Dem Blick in die Ferne bietet sich eine Panorama-Landschaft voll fränkischer Schönheit. Das Auge sieht auf das südliche Maintal, am Horizont erblickt man den Höhenrücken zwischen Marktheidenfeld und Wertheim. Das „Himmelreich“ an der Urpharer Mainschleife vervollständigt die Rundumsicht.
Der hier erwähnte Standpunkt befindet sich am südöstlichen Rand des Rettersheimer Hausberges, dem 255 Meter hohen Bocksberg, wo in einem Landschaftsschutzgebiet Gold-Distel und Küchenschelle blühen. An diesem gesegneten Fleckchen Erde steht seit einigen Wochen die neue Bocksberg-Kapelle, Rettersheims derzeit einzige Feldkapelle. Wie anderswo im Fränkischen ist auch dieses kleine Kulturdenkmal ein Zeichen tiefer Volksfrömmigkeit.
Pläne bestanden seit langem
In der Vergangenheit war in Bürgerversammlungen in dem 530 Einwohner zählenden Triefensteiner Ortsteil immer wieder mal bedauernd angesprochen worden, dass es in Rettersheim nicht so wie in Nachbargemarkungen eine Flugkapelle gebe und ein solches Denkmal der Dorfgemeinschaft gut täte. Getan hatte sich jedoch lange nichts – bis der Technische Angestellte Helmut Deubert das Thema wieder aufgriff. Sein Freund, der Architekt und spätere Triefensteiner Gemeinderat Hubert Hofmann, signalisierte seine planerische Unterstützung.
Doch ernste gesundheitliche Probleme lassen bei Helmut Deubert (65) und seiner Frau Elisabeth (63) das Projekt verständlicherweise zunächst einmal in den Hintergrund treten.
Die Genesung hat Vorrang. Wieder gesund, empfinden die Deuberts tiefe Dankbarkeit. Nun macht Helmut Deubert, der beruflich bei der „Stadtbau GmbH“ in Würzburg tätig war und mittlerweile Rentner ist, Nägel mit Köpfen. Obwohl er so etwas wie ein handwerklicher Alleskönner ist, weiß er: er kann so ein Vorhaben nicht alleine realisieren.
Deubert spricht seine Rentnerkollegen Albrecht Kaufmann, ein gelernter Maurer, und Albrecht Haber an, ob er mit ihrer Unterstützung rechnen dürfe. Kaufmann und Haber überlegen nicht lange und sagen kurzerhand ihre Mithilfe zu. „Da sind wir natürlich dabei!“
Woche für Woche im Einsatz
Gemeinde und Landratsamt segnen das „Plänchen“ ab, die „Aktion Flurkapelle“ kann anlaufen. Hubert Hofmann zieht ein fachmännisches Schnurgerüst – und dann nimmt das kleine Bauwerk Gestalt an. Woche für Woche werden die Ärmel hoch gekrempelt und Stein auf Stein gesetzt. Als Helmut Deubert bei verschiedenen Firmen in der Region um materielle oder finanzielle Unterstützung bittet, stößt er auf offene Ohren.
Spontane Hilfe leisten das Bauzentrum Kuhn (Lengfurt), die Firma Fenster-Paul (Marktheidenfeld), der Malerbetrieb Huth, die Schlosserei Friedrich Kraft (beide Trennfeld), die Schlosserei Berthold Eyrich und die Zimmerei Ulrich Behl (beide Rettersheim).
Welche Freude bei Helmut Deubert, als ihm die 93-jährige Rettersheimerin Adelheid Mohr für die Kapelle eine „Muttergottes-Statue“ schenkt – das religiöse i-Pünktchen des kleinen, schmucken Bauwerks.
Helmut und Elisabeth Deubert weisen ausdrücklich darauf hin, dass das kleine Kulturdenkmal der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Sie wünschen sich, dass zu der rund eineinhalb Kilometer vom Dorf entfernten Kapelle künftig auch Bitt- oder Fronleichnams-Prozessionen führen werden. Die Familie will die Kapelle und deren Umfeld pflegen und unterhalten, „so lange es unsere Gesundheit zulässt“. Volle Unterstützung erfährt die Aktion von der Tochter der Familie, Sonja Liebler, die dem Pfarrgemeinderat von Rettersheim vorsteht.
Einweihung am Sonntag
Der Pfarrgemeinderat lädt nun die gesamte Bevölkerung am Sonntag, 24. September, um 15 Uhr zur Segnung der Bocksberg-Kapelle durch Pfarrer Matthias Wolpert ein. Anschließend sind alle zu einem gemütlichen Beisammensein eingeladen.