In ihren zwölf Jahren bei der Bundeswehr musste Kerstin Deckenbrock viel Dreck fressen. Wer aber als Sanitätssoldatin im Jugoslawienkrieg stationiert war, dem machen ein paar Gerüchte im Wahlkampf wenig aus. Angeblich hätte sie Kippe rauchend, in Jogginghose in Triefenstein Flyer verteilt, erzählt Deckenbrock. Sie lacht. Einerseits rauche sie nicht, andererseits musste sie halt am Anfang alles selbst machen, so ganz ohne Partei. "Ein bisschen Dreck gehört dazu. Ich hätte es sogar schlimmer erwartet."
Kerstin Deckenbrock steht am Beckenrand des Triefensteiner Waldbads, als sie davon erzählt. Hinter ihr springen im Sommer Kinder vom Fünf-Meter-Turm. Beinahe jedes Wochenende passt sie auf, dass nichts passiert. 90 Stunden in vier Monaten, alles ehrenamtlich. Es gebe einen extremen Zusammenhalt im Verein, erzählt Deckenbrock. "Meine Nachbarn hab ich erst im Waldbad richtig kennengelernt. Das hier, das ist meine Freizeit."
Deckenbrock: Müssen Sponsoren für das Waldbad finden
Die Main-Post hat jeden der vier Bürgermeisterkandidaten auf eine Tour durch Triefenstein eingeladen. Die Stopps durfte jeder der vier selbst auswählen. Die Idee dahinter: Die Kandidaten sollten Brennpunkte klar benennen, Lösungen aufzeigen und sich voneinander abheben. Kerstin Deckenbrock hat das Waldbad als Startpunkt gewählt. Die 47-Jährige sagt: Ein Schwimmbad werfe eigentlich nie Gewinn ab, aber wie jedes Unternehmen in der freien Wirtschaft brauche auch das Waldbad Investitionen. Dafür will sie Sponsoren die Tür einrennen. Drei, vier, fünf Mal, wie sie sagt. "Ich hätte auch kein Problem damit, dem Bad einen anderen Namen von Sponsoren zu geben, damit wir das Geld für die neue Technik zusammenbekommen."
Hinfahren, machen und nicht nur Briefe schreiben. So ließe sich der Führungsstil von Kerstin Deckenbrock zusammenfassen. "Es gibt aktuell wichtigeres für einen Bürgermeister als Weinflaschen zu verteilen" Sie habe kein Problem damit, sagt sie, einmal im Monat im Bauhof mitzuarbeiten, um zu sehen, wie man zum Beispiel Straßen flickt. "Durch meine Zeit beim Bund bin ich wahrscheinlich die einzige Kandidatin, die alle Fahrzeuge im Bauhof fahren darf", sagt sie und lacht. Zu den Führerscheinen kommen noch neun weitere Abschlüsse dazu, unter anderem zur Arzthelferin, zum Betriebswirt und schließlich zur HR-Managerin, als welche sie gerade in einem mittelständigen Betrieb mit 450 Mitarbeitern arbeitet. Sie sagt: "Ich will keinen Stillstand."
Die Brücke als Symbol für ein vereintes Triefenstein
Als zweiten Stopp hat sich Deckenbrock die Brücke über den Main ausgesucht, die die Ortsteile Trennfeld und Rettersheim verbindet. Auf den Weg dahin würde sie "alles außer depressiver Musik" hören. Sie wählt "The Git Up" von Blanco Brown und erzählt von ihrem Sohn, der will, dass sie sich um einen ordentlichen Jugendraum kümmert. Die Brücke, sagt sie, sei die einzige Verbindung der Gemeinden. "Das ist ein Symbol für mein Motto 'Aus 4 mach wir'." Deckenbrock ist parteilos ins Rennen um den Bürgermeisterposten gestartet, sie will eine Kandidatin ohne Ortsfärbung sein. Das bräuchte es, um ihr Motto voll auszufüllen, glaubt sie. "Man muss das große Ganze sehen, um ein 'wir' zu erreichen."
Wie genau sie dieses "Wir" schaffen will? Man müsse bei einem neuen Job erst einmal gründlich Inventur machen, wie in der freien Wirtschaft. Mit einem Fünf- bis Zehnjahresplan würde sie dann wirtschaftliche Transparenz schaffen und warum sollte man nicht zu ein paar Themen die Bürger fragen, was deren Prioritäten sind. "Viel Geld ist nicht da, aber das was man hat und das was man aus Förderungen abschöpfen kann, müssen wir klug und nachhaltig verplanen." Von außen habe sie leider wenig Einblick in die finanzielle Situation der Gemeinde. "Ich wage aber zu behaupten, dass da noch einiges drin ist."
- Lesen Sie auch: Wahl in Triefenstein: Deckenbrock mit genug Unterschriften
Dass sie vorher nicht im Gemeinderat saß, empfindet Deckenbrock nicht als Nachteil, im Gegenteil. "Die Leute wollen etwas neues", sagt sie, als wir in Richtung Rettersheim aufbrechen. Ihr Idealbild vom Gemeinderat sei, dass nicht nur alle Orte, sondern alle Berufs- und Bevölkerungsgruppen im Gemeinderat vertreten sind – vom ITler über den Handwerker bis zum Lehrer. Wir halten an der Bocksbergkapelle. Von hier hätte man einen guten Ausblick über ganz Triefenstein, sagt Deckenbrock. Es ist ein weiteres Symbol für den Zusammenhalt.
Deswegen hat sie hier mit ihren Listenkandidaten Werbefotos geschossen. Alle seien über Mundpropaganda auf sie zugekommen, erzählt sie. "Ich sage ja nichts neues. Alle anderen sehen das gleiche, trotzdem zieht sich in Triefenstein alles ewig hin." Triefenstein müsse attraktiver werden, wünscht sich Deckenbrock. Gaststätten, Ärzte , über 100 Vereine: "Wir haben viel, aber wir brauchen mehr Bau- und Gewerbegebiete." Das Gebiet in Trennfeld könnte man beispielsweise ausbauen. Genügend Fläche gebe es ja.
- Lesen Sie auch: Wer kandidiert auf der Liste von Kerstin Deckenbrock?
In ihren Wahlkampf hat Deckenbrock bereits etwa 2000 Euro gesteckt. Sie mache alles alleine, von der Anmeldung der Liste bis zum Aufstellen der Stühle bei der Nominierungsversammlung. Haben ihr anfangs noch die Fußballfreunde des Sohnes beim Verteilen der Flyer geholfen, unterstützen sie bei ihrer Kandidatur zur Bürgermeisterin inzwischen nicht nur ihre Listenkandidaten. "Ich werde von Tag zu Tag mehr gepusht von den Leuten, die mich einfach so unterstützen. Mir macht das Spaß, ich will das werden."
- Das müssen Sie wissen: Die Kommunalwahl 2020 in Bayern
- Lesen Sie auch: Was heißt Panaschieren, Kumulieren und Listenwahl?
- Bürgermeister: Unterschiede zwischen Ehrenamt und Hauptamt
- Wie funktioniert eigentlich die Briefwahl?
- Die Ergebnisse der Kommunalwahlen 2014 in Unterfranken