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Burgsinn
Taxifahrer kritisiert: Mitfahrstühle unbeliebt und Geldverschwendung
Taxiunternehmer Uwe Reuffurth aus Burgsinn sagt: Er und seine Fahrer hätten noch nie jemanden auf den "Fahrstühlen" sitzen sehen. Die Allianz sieht sie als Erfolg.
'Da sitzt nie jemand drauf', kritisiert Taxiunternehmer Uwe Reuffurth die Mitfahrstühle aus dem Sinngrund (hier ein Exemplar in Gemünden).
Foto: Björn Kohlhepp | "Da sitzt nie jemand drauf", kritisiert Taxiunternehmer Uwe Reuffurth die Mitfahrstühle aus dem Sinngrund (hier ein Exemplar in Gemünden).
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:14 Uhr

Er fahre nun wahrlich viel durch den Sinngrund mit seinem Taxi, sagt der Burgsinner Taxiunternehmer Uwe Reuffurth. Aber noch nie habe er dabei jemandem auf einem der blauen Mitfahrstühle des Mitnahmenetzwerks "Fahrstuhl" gesehen. Auch seine elf Taxifahrer nicht. Er kritisiert das 2018 gestartete Projekt als reine Geldverschwendung und ärgert sich, dass die Verantwortlichen der Sinngrundallianz solche offenbaren Misserfolge als Erfolg hinstellen. "Hier wurden Steuergelder sinnlos verbrannt", findet Reuffurth.

Allianzvorsitzende Zita Baur hingegen sieht die Fahrstühle als Erfolgsgeschichte. Mittlerweile seien 36 Stück aufgestellt, auch schon im Hessischen, in Frammersbach und Partenstein. "Wir kriegen Anrufe von überall her." Konkret werde der Fahrstuhl von Burgsinn nach Fellen "ganz gut frequentiert", sagt sie. Sie selbst nutze ihn und auch eine Fellenerin, die selbst kein Auto hat, fahre nur noch damit. Eine Meinung wie die von Uwe Reuffurth sieht sie als Einzelmeinung. Bei jedem Projekt gebe es auch immer negative Stimmen. Sie stehe zu 100 Prozent dazu. Außerdem seien durch Förder- und Preisgelder wieder viel Geld an die Allianz zurückgeflossen.

Schon über 300 Unterschriften gegen Geldverschwendung gesammelt

Taxifahrer Reuffurth sagt, er habe inzwischen mit einer Unterschriftenliste schon über 300 Unterschriften in Burgsinn gesammelt. Die Liste richtet sich gegen die Fahrstühle und andere Projekte, die aus seiner Sicht Geldverschwendung sind, dazu zählen etwa die "blaue Telefonzelle" in Burgsinn, die nicht genutzt werde, aber auch Stühle, Tische und Liegen im Burgsinner Park. Solche Gelder und Gelder, die aus der Gemeindekasse in den Topf der Sinngrund-Allianz fließen, sollten nicht mehr bewilligt werden, heißt es auf der Liste.

Uwe Reuffurth aus Burgsinn.
Foto: Björn Kohlhepp | Uwe Reuffurth aus Burgsinn.

Burgsinn könnte das Geld gut für das Schwimmbad oder die Erweiterung des Kindergartens brauchen. Er selbst veranstaltete vergangenes Jahr zwei Wohltätigkeitsfeste im Biergarten des ehemaligen Gasthauses am Schlosshof und spendete den Erlös, insgesamt 2570 Euro, je zur Hälfte dem Schwimmbad und dem Kindergarten. "Ich tue was für die Kommune."

Für Reuffurth war das Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt

Für ihn war das Fahrstuhl-Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt. "Wer setzt sich denn als vernünftig denkender Mensch auf einen nasskalten Stuhl?" Heute habe doch jeder ein Handy. Der Sinngrund habe von diesen Stühlen überhaupt keinen Nutzen. Er habe seine Fahrer gebeten, mal zu zählen, wie viele Personen auf diesen Stühlen auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Reuffurth: "Es gibt nichts zu zählen, weil sie noch nie jemanden auf den Fahrstühlen sitzen gesehen haben."

Michael Schnall von der VG Burgsinn hält dem eine kleine Umfrage im Herbst 2018 unter allen Haushalten im Sinngrund entgegen. Von den sechs Prozent der Haushalte, die teilgenommen haben, hätten 23 Prozent angegeben, den Fahrstuhl schon benutzt zu haben, 13 Prozent sogar mehrfach. Umfragebögen mit negativen Kommentaren seien nur von solchen Leuten gekommen, die den Fahrstuhl bislang weder als Fahrer noch als Mitfahrer benutzt hätten. Eine abschließende Umfrage zum Projekt soll es vor Ende der Zweckbindungsfrist 2024 geben.

Marketingeffekt für den Sinngrund

Seit 2017 habe der Sinngrund einen nicht monetär bezifferbaren Marketingeffekt durch das Projekt erfahren, so die Einschätzung Schnalls. Unzählige Veröffentlichungen, Presseberichte, Fernseh- und Rundfunkbeiträge hätten den Fahrstuhl, aber auch den Sinngrund bekannt gemacht.

Als einzige Gemeinde im Sinngrund entschied sich Obersinn mit einer Ratsentscheidung von 5 zu 6 gegen eine Teilnahme am Fahrstuhl-Projekt. Andernorts im Landkreis, etwa in Karlstadt mit seinen Ortsteilen, gibt es mittlerweile ebenfalls ein solches Projekt. Politiker würden sich mit Artikeln über den angeblichen Erfolg der Stühle und Bänke wichtig machen, findet Reuffurth.

Hätte es eine Bank aus dem Baumarkt auch getan?

Die Fahrstühle, hergestellt von der Firma Spessart-Holz in Kreuzwertheim, kosten pro Stück laut Schnall brutto rund 750 Euro. Für Reuffurth ein Wahnsinn – eine Bank aus dem Baumarkt für 80 Euro hätte es auch getan. Obendrein sei einer der Stühle in Aura schon in einem schlechten Zustand, die Rückenlehne aufgeplatzt. Er fürchtet, dass jetzt irgendwer auf die Idee kommen könnte, aus seiner Sicht noch mehr Geld rauszuwerfen und die Stühle zu überdachen.

Schnall hingegen rechnet vor, dass, wenn man Förder-, Spenden- und Stiftungsgelder berücksichtigt, jeder Stuhl die teilnehmenden Kommunen nur etwa 70 Euro brutto gekostet habe. Die Gesamtausgaben des Projekts für unter anderem Stühle, Flyerboxen, Grafikarbeiten, Werbemittel, Website-Erstellung lagen bislang bei gut 32 000 Euro. Reuffurth hingegen ist der Meinung, dass auch Fördergelder – im vorliegenden Fall knapp 16 000 Euro Leader-Mittel – letztlich der Steuerzahler bezahle.

Die Adelsberger seien schlauer gewesen, findet der Taxiunternehmer. Sie hätten für den gleichen Zweck einfache Gartenstühle aus Plastik aufgestellt, die vielleicht 15 Euro kosteten. "Dort sitzt auch nie jemand", so Reuffurth, "nur kostet dort das Nichtsitzen auch nichts Wesentliches."

Er fürchte die Fahrstühle nicht als Konkurrenz zu seinen Taxis. Es sitze ja eh niemand drauf. Er habe in der Vergangenheit sogar zwei Jahre lang einen Asylbewerber jeden Samstag von Rengersbrunn kostenlos mit zum Einkaufen nach Burgsinn genommen. "Er saß auch mal kurz auf dem Mitnahmestuhl in Rengersbrunn bis der Hosenboden nass war, aber niemand hatte ihn mitgenommen."

Die vegetarische Variante des Sinngrundbörgers.
Foto: Jennifer Weidle | Die vegetarische Variante des Sinngrundbörgers.

Burgsinns Bürgermeister Robert Herold sagt zu Reuffurths Unterschriftenliste: "Mir hat er noch keine vorgelegt." Er wisse aber natürlich, worum es geht. Er sieht Projekte der Sinngrundallianz wie den Fahrstuhl positiv, die Gemeinden müssten durch eine hohe Förderung jeweils nur einen Bruchteil der Kosten tragen. Vor allem seien die Projekte gut, um den Sinngrund bekannter zu machen. Deswegen seien die Stühle nicht nur dazu da, um von A nach B zu kommen.

"Den Nutzen der Allianz erkennen viele Leute noch nicht", vermutet Herold. Aber wenn man Burgsinn bewerbe, sei das weniger sinnvoll, als wenn man dies für den ganzen Sinngrund tue. Er räumt aber auch ein: "Das große Leuchtturmprojekt haben wir noch nicht gefunden." Zu den Möbeln im Burgsinner Park sagt Herold, dass der Vorschlag der Initiative Burgsinn im Gemeinderat für sinnvoll erachtet wurde und man deshalb für 12 000 bis 13 000 Euro die Liegen, Tische und Bänke beschafft habe.

Reuffurth: Mit dem "Sinngrundbörger" wird Geld verbraten

Reuffurth kritisierte in einem Leserbrief auch den "Sinngrundbörger", bei dem Geld für Werbematerial "verbraten" werde. Der Bevölkerung im Sinngrund bringe der Burger, der ja nicht überall verfügbar sei, gar nichts, glaubt er, sondern lediglich einem Bäcker und einem Gastwirt – Robert Herold merkt an, dass Kräuter und Gemüse aus Hohenroth, Kartoffeln aus Mittelsinn und das Fleisch von zwei hiesigen Metzgern komme. Reuffurth bezweifelt zudem, dass jemand extra dafür in den Sinngrund komme. Allianzvorsitzende Zita Baur hingegen lobt den Burger als "ganz tolles Projekt". Solche Projekte bewirkten ja auch, dass Menschen zusammenkommen und neue Dinge entstünden. Zum Leserbrief Reuffurths und zwei weiteren, die offenbar auf Reuffurths Betreiben geschrieben wurden, möchte sich Baur nicht äußern.

Er sei nicht grundsätzlich gegen die Sinngrundallianz, sagt Uwe Reuffurth, er habe nur etwas gegen Geldverschwendung. Das sei sein Antrieb für seine Kritik an Fahrstuhl und Sinngrundbörger und für die Unterschriftenliste.

 
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  • E. M.
    Startet hier eine neue Serie, in der jeder Bürger Main-Spessarts von der Main-Post die Möglichkeit bekommt, seine Meinung über dies oder das in seiner Gemeinde, seine Stadt, Main-Spessart oder der Welt kund zu tun?
    Nach dem Taxifahrer, kommt morgen der Beamte, übermorgen der Metzger und dann die Hausfrau, die hier ihre Stammtischparolen („Gartenstuhl aus Plastik tut es auch!“) zum Besten geben dürfen, da offensichtlich ihnen sonst keiner zu hört?

    Am 15.03.2020 sind Kommunalwahlen. Hier hätte man kandidieren können, um bei einer Wahl dann mit Taten zu überzeugen.

    Aber Dank diesem Artikel ist mir eins klar: Lieber mit dem blauen Stuhl nach Rieneck zum Burgeressen als mit einem Taxi grinsen
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  • S. C.
    @fammueller:

    Anscheinend kennen Sie diesen H. Reuffurth nicht?
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  • K. S.
    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
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  • J. S.
    Zu wildfremden mir nichts dir nichts ins Auto steigen, ist das eine.
    Warten auf den Sankt Nimmerleinstag, das andere. Früher nannte man dies "trampen", dazu brauchte es aber keine Stühle. Einfach hinstellen und Daumen hoch.
    Und dabei den anderen Daumen drücken, dass man mit genommen wird. Aber man/Mann/Frau hatte bei Fremden immer ein "komisches" Gefühl im Magen. Ich bin kaum getrampt. Dann schon lieber mit dem Bus. Der war bzw. kam langsam, aber sicher. Das gleiche ist auch mit den sogenannten Fahrgemeinschaften. Da muss halt alles, aber wirklich alles stimmen und Verlass drauf sein. Alles andere ist "Show" und Anfangsbegeisterung. Da gibt es das Sprichwort: Jemanden im Regen stehen lassen. Auch das gilt heute auch für die Autofahrer. Wenn lass ich da rein. Ich erinnere an den Polizeibericht aus Lohr, der Anhalter mitgenommen hatte und die haben ihm Schmuck im Werte von über 30000 Euro geklaut. Oder die mitgenommen Anhalter in Neuendorf. Einfach diesbezügliche Polizeiberichte lesen.
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  • c. k.
    Wo Sie Recht haben, da haben Sie Recht!!

    Wir leben auf dem Land und wer da an der Bushaltestelle steht wird mitgenommen wen ich die Person kenne.Mag ich diese Person nicht kann die bis zum Sankt Nimmerleinstag auf dem blauen Stuhl sitzen,da nehm ich die nicht mit!!!
    Unseren Kindern lernt man nicht mit Fremden zu gehen aber auf den blauen Stuhl dürfen sie sich setzen??

    Das Projekt läuft ja jetzt schon einige Zeit und auch ich habe noch keinen auf einem blauen Stuhl sitzen sehen und übrigens in Karlstadt auf der Mitfahrbank auch noch nicht!!

    Wer läuft den als Senior z.B.in Mittelsinn durch den ganzen Ort um sich auf den Stuhl zu setzen?Da nehme ich doch lieber den Bus ab Ortsmitte ,außerdem funktioniert im Dorf der "Buschfunk" noch und man wird immer mitgenommen wen man will und fragt.

    Wann bekommt zwecks Gleichberechtigung eigentlich der Penny einen blauen Stuhl oder war das nur kostenlose Werbung für tegut???
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