Oberwaldbehrungen will ein Energiedorf werden. In dem kleinen Ort am Rande der Rhön soll ein Nahwärmenetz gebaut werden, das die Einwohner unabhängig von Öl und Gas macht. Drei Viertel aller Haushalte wollen sich anschließen lassen, freut sich Bürgermeister Steffen Malzer. Er hat die Idee gemeinsam mit seinem Stadtratskollegen Julian Lörzel entwickelt und ist vom Erfolg seines Vorhabens selbst überrascht.
190 Einwohner zählt der Ostheimer Ortsteil, der idyllisch zwischen dem Besengau und der Vorrhön liegt. Auch hier blicken die Menschen mit Sorge auf den nahenden Winter und die Entwicklung der Energiepreise. Steffen Malzer und Julian Lörzel wollen ihren Heimatort daher vom Verbrauch fossiler Brennstoffen abnabeln. Und geben dabei Vollgas: Anfang November soll eine Genossenschaft für das Nahwärmenetz gegründet werden, im kommenden Jahr wird großflächig gebaut: ein Heizkraftwerk am Bolzplatz und Leitungen in die Häuser.
Ab 2024 wird, wenn alles glattgeht, das Netz die meisten Haushalte im Ort mit Wärme versorgen. 47 Hausbesitzer haben dafür bereits verbindlich eine Absichtserklärung unterschrieben. "In zwei Jahren werden nur noch wenige Schornsteine in Oberwaldbehrungen rauchen und Kohlendioxid in die Luft blasen", blickt Steffen Malzer zuversichtlich voraus. Und auch im Nachbardorf Unterwaldbehrungen, das zur Gemeinde Bastheim gehört, gibt es reges Interesse an einer Anschlussmöglichkeit.
Julian Lörzel aus Oberwaldbehrungen: "Gemeinsam kann man Großes schaffen"
Es war Steffen Malzer selbst, der den Ball für ein Nahwärmenetz in seinem Wohnort ins Rollen gebracht hat. Auf der Suche nach Alternativen für seine eigene 25 Jahre alte Ölheizung beschloss er, die Nachbarn zu fragen, ob sie ebenfalls Interesse an einer neuen Heiztechnik haben. Schnell nahm die Idee für ein gemeinsames Netz Gestalt an.
Ortssprecher Julian Lörzel brachte schließlich Dynamik in die Sache. "Man muss das Rad nicht neu erfinden", sagt der Oberwaldbehrunger mit Blick auf das Energiedorf Großbardorf, "aber man kann gemeinsam Großes schaffen." Ein genossenschaftliches Nahwärmenetz für den ganzen Ort ist in Planung und kommt für viele Familien zur rechten Zeit. Denn die Angst, die Heizkosten nicht mehr stemmen zu können und im Winter in einer kalten Wohnung sitzen zu müssen, lässt Hausbesitzer derzeit neu denken.
Bauunternehmer Lörzel selbst ist überzeugt von Nahwärme als alternativer Energieform und hat sein neu gebautes Mehrfamilienhaus in Ostheim an das dortige Netz angeschlossen.
Wie die Pläne für ein Nahwärmenetz Gestalt annahmen
Im Juli hatten die beiden Oberwaldbehrunger ihre Mitbürger zu einem Infoabend eingeladen, der alle Erwartungen weit übertroffen hatte. Ein Aushang am Schwarzen Brett genügte, um das örtliche Dorfgemeinschaftshaus bis auf den letzten Platz zu füllen.
Malzer und Lörzel hatten die Veranstaltung gut vorbereitet: Als Experte stand Markus Euring, gebürtiger Bastheimer und Projektingenieur für Nahwärmenetze bei der Firma Enerpipe aus Hilpoltstein, den Interessierten Rede und Antwort. Und auch Energieberater Benjamin Schultheis aus Mellrichstadt sowie Elektronik-Fachmann Klaus Büttner aus Oberwaldbehrungen brachten ihre Expertise ein.
Das zahlte sich aus. Die Idee zündete bei den Dorfbewohnern, die in der Folge gerne das Angebot annahmen, ihre Häuser begutachten zu lassen und mit den Fachleuten abzuklären, ob ein Anschluss an ein Nahwärmenetz möglich und von Vorteil ist.
"Wir haben 60 mögliche Anschlüsse im Ort, inklusive Kirche, Pfarrhaus und Feuerwehrhaus", hat Julian Lörzel ermittelt. Zu allen privaten Hausbesitzern nahm er Kontakt auf, fragte ab, welche Heizungen installiert sind und ob Interesse an einem Anschluss besteht. An Ende standen 47 Zusagen. Lediglich 13 der privaten Haushalte wollen nicht mitmachen, und für manche öffentlichen Gebäude ist ein Anschluss nicht möglich. "Aber alle Befragten waren sehr aufgeschlossen und haben sich für das Engagement bedankt", so Lörzel.
Neue Energieversorgung: Wer jetzt nicht mitmacht, ist außen vor
Auch Matthias Manger, Fachmann für Heizungsbau in Mellrichstadt, hat sein Scherflein dazu beigetragen, dass die Zahl der Anschlussnehmer gewachsen ist. Er hat alle Interessenten persönlich beraten, geprüft, was umsetzbar ist und welche Kosten auf die Hauseigentümer zukommen. "Mindestens sieben Dorfbewohner, die keine Zentralheizung haben, haben sich für einen Anschluss an das Nahwärmenetz entschieden", sagt Steffen Malzer. Zuvor hatte Manger geprüft, welche Förderquote jeder einzelne erhalten könnte. "Das hat viel zur Entscheidungsfreudigkeit der Interessenten beigetragen", sagt Julian Lörzel.
Die Dorfbewohner mussten sich schnell entscheiden, ob sie energetisch handeln wollen. Denn wer jetzt nicht mitmacht, ist außen vor. Ein Anschluss zu einem späteren Zeitpunkt, wenn das Netz bereits ausgebaut ist, ist laut Malzer und Lörzel nicht mehr möglich.
Ostheimer Bürgermeister Steffen Malzer: "Eine zukunftsweisende Entscheidung"
Für die beiden hat dieses neue Projekt in Oberwaldbehrungen in etwa die Tragweite, die der Wasseranschluss vor knapp 70 Jahren im Dorf hatte. "Damals wurde infrage gestellt, ob man überhaupt Wasserversorgungsleitungen für alle Haushalte braucht", weiß Malzer aus Erzählungen von früher. "Das ist heute ähnlich, aber für mich ist das Nahwärmenetz eine zukunftsweisende Entscheidung. Es wird den Bürgern einen Komfort bieten, den viele wahrscheinlich noch gar nicht abschätzen können."
Malzer wertet es für sich und die anderen Anschlussnehmer als großen Vorteil, dass sie künftig nicht mehr den Markt beobachten müssen, um Preise für Öl, Pellets oder Gas zu eruieren. Um alles, was mit dem Nahwärmenetz zusammenhängt, kümmert sich in Zukunft die Genossenschaft. Dafür werden 10.000 Euro Startkapital fällig: 2000 Euro als Genossenschaftsanteil, 8000 Euro für den Anschluss inklusive Übergabestation. 35 Euro kostet die monatliche Grundgebühr, pro Kilowattstunde werden dann noch etwa neun Cent fällig, rechnet Julian Lörzel weiter vor.
Hackschnitzel kommen aus dem Stadtwald von Ostheim
Als Standort für das zentrale Heizhaus, das mit Hackschnitzeln, eventuell gekoppelt mit Solarthermie, betrieben werden soll, ist der Bolzplatz auf dem Areal des TSV Ober-/Unterwaldbehrungen festgelegt. "Die Hackschnitzel, die wir benötigen, beziehen wir vor Ort. Ostheim verfügt über 770 Hektar Stadtwald, da bleibt die Wertschöpfung zu 100 Prozent in der Region", verspricht Steffen Malzer.
Julian Lörzel rechnet damit, dass pro Jahr etwa 500 Festmeter Holz für die Hackschnitzel gebraucht werden. "In Relation sind das zehn bis zwölf Lkw-Ladungen, die verheizt werden", zeigt er auf.
Was noch möglich ist, um Oberwaldbehrungen zum Energiedorf zu machen, klopft Julian Lörzel derzeit ab. Seit dem ersten Bürgertermin ist der Bürgervertreter beständig unterwegs, um Orte zu besuchen, wo Nahwärmenetze und weitere regenerative Energieformen erfolgreich umgesetzt werden beziehungsweise wurden. "Alles, was wir neu lernen und vorbildlich finden, fließt in unser Projekt mit ein. Da ist gerade richtig Schwung drin", sagt er begeistert.
Genossenschaftsgründung steht kurz bevor
Die Gründung einer Genossenschaft, die am 4. November erfolgt, steht als Nächstes auf dem Fahrplan. Parallel zur Planung werden derzeit auch bereits Förderanträge für die Umrüstung auf nachhaltige Energie gestellt.
Eines ist jetzt schon klar: Wenn das Netz fertig ist, müssen sich die Bürgerinnen und Bürger in Oberwaldbehrungen keine Sorgen mehr um die Versorgungssicherheit machen. Warmes Wasser wird durch den Ort gepumpt und für Behaglichkeit in den Häusern sorgen.
Für drei Oberwaldbehrunger kam das geplante Nahwärmenetz gerade noch rechtzeitig ins Spiel. Die Hausbesitzer hatten sich schon für eine neue Pelletheizung entschieden, die Förderbescheide lagen bereits vor. "Alle drei haben ihre geplanten Heizungen abbestellt und wollen Anschlussnehmer beim Nahwärmenetz werden", verrät Bürgermeister Steffen Malzer.
Gemeinsam mit Julian Lörzel steht er in der Pflicht: "Die Bürgerinnen und Bürger bringen uns großes Vertrauen entgegen. Jetzt müssen wir liefern!"