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Mellrichstadt
Medizinprojekt in der Rhön soll die Versorgung auch bei Ärztemangel sichern: 500.000 Euro Förderung für "VERAH am Ort"
Weil Hausärzte fehlen, können Patienten womöglich in einigen Jahren nicht mehr wohnortnah medizinisch versorgt werden. Ein Projekt im Streutal soll das verhindern.
Ein Hausarzt misst den Blutdruck (Symbolbild). Beim Projekt 'VERAH am Ort' sollen Versorgungsassistenten der Praxen im Streutal an zentralen Orten  Patienten betreuen.
Foto: Bernd Weißbrod, dpa | Ein Hausarzt misst den Blutdruck (Symbolbild). Beim Projekt "VERAH am Ort" sollen Versorgungsassistenten der Praxen im Streutal an zentralen Orten  Patienten betreuen.
Kristina Kunzmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:42 Uhr

Blutdruck messen oder eine Wunde versorgen lassen und dann wieder nach Hause laufen: Das ist bislang noch vielen Bewohnerinnen und Bewohnern in Rhön-Grabfeld dank ihres Hausarztes nahe am Wohnort möglich. Noch – denn es gibt immer weniger Hausärzte. Zwischen Fladungen und Heustreu sind es zwar derzeit noch acht Praxen, was eine Überversorgung bedeutet. Doch lediglich drei der Ärzte sind jünger als 65 Jahre. Nachfolger sind dort wie in ganz Rhön-Grabfeld oft nur schwer zu finden.

"Wenn da zwei Praxen zumachen, stehen von heute auf morgen Tausende Patienten auf der Straße und haben keine Versorgung", sagt Werner Palancares aus Willmars. Auf Initiative von Palancares und dem Unternehmer-Netzwerk HeimatUnternehmen wird aktuell im Streutal das Projekt "VERAH am Ort" vorbereitet. Es soll die Versorgung der Patienten auch bei einem Ärztemangel gewährleisten.

Eingebunden sind unter anderem die Streutalallianz sowie das Zentrum für Telemedizin in Bad Kissingen. Die Universität Bayreuth begleitet das Projekt wissenschaftlich. Alle Ärzte im Streutal unterstützen die Initiative. Direkt in dem Studienprojekt verankert sind die Ärzte Dr. Michael Günther und Ute Schloe (beide Mellrichstadt) sowie Marcus Memmler (Ostheim) und die VERAHs (Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis) ihrer Praxen.

Worum geht es bei "VERAH am Ort"?

VERAHs sind speziell weitergebildete medizinische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hausarztpraxen. Sie übernehmen Hausbesuche, für die es nicht zwingend einen Arzt braucht. Dabei führen sie medizinische Leistungen durch, die zuvor von dem Arzt, bei dem sie angestellt sind, an sie delegiert wurden. Wenn nötig, nehmen die VERAHs über Telefon oder Telemedizin Kontakt zum Mediziner auf, die medizinische Verantwortung bleibt bei ihm.

Mittels Telemedizin (Symbolbild) kann die Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH) Patientendaten mit dem Arzt austauschen.
Foto: Isolde Krapf | Mittels Telemedizin (Symbolbild) kann die Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH) Patientendaten mit dem Arzt austauschen.

Der Unterschied zwischen "VERAH am Ort" und dem ursprünglichen Konzept der VERAH-Hausbesuche ist der Ort, an dem die VERAH die Patienten versorgt: Nicht wie bisher bei ihnen zu Hause, sondern in zentralen Räumen, die in verschiedenen Gemeinden eingerichtet werden sollen. "Dadurch sollen sich Fahrzeiten verringern und Ärzte entlastet werden", sagt Palancares. "Der Leistungsrahmen und die zugesprochenen Kompetenzen und Aufgaben der VERAH bleiben dieselben", erklärt Gesundheitsökonomin Julia Bräuer von der Universität Bayreuth.

Die "VERAH am Ort"-Räume seien nicht für die allgemeine Bevölkerung gedacht. Sondern nur für Patientinnen und Patienten, die normalerweise von den VERAHs ihres Hausarztes bei Hausbesuchen versorgt werden würden, aber noch mobil genug sind, um einen nahegelegenen "VERAH am Ort-Raum" erreichen zu können. Nötig ist außerdem, dass der jeweilige Hausarzt seinem Patienten die neue Versorgungsform empfiehlt.

Wie finanziert sich das Projekt?

2022 beschäftigte sich die Universität Bayreuth damit, wie das Projekt umgesetzt und finanziert werden kann. Der Freistaat Bayern förderte dies mit 50.000 Euro. Für die weitere Finanzierung habe das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege noch einmal 500.000 Euro zugesichert, berichtet Werner Palancares. Sie sollen unter anderem für die weitere wissenschaftliche Begleitung und die Auswertung des Projekts genutzt werden. Außerdem sollen mit dem Geld die Ärzte für die Leistung der VERAHs vergütet werden.

Welche Hürden gibt es?

Das ist erforderlich, weil die Ärzte diese Leistung bisher nur abrechnen können, wenn die VERAH den Patienten zuhause besucht. Wenn sie aber die Person in einem zentralen Raum versorgt, ist dies noch nicht möglich. Derzeit würden noch Gespräche mit den beteiligten Akteuren wie der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Hausärzteverband laufen, um diese und andere offene Fragen zu klären, so Werner Palancares. Ziel sei es, zu beweisen, dass sich das Projekt medizinisch eignet und dass es wirtschaftlich durchführbar ist. 

Wie beurteilt die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) das Projekt?

"Vonseiten der KVB begrüßen wir generell alle Initiativen, die der Verbesserung der wohnortnahen ambulanten Versorgung dienen, und schätzen das Engagement, mit dem die Ärzte und andere Akteure in der Region innovative Möglichkeiten für die Sicherung medizinischer Versorgung schaffen wollen", schreibt KVB-Pressesprecher Martin Eulitz auf Nachfrage dieser Redaktion.

Vor dem Hintergrund des Nachwuchsmangels seien gerade in Regionen abseits der großen Metropolen auch neue Wege gefragt. Aktuell suche man das Gespräch mit den Akteuren vor Ort, um offene Fragen zu klären. "Wie lange dies dauern wird, können wir nicht prognostizieren", so der KVB-Pressesprecher.

Wann könnte es los gehen mit "VERAH am Ort"?

Auch wenn zum Beispiel die Zahl der Räumlichkeiten und andere Detailfragen noch ungeklärt sind, prüfen verschiedene Streutalgemeinden momentan Räumlichkeiten für den Einsatz der VERAHs. Wenn alle offenen Fragen mit den Beteiligten rechtzeitig geklärt werden können, soll laut Werner Palancares am 22. Mai 2023 in Stockheim der erste VERAH-Raum eröffnet werden.

 
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  • helgas
    Das Konzept wird in vielen "Dritte - Welt" Länder von verschiedenen Hilfsorganisationen erfolgreich seit vielen Jahren praktiziert. Es gibt ein Gemeinschaftshaus bzw ist das meist nur ein Raum. Da kommt alle 2, 3 Wochen die Gemeindeschwester und stellt somit die medizinische Versorgung sicher.
    Habe ich im Himalaya mehrfach gesehen.
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