Ein neuer Knoten im Netz – so beschreibt Florian Schüßler, Geschäftsführer des Caritas-Kreisverbands Main-Spessart, das neue Angebot im Pflegestützpunkt Gemünden. Eine psychosoziale Beratung erweitert das Netz, das pflegende Angehörige im Landkreis Main-Spessart auffangen soll, um den Knotenpunkt Gemünden. Dort bietet Lena Sebold, bereits zuständig für die Fachstelle für pflegende Angehörige der Caritas in Karlstadt, ab sofort einmal im Monat diese Beratung an.
Den Pflegestützpunkt kontaktierten seit seiner Eröffnung im Oktober 2021, das berichtet Leiterin Melanie Sommer, 2855 Ratsuchende. Oftmals seien psychosoziale Entlastungsgespräche gefragt gewesen. Wegen des vermehrten Bedarfs und da schon reger Austausch zwischen den Beratungsstellen bestand, lag es nahe, Sebold regelmäßig auch nach Gemünden zu holen, berichtet Sommer.
Über alles sprechen können
Menschen, deren Angehörige gepflegt werden, können mit Sebold über alles sprechen: Etwa darüber, wie schwierig es ist, von der Rolle des Kindes in die Rolle der oder des Fürsorgenden zu wechseln, oder über die hohe körperliche Belastung beim Pflegen. Häufig gehe es um Demenz, berichtet Sebold, und damit auch um die Trauer um den erkrankten Menschen. "Eine ganz besondere Herausforderung", sagt Sebold, weshalb Angehörige von Menschen mit Demenz im Fokus des neuen Angebots stehen.
Es gehe in den Beratungsgesprächen aber auch um finanzielle Einbußen und die aufreibende Organisation der Pflege. Sebold kann auch dabei unterstützen, die eigenen Grenzen zu bestimmen und setzen, wenn man beispielsweise jeden Tag von den Eltern angerufen wird. "Manchmal ist es gar nicht so bewusst, was die Probleme sind", berichtet die Sozialpädagogin außerdem von ihren bisherigen Erfahrungen aus der Beratung. "Dann muss man sortieren, was ärgert mich am meisten, was muss ich akzeptieren, wo kann ich Abhilfe schaffen." Die hohe Belastung könne nur ganz nachvollziehen, wer selbst pflegende Angehöriger ist oder war oder vom Fach ist. "Dann fehlen den Angehörigen oft die Gesprächspartner, die das kennen", so Sebold. Auch Scham sei oft ein Thema.
Für die Terminvereinbarung ist es nicht wichtig, ob man selbst in die körperliche Pflege eingebunden ist, ob der oder die Angehörige stationär oder ambulant gepflegt wird oder im eigenen Zuhause lebt. Das neue Angebot soll möglichst niedrigschwellig sein. Es gibt keine Begrenzung für die Anzahl der Gespräche, jedes von ihnen dauert bis zu einer Stunde. Florian Schüßler von der Caritas betont, dass man mit diesem Angebot die Angehörigen in der Lebenslage erreichen wolle, in der diese stehen, und ein "Ohr des Zuhörens" bieten möchte. Das schließt auch pflegefachliche und -rechtliche Beratung nicht aus. Diese Gesprächsthemen könne man in der Praxis ohnehin nicht genau trennen, sagt Sebold.
"Große Probleme von unten auffangen"
Landrätin Sabine Sitter ordnete das neue Angebot, als es am Montag im Pflegestützpunkt vorgestellt wurde, in den Gesamtkontext ein. Viele ältere Menschen wollen und sollen heute möglichst lange im eigenen Zuhause leben. Zugleich könnten viele Pflegeplätze nicht vergeben werden, weil das Personal fehle. "Deswegen müssen wir wesentlich mehr Manpower geben, um Angehörige zu unterstützen", so Sitter. So solle "ein tragfähiges Netz" entstehen, "um die großen Probleme, die wir haben, von unten versuchen aufzufangen." Auch den Sozialstationen helfe das Angebot, da Pflegepersonal kaum die Möglichkeit hätten, Entlastungsgespräche mit Angehörigen zu führen, obwohl sie es gerne würden.
Am großen Rad drehen könne der Landkreis jedoch nicht. "Ich muss aus meiner Brille schauen, was kann ich tun: Basisarbeit, niederschwellig, den Leuten was an die Hand geben", so Sitter. In Zukunft würden aber auch die Angehörigen wieder mehr Verantwortung übernehmen müssen.
Die meisten Leute können sich keinen Altenplatz leisten, weil die Plätze viel zu teuer sind. Hier gehört mal der Riegel vorgeschoben. Nur vom reden wird es auch nicht besser.