Isolde Miller ist frustriert: "Jeder sagt, wir haben keine Kapazitäten." Die 66-Jährige sucht seit Wochen einen Pflegedienst für ihren bettlägerigen Ehemann. Zig Anbieter hat sie schon angerufen, überall bekam sie Absagen. Sogar im Sozialministerium in München klingelte sie an. Ohne Erfolg. Zuständig sei der Pflegebeauftragte der Staatsregierung, dessen Geschäftsstelle aber auch keinen Pflegedienst besorgen konnte.
"Es ist schon traurig, wenn man keinerlei Unterstützung bekommt", meint Isolde Miller resigniert. Die 66-Jährige ist selbst gesundheitlich angeschlagen, hat eine kaputte Wirbelsäule, sieht und hört schlecht, besitzt einen Schwerbehindertenausweis. Alleine ist sie nicht in der Lage, ihren 1,80 Meter großen und 80 Kilo schweren Mann zu pflegen. "Wir machen halt Katzenwäsche." Das Ehepaar ist kinderlos, und andere Familienmitglieder, die helfen könnten, gibt es nicht. Der einzige Bruder von Isolde Miller ist gehbehindert, die Schwägerin berufstätig.
Allein der Haushalt mit Kochen, Putzen und Wäsche machen ist für die 66-Jährige eine Mammutaufgabe. Manchmal hilft eine 80-jährige Freundin mit. Dankbar ist sie für die Nachbarschaftshilfe. Das befreundete Ehepaar im Reihenhaus nebenan erledigt die Einkäufe. Denn Isolde Miller kann ihren Ehemann nicht mehr alleine lassen. Neulich sei er aus dem Bett gefallen. Sie musste den Notruf wählen. Eineinhalb Stunden habe es gedauert, bis die Helfer da waren und den Mann wieder ins Bett legten. Jetzt hat sich die 66-Jährige den Hausnotruf installieren lassen.
Anruf beim Pflegebeauftragten der Staatsregierung
Die Pflegebedürftigkeit von Frederick Miller kam überraschend. Der heute 76-Jährige hatte vor drei Jahren Lungenkrebs. Die Behandlung damals war erfolgreich, doch dann wurde ein Tochtergeschwulst im Gehirn entdeckt. Anfang September musste er sich deshalb einer Kopf-Operation unterziehen.
"Am Anfang war alles ganz gut", erinnert sich die Ehefrau. Doch dann habe sich der Zustand ihres Mannes verschlechtert. Bei einer Fahrt zum Arzt stürzte er beim Aussteigen aus dem Bus, konnte nur mit fremder Hilfe wieder aufstehen. Mittlerweile kann Frederick Miller überhaupt nicht mehr alleine gehen oder stehen. "Die Beine halten mich nicht mehr", sagt der 76-Jährige. Auch Gleichgewichtsstörungen hat er. Selbst das Aufsetzen im Bett schafft er nicht alleine. Der Medizinische Dienst hat inzwischen Pflegegrad 3 erkannt.
Doch wie kommt man mit dieser Diagnose nun an praktische Hilfe? Diese Redaktion hat für Isolde Miller zum Hörer gegriffen und in der Geschäftsstelle des Pflegebeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, dem Landtagsabgeordneten Peter Bauer (Freie Wähler), angerufen. Er schreibt auf seiner Homepage, dass ihm die Patientinnen und Patienten sowie pflegebedürftige Menschen und deren Angehörigen "sehr am Herzen liegen". Die Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle ist sehr freundlich und würde gerne auch helfen. Aber sie sagt: "Wir können auch nur Adressen von Pflegediensten zur Verfügung stellen." Das fehlende Pflegepersonal sei ein Problem, um das sich die Politik kümmern müsse.
Betroffene sollen immer wieder bei Pflegediensten nachfragen
Zweiter Versuch: Wir rufen die Fachstelle für pflegende Angehörige, eine Einrichtung der Diakonie in Schweinfurt, an. In deren Werbeflyer heißt es, dass die Fachstelle unterstützende Dienste in allen pflegerelevanten Bereichen vermittelt. Laut telefonischer Auskunft konzentriert man sich aber in erster Linie auf die psychosoziale Begleitung von pflegenden Angehörigen. Man stelle auch Adresslisten von Hilfs- und Pflegediensten zur Verfügung, aber eine Pflegekraft könne die Fachstelle nicht organisieren.
Wir suchen weiter und landen beim Pflegestützpunkt Schweinfurt. Träger sind die Kranken- und Pflegekassen, die Stadt und der Landkreis Schweinfurt sowie der Bezirk Unterfranken. Hier gibt es vielfältige Unterstützung für pflegende Angehörige, aber keine Vermittlung von Pflegediensten. "Wir beraten, welche Hilfsmöglichkeiten es gibt und stellen Adresslisten zur Verfügung", erklärt die freundliche Pflegeberaterin, die tagtäglich von Hilfesuchenden mit solchen Problemen konfrontiert wird. Die Leute seien schon dankbar, überhaupt eine Adresse zu bekommen, die sie anfragen können. In Schweinfurt seien alle Pflegedienste überlastet, vor allem seit die Diakonie ihren ambulanten Dienst eingestellt hat. Das Stadtgebiet sei eine "absolute Katastrophe". Die Pflegeberaterin rät Betroffenen, nicht aufzugeben und immer wieder aufs Neue bei den Pflegediensten nachzufragen. Manchmal gebe es auch spontan freie Kapazitäten.
Isolde Miller hat sich in ihrer Not schließlich an das Seniorenbüro der Stadt Schweinfurt gewandt und wurde zurück an den Pflegestützpunkt verwiesen. "Es ist schon traurig, wenn man von einem zum anderen geschickt wird", meint die 66-Jährige resigniert. Aufgeben will sie aber nicht, sondern den Rat der Pflegeberaterin befolgen und alle Pflegedienst-Adressen von Neuem abtelefonieren. "Vielleicht habe ich ja doch noch Glück."
Als Pflegekraft kann man es sich heute aussuchen, wo man arbeiten möchte und es gibt einfach insgesamt zu wenig von ihnen.
Die, die dem Beruf den Rücken gekehrt haben, wird man kaum für eine Rückkehr gewinnen können, dafür um nachhaltig aus dem Ausland zu rekrutieren, sind die Arbeitsbedingungen in Deutschland nicht attraktiv genug und egal wie viele Menschen wir hier selbst in den Pflegeberufen ausbilden, es werden angesichts der demografischen Entwicklung nie genug sein.
35 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, vorzeitige abschlagsfreie Renteneintritte, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, etc. - es gibt genug Möglichkeiten, den Beruf attraktiver zu gestalten
Wenn wir es weiterhin nicht schaffen, der immer größer werdenden Zahl an Pflegebedürftigen die dringend benötigten Pflegenden gegenüberzustellen, dann haben wir als Gesellschaft versagt.
Um das zu verhindern, muss man den Beruf attraktiver gestalten. Und da ist auch die 35 Stundenwoche eine Überlegung wert - die AWO Augsburg macht's vor:
https://www.bibliomed-pflege.de/news/35-stunden-woche-fuer-das-pflegepersonal
Dass solche Verbesserungen unser aller Geld kosten, liegt auf der Hand. Aber das muss es uns wert sein oder sollen wir Pflegebedürftige und deren Angehörige sich selbst überlassen? Jeder von uns kann jederzeit auf Pflege, ob direkt oder indirekt, angewiesen sein.
Wir laufen hier sehenden Auges ins Verderben. Es ist an der Zeit, dass den vollmundigen Ankündigungen aus der Politik endlich Taten folgen
am Besten studieren
und wenn was arbeiten
dann nur mit einer gscheiten WorkLifeBalance...
so wird das nix...