"Jetzt erkennt man die Vorteile vor der eigenen Haustüre. Das bestätigt uns in unserer Arbeit." Felix Schmidl, Geschäftsführer der Bioenergie Ostheim, ist zurzeit ein gefragter Mann. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger erkundigen sich nach Anschlussmöglichkeiten an das Ostheimer Nahwärmenetz. Das freut auch Bürgermeister Steffen Malzer, auch wenn er bedauert, dass der Grund dafür eine schreckliche Tragödie ist. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine und in der Folge immer höher steigenden Energiekosten suchen Hausbesitzer mit Öl- und Gasheizungen nach kostengünstigeren Alternativen. Und lassen prüfen, ob ein Anschluss an das Nahwärmenetz vor Ort für sie möglich ist.
"Vor elf Jahren wurde die Biogasanlage gebaut und das Nahwärmenetz installiert. Diese Entscheidung zeigt sich heute als zukunftsweisend, obgleich der Ölpreis damals bei knapp einem Euro lag", sagt Steffen Malzer in einem Gespräch mit dieser Redaktion.
Wird die Nahwärmeversorgung zum Standard in den Gemeinden?
Beim Blick in die Zukunft glaubt der Stadtchef, dass nun die Pionierarbeit geleistet werde für eine Versorgungsleistung, die einmal Standard werden könnte. Darin bestätigt hat ihn ein Gespräch mit einem Bürger. "Vor 70 Jahren wurde in den Rhöner Ortschaften diskutiert, ob eine umfassende Wasserversorgung und Kanalisation gebraucht wird, die Haushalte hatten damals ihre Klärgruben", schildert er. "Heute ist das nicht mehr wegzudenken. So könnte das auch mit dem Wärmenetz werden." Zahlreiche Verordnungen und damit verbundene Umrüstungen von Heizanlagen und Öfen bedeuten viel finanziellen Aufwand für einzelne Haushalte. "Beim Nahwärmenetz entfällt das. Für mich deutet alles darauf hin, dass die Bürgerversorgung in diese Richtung geht."
In den vergangenen Jahren wurden zumeist öffentliche Gebäude an das Netz angeschlossen, die Nachfrage bei Privathaushalten blieb eher verhalten. Das ändert sich gerade drastisch. Nicht nur der Klimawandel und die damit verbundene Abkehr von fossilen Brennstoffen sorgen für ein vermehrtes Interesse an der klimafreundlichen Energie. Vor allem der Krieg in der Ukraine lässt die Verbraucher umdenken. "Der Wunsch, die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl zu senken, befeuert gerade die Nachfrage nach einem Nahwärmeanschluss", so Malzer.
Dass der Preis für die Nahwärme in den vergangenen zehn Jahren nahezu gleich geblieben ist, mag so manchen Interessenten ebenfalls überzeugen. Wie auch die regionale Wertschöpfung. Laut Bürgermeister profitieren die Landwirte vor Ort von der Einrichtung, ebenso die Kommune durch die Gewerbesteuer. "Damit stärken wir Wirtschaft und Umwelt in der Heimat." Das Substrat für die Biogasanlage liefern 23 Landwirte aus Ostheim, Fladungen und Nordheim, die sich zur Bioenergie Ostheim GmbH zusammengeschlossen haben.
Kann das Nahwärmenetz in Ostheim erweitert werden?
Die Biogasanlage produziert Strom und Wärme. "Und zwar genug, um das Netz problemlos erweitern zu können", so Malzer. 64 öffentliche Gebäude und private Haushalte sind derzeit angeschlossen. Rund 100 Haushalte könnte das derzeitige Netz noch bedienen, bei entsprechendem Interesse ist auch eine Erweiterung in die Fläche möglich. In der Marktstraße haben in den letzten Wochen einige Hausbesitzer Interesse an einem Anschluss bekundet, weiß Felix Schmidl. Mit Kriegsbeginn sei das Interesse an der Nahwärmeversorgung dann explodiert, berichtet er im Gespräch mit dieser Redaktion.
"Mittlerweile klingelt das Telefon nahezu jeden Tag", sagt er. Und das nicht nur bei ihm, sondern auch bei Michael Gottwald, Abteilungsleiter Wärme der Rhöngas GmbH und zugleich Geschäftsführer der Biomasse Wärmeversorgung Ostheim, die das Nahwärmenetz betreibt. Die Gesellschaft setzt sich aus der Stadt Ostheim, der Bayerischen Rhöngas GmbH und der Bioenergie Ostheim GmbH zusammen.
Das Netz liegt in vielen Bereichen von Ostheim und kann bei entsprechender Nachfrage auch erweitert werden, sagt Steffen Malzer. Unproblematisch sind neue Anschlüsse in den ausgebauten Bereichen von der Biogasanlage bis in die Altstadt. Hier lässt sich das Netz einfach verdichten. Eine Erweiterung in die Fläche erfordert Planung, aber auch hier sieht Felix Schmidl keine Hindernisse. Auch nicht, was die Kapazität der Anlage angeht. "Selbst wenn wir 250 Anfragen hätten, könnten wir die Wärme mit Hilfe von erneuerbaren Energieträgern zur Verfügung stellen", sagt er gelassen.
Für Bürgermeister Steffen Malzer ist es wichtig, mit lokalen Planern den Weg hin zur Energie-Autonomie weiterzugehen. Für Ende des Jahres ist bereits geplant, im Zuge der Erneuerung der Wasserleitung in der Marktstraße das Nahwärmenetz vom Schlösschen bis zur Gaststätte "Erholung" auszubauen. "Das geht aber erst, wenn der Wurstmarkt vorbei ist", so Malzer. Schließlich können die erwarteten Besucherströme nicht auf einer Baustelle umherspazieren und dabei Ostheimer Leberkäs schlemmen.
Was macht die neue Technik im Gärproduktlager möglich?
Auf dem Gelände der Biogasanlage hingegen rollen jetzt schon die Baumaschinen. Derzeit wird ein zweites Gärproduktlager gebaut, informiert Felix Schmidl. Durch neue Technik sind dann bei gleichen Produktionskapazitäten deutlich mehr Speichermöglichkeiten für Gas gegeben, so dass die Biogasanlage bedarfsorientierter gesteuert werden kann.
Bis zum Winter, wenn wieder verstärkt Wärme gebraucht wird, ist alles fertig installiert, verspricht der Geschäftsführer der Bioenergie Ostheim. "Und Ostheim ist wieder einen Schritt weiter auf dem Weg, unabhängig von fossilen Brennstoffen zu werden."
Ein Lageplan zum bislang ausgebauten Nahwärmenetz findet sich auf der Homepage der Stadt Ostheim unter Bauen & Wohnen. Haushalte, die am Netz liegen, können sich unproblematisch anschließen lassen. Infos zum weiteren geplanten Ausbau gibt es bei der Stadt Ostheim.