
Vom verlassenen Gefängnis zum Kulturzentrum? Das älteste Gebäude Bad Neustadts ist derzeit in aller Munde. Aber wie sieht der Komplex eigentlich im Inneren aus?
Die Gänsehaut kommt unwillkürlich. Auch an diesem sonnigen Frühlingsmorgen ist's ordentlich kalt in Bad Neustadts ehemaligem Gefängnis. Die Lichtanlage verweigert ihren Dienst. Schaurig-schön scheint stattdessen die Sonne durch Gitterfenster und Zellentüren in gähnend lange Gefängnisgänge. Leise rieselt der Putz von den Wänden, laut klickt Fotograf René Ruprecht in die Vergangenheit.

Geheimnisumwittert ist das vermutlich älteste Gebäude der Stadt Bad Neustadt definitiv. Der frühere Kreisheimatpfleger aus Heustreu, Stefan Kritzer, kennt dafür den Grund: Als Gefängnis, so erzählte er 2007 in einem Vortrag, war der Gebäudekomplex über Jahrzehnte für Bad Neustadts Bürger ein "verschlossener Ort".

Einblick in einen Gebäudekomplex, den die wenigsten Bad Neustädter von innen kennen
Zwar gebe es "viele lebende Zeitzeugen, die noch eine Verbindung" zum früheren Gefängnis haben, sagt Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner, während er mit Stadtbaumeister Michael Wehner durch das Gebäude führt und inmitten verlassener Zellentrakte kuschlige Leseecken eines zukünftigen Kulturzentrums visioniert. Die wenigsten Neustädter kennen das Gebäude aber tatsächlich von innen.

Interessierte Bürger können das kommenden Samstag, 13. April, ändern. Von 14 bis 16 Uhr bietet die Stadt Bad Neustadt für die Öffentlichkeit im Rahmen eines Info-Tags Führungen durch das frühere Gefängnis an. "Man muss das Gebäude mal geschmeckt haben", ist Bürgermeister Werner überzeugt.

Die Stadt Bad Neustadt bietet am Samstag, 13. April, Führungen durch das alte Gefängnis
Grund für den Infotag mit Führungen und Info-Ständen ist der bevorstehende Bürgerentscheid zur Zukunft des Fronhofs. Am Sonntag, 5, Mai. Nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren der Bürgerinitiative Fronhof mit 1800 gültigen Stimmen gegen den Fronhof-Umbau sind nun offiziell Bad Neustadts Bürger am Zug zu entscheiden: Geht Bad Neustadt mehrheitlich mit der Mehrheitsentscheidung des Stadtrats von November 2023 d'accord und votiert für den Umbau der Alten Amtskellerei zu einem Kulturzentrum?

Bevor sie ihre Stimme abgeben, können Interessierte den umstrittenen Ort selbst in Augenschein nehmen: Einst als Amtskellerei Sitz bischöflicher Beamter, wurde das Gebäude von 1817 bis 1996 als Gefängnis genutzt. Die Zellen sind bis heute rudimentär erhalten, wenn auch inzwischen größtenteils ohne Türen. Vor einem liegt ein Gefängnis ohne Schlösser, Toiletten ohne Kloschüsseln, übrig nur hier und da ein Spüldeckel. Die einstigen Zellenbetten erkennt man noch an den Halterungen.

Gefängnis-Relikte: von Hinterlassenschaften und Überbleibseln
"Dem gleich ich, der den Backstein mit sich trug, der Welt zu zeigen, wie sein Haus aussah." Auf Spanisch prangt dieses Bertolt Brecht-Zitat geisterhaft an einer orangen Zellenwand im Erdgeschoss. Hinterlassenschaft eines Insassen oder Überbleibsel der Kunstausstellung "Zelle", die 2007 im früheren Gefängnisgebäude stattfand? Die Gefängnismauern schweigen.

Von anderen Zeiten zeugt auch die verworfene Zigarettenschachtel der Marke "Lord Extra" am Boden des Hohen Hauses – 19 Zigaretten für drei Deutsche Mark. Das sogenannte Hohe Haus, der älteste Gebäudeteil, sei in die Mitte des 14. Jahrhunderts zu datieren, erzählt Stadtbaumeister Michael Wehner. Unterfrankenweit einzigartig in Substanz und Qualität sei der offene Dachstuhl, ergänzt Bürgermeister Werner.

Beklemmend der Blick in die kleinste Zelle. "Die für die ganz bösen Jungs", sagt Bürgermeister Werner. Nur ein Hauch Tageslicht fällt durch den winzigen Lichtschacht. "Arrestant nicht vergessen!", erinnert ein kaum noch leserlicher Aufkleber in der früheren Gefängnisküche. "Vater, ich habe gesündigt wider den Himmel und wider dich", ist auf einem Fenster der früheren Gefängniskapelle zu lesen. Die Gänsehaut weicht erst im Innenhof, wenn die Sonne wärmt und die Freiheit durchs Hoftor winkt.
