waren.
Was machte Corona mit Familien, mit Kindern und Jugendlichen?
Bernhard Roth vertritt die These, dass durch Corona im Bereich Familie kein größerer Schaden angerichtet wurde, als vorher schon an Problemen da war. Vielmehr habe die Pandemie wie ein Brennglas gewirkt und die seit längerem bestehenden Versäumnisse der Schul- und Familienpolitik rund um das Thema Familie "messerscharf" in den Fokus gerückt. Dennoch hätten Kinder und Jugendliche durch die Pandemie mehr Probleme entwickelt. So habe sich die Zahl der Jugend-Psychiatrie-Anmeldungen wegen depressiver Symptome oder Essstörungen nahezu verdoppelt. Familien seien zu wenig einbezogen worden in die Entscheidungen in Bezug auf Corona.
Insbesondere Kinder hätten die Situation oft nicht verstanden und vieles nicht mehr selbst steuern können, was sie hilflos machte. Dennoch glaubt Bernhard Roth nicht, dass es eine "Generation Corona" geben wird. Er hält diese "Diagnose" für eine komplette Gruppe von Kindern und Jugendlichen für schädlich und kontraproduktiv. Vielmehr sollte geschaut werden, warum und wie viele Menschen gut durch die Pandemie gekommen sind und man sollte mit ihren Erfahrungen anderen helfen, ebenfalls die Situation gut bewältigen zu können.
Was sollte sich politisch ändern?
Eine diffuse Angst in der Gesellschaft, die Gudrun Hellmuth anspricht, sei es, die die Politik gelähmt habe. Angst sei aber ebenso wie Selbstzweifel immer ein schlechter Ratgeber. Hinzu komme in Deutschland die überbordende Bürokratie. Oft habe man sich außerdem schlicht nicht getraut, unkonventionelle Entscheidungen zu treffen, kreative Ideen zu entwickeln und einfach alles laufen lassen.
Sie hält es für sinnvoll, einfach einmal Dinge auszuprobieren, auch auf die Gefahr hin, dass dabei nicht gleich alles direkt klappt. Generell müsse die Politik die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Familien Beruf und Kinder besser miteinander in Einklang bringen können. Auch wenn jüngst zum Beispiel der Rechtsanspruch auf einen Grundschul-Ganztagesplatz ab 2026 beschlossen wurde, sei noch viel zu tun. Dafür müsse schließlich auch Personal da sein und eine gute Betreuungsqualität. Und Qualität koste nun einmal Geld.
Welche gesellschaftlichen Veränderungen sind nötig?
Die Leistungsgesellschaft sieht Bernhard Roth als Keimzelle vieler Schwierigkeiten. Gerade nach der Rückkehr in die Schulen hätte er es für sinnvoll gehalten, erst einmal die Gemeinschaft und das Zwischenmenschliche wieder zu fördern. Stattdessen sei es oft gleich wieder um Zensuren gegangen. Seiner Meinung nach sollten Eltern, Lehrkräfte und Erziehende junge Menschen ermutigen, sich auszuprobieren, auch mal Fehler zu machen. "Sie sind die einmalige Chance, etwas Neues zu lernen", findet auch Gudrun Hellmuth. "Jeder hat seinen Platz in der Gesellschaft, mit seinen ganz eigenen Talenten und Interessen", so Bernhard Roth.
Das Miteinander müsse wieder mehr gelingen, die Grundstimmung in der Gesellschaft besser werden. Hier sieht Bernhard Roth Corona als Lehrstunde an, damit sich einiges wieder bessert. Statt zu nörgeln, sollte man laut Gudrun Hellmuth lieber den Blick nach vorne richten und auf die Dinge, die man hat. Erwachsene sollten hier laut Hellmuth und Roth Vorbilder sein und den jungen Menschen Zuversicht, Humor und Dankbarkeit vorleben. Nur gemeinsam lasse sich die Krise bewältigen und Lösungen für Probleme entwickeln. "Und ich bin überzeugt, dass wir die finden", zeigt sich Gudrun Hellmuth zuversichtlich.
Mit welchen Gefühlen blicken Familien, mit denen Gudrun Hellmuth und Bernhard Roth zu tun haben, in das neue Schuljahr?
"Auf keinen Fall dürfen wieder Klassen geschlossen werden. Alles, nur kein Distanzunterricht mehr", weiß Gudrun Hellmuth aus Gesprächen mit Familien. Quarantäne sei für Kinder wie ein Stigma. Das bestätigt auch Bernhard Roth. Denn dabei würden Kinder ausgegrenzt und dafür die Schuld bei sich suchen, was natürlich nicht der Fall sei. Dieses Gefühl müsse ihnen unbedingt genommen werden.
Dennoch seien viele Eltern zuversichtlich und hoffnungsvoll, was das neue Schuljahr angeht. Dass Kindern noch einmal ihr Lebensraum entzogen werde, müsse in jedem Fall vermieden werden, da sind sich Gudrun Hellmuth und Bernhard Roth einig.
Furchtbar ist Hybrid-Unterricht, also Teile der Klasse (gleichzeitig) in der Schule/Teile zuhause. Wird toll, wenn doch wieder einzelne Schüer in Quarantäne müssen...
Insbesondere an dem Gymnasium stand vor den Ferien sehr wohl die Gemeinschaft im Vordergrund. Es gab (wieder erlaubte) Gescheinschaftsaktionen an der Schule und Ausflüge. Ich habe das sehr begrüßt, Stoff wird schon noch aufgeholt.
"Generation Corona" halte ich für Quatsch. Für Schulabgänger war es sicher schwierig u. für Schüler, die in der Corona-Zeit abgehängt wurden, benötigt es differenzierte Förderung. Und hierfür muss dringend Geld und vor allem Personal (woher, leider auch keine Idee) zur Verfügung gestellt werden!
Es gab übrigens auch Schüler, die vom Distanzlernen profitiert haben, weil sie nicht gerne in der Schule sind.
Aber ja, genau das meine ich!