Wir blicken zurück auf das Jahr 2015, als die Flüchtlingskrise in Deutschland ihren Anfang nahm. Lange bevor die ersten Asylbewerber nach Mellrichstadt kamen, bereitete sich die Stadt mit dem weit vorausplanenden Bürgermeister Eberhard Streit auf die neue Situation vor.
Die Oskar-Herbig-Halle war gut gefüllt, als der Bürgermeister die Strategie des Landkreises und der Stadt bekanntgab: nämlich die ehemalige Berufsschule zu einer Gemeinschaftsunterkunft (GU) umzubauen und viele Ehrenamtliche zur Unterstützung zu aktivieren, es waren über 100, die sich dann in verschiedene Helferlisten eintrugen: Es gab eine Begrüßungsgruppe, andere Gruppen sollten sich um Behördengänge kümmern, um medizinische Fragen, Fahrdienste, Kinderunterbringung in Kindergärten und Schulen, Hausaufgabenbetreuung oder Sprachkurse.
Engagiertes Solidaritätsteam
Die Gruppen agierten unter dem Begriff „Solidaritätsteam“, dem Helmut Dietz als Vertreter der Stadt bis heute vorsteht. Noch bevor die Gemeinschaftsunterkunft (GU) im Januar 2016 fertig war, kamen die ersten Flüchtlinge nach Mellrichstadt, und zwar so überraschend, dass das Haus in der Hainhofer Straße, welches der Landkreis angemietet hatte, noch nicht fertig renoviert war. Zahlreiche Helfer, darunter Bürgermeister Streit und sein Stellvertreter Thomas Dietz, packten am 9. und 10. September 2015 mit an, damit die ersten drei Familien einziehen konnten.
Sie sollten am 10. September gegen Abend kommen, kamen aber bereits um 11 Uhr, und da im Haus noch gearbeitet wurde, brachte man sie ins Kolpingheim. Es gab das erste gemeinsame Essen, dann Spiele für die Kinder im Pfarrgarten und einen ersten Rundgang durch die Stadt. Bereits hier trat Marianne Fritz in Aktion, die in Zukunft das Gesicht des Solidaritätsteams werden sollte, unterstützt von Christa Hein und Moni Markus, wobei Helmut Dietz der Ansprechpartner von Amts wegen blieb.
Alle kamen aus der Notunterkunft
Die Familien kamen alle aus der Notunterkunft Bad Neustadt und kannten sich nicht. Spätnachmittags wurde das Gepäck in die Unterkunft gebracht und die Zimmerverteilung vorgenommen. Erst viel später erzählten sie über ihre Flucht und die Beschwernisse dabei. Gut, dass mit Mustapha Honneineh schnell ein Dolmetscher für die arabische Sprache gefunden wurde, der die Flüchtlinge bis heute in schwierigen Fragen begleitet und unterstützt.
Es gab Begegnungstreffen untereinander und mit der Bevölkerung. Erinnert sei auch an die Nacht der Chöre des Mellrichstädter Sängervereins 2019, als eine ganze Gruppe von Flüchtlingen mit ihren heimatlichen Tänzen die Bevölkerung erfreute. Die Kinder wurden in den Kindergarten und dann in die Schule integriert und haben schnell die deutsche Sprache gelernt, die Eltern belegten Vhs-Sprachkurse.
Eigene Wohnungen
2017 durften sie in eigene Wohnungen, doch die Suche war schwer, noch schwerer die Arbeitssuche. Eine Familie zog zu Verwandten in Richtung Essen, die zweite Familie wohnt jetzt in Stockheim, die dritte der ursprünglichen Familien ist in Mellrichstadt geblieben. Die Syrer sind sehr freundlich und hilfsbereit, inzwischen wohnen weitere Familien und Einzelpersonen in der Stadt.
Sie sind gewohnt, sich zu treffen, entweder vor ihren Häusern oder man sieht sie auch in Mellrichstadt am Marktplatz. Meist spielen sie Backgammon oder erzählen, manchmal gesellt sich ein Einheimischer zu ihnen, mit dem sie sich gerne unterhalten.
Die einzige Verbindung zur Heimat ist das Handy, sie sind auch mit Freunden und Bekannten sehr gut vernetzt. Die Kinder besuchen einen Kindergarten, die Grund-, Mittel- und Realschule und das BBZ in Münnerstadt. Viele Männer haben den Führerschein hier gemacht und fahren eigene Autos. Die Bevölkerung unterstützte und unterstützt sie mit Möbeln, Kleidern, Fahrrädern, Spielsachen und anderen Gebrauchsgegenständen.
Wiedersehen am Marktplatz
Am Donnerstagabend trafen sich auf dem Mellrichstädter Marktplatz zwei Familien der ersten Stunde mit Marianne Fritz, von den Flüchtlingen „Marjan“ gerufen, dazu Christa Hein und Dolmetscher Mustapha Honneineh. Die Familie von Maamoun Al Mahamid wohnt in der unteren Hauptstraße in Mellrichstadt.
Neben Ehefrau Nesrin gehören Mohamed, 18 Jahre alt, zurzeit in der Ausbildung zum Sozialpfleger am BBZ in Münnerstadt, Abdulrahman, 15 Jahre, 8. Klasse Realschule, und Nesthäkchen Maria, drei Jahre, Kindergartenkind im katholischen Kindergarten, zur Familie. Maamoun Al Mahamid, gelernter Elektriker, hat vor zwei Jahren auf dem Campus in Bad Neustadt Arbeit gefunden.
Abdulrahman Karim von der zweiten Familie wohnt mit Ehefrau Baraa in Stockheim. Sie haben fünf Kinder: die Töchter Nour, Sara, Hala und Aishe und Sohn Mohamed. Nour und Hala besuchen die Mittelschule, Sara die Realschule. Aishe geht in die 1. Klasse der Alfred-Hauser-Schule in Ostheim und Sohn Mohamed in den Stockheimer Kindergarten.
Rund 150 Flüchtlinge in Mellrichstadt
Wie von Marianne Fritz zu erfahren war, befinden sich derzeit rund 150 Flüchtlinge in Mellrichstadt, davon etwa 80 in der GU. Es seien mehr einzelne Afrikaner hier, auch Familien aus Syrien, der Türkei oder aus Kasachstan würde wieder kommen.
Wenn Marianne Fritz und Christa Hein auf die Häuser um den Marktplatz deuten, haben sie in vielen dieser Häuser Flüchtlinge untergebracht. Auch in die ehemalige jüdische Mädchenschule, die vor einigen Jahren aufwändig restauriert wurde, sind Flüchtlingsfamilien eingezogen.