
Pia Steinhardts Weg führte 2010 von Bad Neustadt aus in die Welt. Inzwischen lebt die 34-Jährige, Sprössling des Unternehmens RST Stahlbau in Niederlauer, als Innenarchitektin in Berlin. Ihr beruflicher Fokus liegt auf den Themen Umnutzung von Leerstand, Innenstadtentwicklung und das organische Wachstum von Kultur. Wie Pia Steinhardt die Diskussion um ein Kulturzentrum im Fronhof erlebte und welche kreativen Impulse sie für ihre Heimat hat.
Pia Steinhardt: An eine gute Mischung aus Land- und Stadtleben. Bad Neustadt hatte für mich gar nichts vom typischen Bild der Kleinstadt. Im Gegenteil: Wir waren eine lebendige Gemeinschaft, die an verschiedensten Orten – bei privaten Hauspartys, im Hannes, auf Partys der Effect Crew und draußen in der Natur– zusammenkamen, um zu tanzen, uns zu bewegen und zu lachen. Kurzum: Wir trafen uns, um zu spielen. Hier war viel Gutes los, woraus ein starkes Netzwerk von Freundschaften entstand, das bis heute existiert.
Steinhardt: Nach meinem Abi 2010 habe ich in Italien, Brasilien, Stuttgart und London gelebt. Seit zehn Jahren ist Berlin meine Heimat. Nach Bad Neustadt komme ich aber immer gerne, meine Kinder lieben es hier, zudem bin ich im Zwei-Wochentakt im Unternehmen meiner Eltern, bei RST Stahlbau in Niederlauer. Hier plane und leite ich zusammen mit Architekt Holger Fenchel aktuell den Umbau der Sozialräume.
Steinhardt: Beeindruckend finde ich, was meine Leute – also die Gemeinschaft, die damals entstand – inzwischen auf die Beine stellen: Sie schaffen eigene, wunderbare Kulturangebote. Schade finde ich die Entwicklung unserer schönen Innenstadt: das Gastrosterben, die Ladenschließungen, der Leerstand. Für die aktuelle Jugend sind momentan nur noch wenige Begegnungsorte geboten.
Steinhardt: Innenarchitektur ist die Lehre für das Bauen im Bestand: Bestandsgebäude haben einen hohen Wert, den es zu erhalten und, wenn nötig, so anzupassen gilt, dass sie nutzbar werden. Nutzbar für Bürger in Bewegung und Austausch – sprich Kultur. So habe ich Konzepte für Innenstädte geschrieben, Nutzungslösungen für Leerstände mit kreativen, kulturellen und kaufmännischen Gemeinschaften entwickelt und Gastro- und Hotellerieplanungen geleistet. Alles mit dem Ziel, Räume zu schaffen, die zum Austausch inspirieren.
Steinhardt: In London am Royal College of Art habe ich als Burberry Stipendiatin innerhalb meines Masters zum Thema Kultur und Innenstadtentwicklung geforscht und ein Gemeindezentrum im Untergrund Berlins geplant. 2016 habe ich mich mit meinem Innenarchitekturbüro pinkful unter anderem die re:publika, Europas größtes Festival für digitale Gesellschaft, betreut. Gemeinsam mit dem Möbelkonzern Ikea habe ich in San Francisco untersucht, wie über die Einbindung Kulturschaffender Kaufkraft in innenstädtische Filialen gezogen werden kann. Als Nächstes plane ich eine permanente Ausstellung auf der Museumsinsel in Berlin in eine ehemalig öffentliche Toilette im Untergrund.
Steinhardt: Echte Kultur wird nicht von oben geplant, sondern entsteht organisch von unten: Bei der Planung eines Kulturzentrums sollte demnach ein gewisses Spektrum an Nutzern beziehungsweise Bürgergruppen dazu eingeladen werden, mitzugestalten.
Steinhardt: Auch wenn die Debatte für manche sicherlich frustrierend war, ist sie in meinen Augen gleichzeitig auch sehr gewinnbringend. Denn Bürger, die sich für ihre Stadt engagieren, indem sie ihre Wünsche und Bedürfnisse artikulieren und dabei gehört werden, sind eine wichtige Zutat für eine authentische Stadt-Identität. Denn dann beginnt der positive Kreislaufeffekt: Identität schafft Attraktivität, zieht Tourismus, schafft Wirtschaft, schafft Attraktivität.
Steinhardt: Ich habe gelernt, dass der Bestand selbst die mögliche Nutzung vorgibt. Platziert man eine Bibliothek, einen Ort der Kontemplation, in ein ehemaliges Gefängnis, überschreibt man Geschichte und Wesen des Ortes. Der Fronhof ist ein trister Ort, an dem Menschen eingeschlossen wurden, weil sie Verbrechen begangen haben. Wenn man an diese Geschichte anknüpft, wird dieser Raum für Bürger und Touristen viel annehmbarer und die Chancen steigen, dass er erfolgreich bespielt wird. Eine Dauer-Ausstellung über den Ort und seine Geschichte in die neue Nutzung integriert ist daher sicher ein guter Zug.
Steinhardt: Interessant fände ich, den Fronhof zu einem öffentlich zugänglichen Innenraum zu machen, mit Vegetation, Sonnenlicht, Vögeln zwischen den Gemäuern. Einen verlassenen, geschützten Raum in der Innenstadt, mit dezenter Beschilderung über den Ort und seine Geschichte und bestenfalls Führungen von Zeitzeugen. Falls das gut angenommen wird, könnte man in einem zweiten Schritt über eine Bewirtung nachdenken. Aber bedacht, dezent, ruhig. Eher Weinlokal als Bierzeltstimmung.
Steinhardt: Der innen liegende Laubengang und die kleinen Parzellen lassen an eine Marktsituation denken. In die Parzellen könnten Werkstätten einziehen, ein Blumenladen, ein guter Neuschter Schnapsladen, nebenan gibt's die Wurst vom Biobauern, vielleicht im Keller ein Proberaum für Bands. Am Ende geht es darum, dass der Ort organisch entsteht und die Bedürfnisse eins Großteils der Bewohnerschaft abdeckt.
Steinhardt: In der alten Bausubstanz in der Innenstadt, kombiniert mit motivierten Bürgern. Oberstes Ziel sollte es sein, den Bestand mit den ansässigen Menschen und ihren Aktivitäten zu beleben. Gerne erst einmal temporär, aber mit konkreter Aussicht auf Permanenz bei Erfolg.
Steinhardt: Ich sehe das Potenzial für Begegnungsorte: ein Tretbecken auf dem Marktplatz für die Durchblutung, Freiluft-Jazzkonzerte auf der Luitpoldhöhe. Der alte Friseursalon am Busbahnhof wäre ein klasse Ort für Kleinkonzerte. Die ehemalige Tankstelle in der Schweinfurter Straße ein toller Drive-in-Laden für italienische Sandwiches und schnellen Café, mit Schaukeln, die vom Vordach hängen. Ich sehe ein Hybrid aus Touristeninformation und Café-Bar im ehemaligen Salamander-Schuh. Ich stelle mir eine Verkauf- und Produktionsstätte für Neuschter Produkte vor, mit zum Beispiel Kräuterworkshops für Pflegeprodukte. Die schönste und simpelste Vorstellung wäre allerdings: Ein großer Baum auf dem Marktplatz als Zentrum der Gemeinschaft, unter dem man Schatten und Schutz findet.
Steinhardt: Der Wille der Stadt basisdemokratisch zu planen, die Identifikation der Nutzergruppen, eine Bedürfnisanalyse dieser Gruppen, subventionierten Raum, einen Planer, der den Hut auf und Zugang zu den Menschen hat, einen oder mehrere Geldgeber und eine starke geteilte Vision, eine attraktive Stadt zu schaffen, in der Identität organisch wachsen darf.
Ansprechende Vorschläge für Bad Neustadt.