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Trampen mit dem Fahrstuhl
Wer auf dem „Fahrstuhl“ sitzt, will mitgenommen werden. Der „Fahrstuhl“ auf unserem Bild ist nur ein einfacher Stuhl. Aber mit ihm demonstrieren Romy Engel, Lukas Weis und Sebastian Schneider vom Planungsbüro Toponeo in Burgsinn an der Straße nach Fellen, wie es funktioniert.
Foto: Klaus Gimmler | Wer auf dem „Fahrstuhl“ sitzt, will mitgenommen werden. Der „Fahrstuhl“ auf unserem Bild ist nur ein einfacher Stuhl.
Klaus Gimmler
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:28 Uhr
„Es soll ein Angebot sein für alle, die es wollen.“
Planer Sebastian Schneider über das Fahrstuhl-Projekt

Es ist ein spannendes Projekt, das ab kommenden Herbst in den Sinngrundgemeinden gestartet wird. Es werden in den Orten sogenannte Fahrstühle aufgestellt. Wer sich auf diesen setzt, signalisiert dem vorbeifahrenden Autofahrer, dass er gerne mitgenommen werden will. „Es ist eine Art legalisiertes Trampen“, sagen Romy Engel und Sebastian Schneider vom Planungsbüro Toponeo.

Die beiden sind überzeugt, dass in einer Gegend, in der in manchen Orten nur noch einmal am Tag ein Bus fährt, es einen großen Bedarf nach Mitnahme zum nächsten Ort gibt. Das Trampen sei aus der Mode gekommen. „Ich sehe keinen Tramper mehr“, sagt Schneider und er vermutet, dass es mit negativen Assoziationen verbunden ist. Wer trampt, kann sich kein Auto leisten und wenn, dann macht das nur die Jugend, heißt es.

Das Trampen „legalisieren“

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Daher will Schneider mit dem Projekt Fahrstuhl das Trampen von diesem negativen Bezug befreien und es seinen Worten zufolge „legalisieren“. Niemand könne sich eine Rentnerin am Straßenrand stehend vorstellen, die ihren Daumen herausstreckt. Dass sie sich auf den Fahrstuhl setzt, könnte dagegen funktionieren. „Es soll ein Angebot sein, für alle, die es wollen.“ Die zirka 29 Fahrstühle – darunter auch mobile in den angrenzenden Orten – werden ab Herbst an den Ortsausgängen (vergl. Grafik) fest installiert. Damit ist für den Autofahrer klar, in welche Richtung der Mitfahrende mitgenommen werden will.

Schneider erinnert sich an seine Jugend, als er von Fellen nach Burgsinn getrampt ist. Es seien oft die gleichen Leute gewesen, die zu einer bestimmten Zeit vorbei gefahren sind und die ihn mitgenommen haben. Zudem kenne man sich gegenseitig in kleinen Dörfern und die Bereitschaft, sich zu helfen, sei groß. Das „Mitnahmenetzwerk Fahrstuhl: Sinngrundexpress“, wie es offiziell heißt, könne daher auch das Miteinander stärken.

Projekt von Toponeo

Der Fahrstuhl ist nur ein Projekt, welches das von der Sinngrundallianz beauftragte Planungsbüro „Toponeo“ in Burgsinn vorantreibt. Ende August 2016 wurde der Auftrag an Toponeo vergeben. Die Sinngrundmanager Romy Engel und Sebastian Schneider sollen Projekte entwickeln, um die Region für Bewohner, Gewerbetreibende und Touristen attraktiv zu gestalten. Dazu gehört auch der sogenannte „Sinngrundbörger“ zur Stärkung der regionalen Identität. Es gibt eine wöchentliche Bürgersprechstunde und einmal im Monat trifft sich der „Club der Visionäre“. Da können engagierte Bürger ohne Vorbehalte ihre Ideen vorbringen, die später mit den Bürgermeistern besprochen werden.

Der Fahrstuhl – Sinngrundexpress ist ein LEADER-Projekt und erhält dadurch knapp 16 000 Euro EU-Fördermittel. Diese dienen zur Anschaffung der Stühle, aber auch zur Erstellung von Aufklebern, Flyern, Postern und zur Veranstaltung von Aktionstagen. Zudem steuern die Sinngrundgemeinden einen Teil der Finanzierung bei, allerdings hat die Gemeinde Obersinn überraschend ihre Zustimmung zum Projekt verweigert. Mit knapper Mehrheit war sie nicht bereit, den auf die Gemeinde anfallenden Anteil von 1857 Euro zu zahlen.

An dem Projekt werde trotzdem festgehalten, betont Schneider und auch Obersinn soll seine Fahrstühle bekommen. Die dadurch entstandene Finanzierungslücke soll mit einer Spende aufgefangen werden.

Mitnahmebänke werden populärer

Die Idee zum Fahrstuhl ist nicht neu. In vielen Gemeinden in der Eifel, in Nordhessen und Ostdeutschland hat eine Mitfahrerbank einen festen Platz am Straßenrand. Solche Bänke haben sich zu einem altersübergreifenden Treffpunkt gemausert, an dem spontan Fahrgemeinschaften entstehen. Oft schon nach wenigen Minuten werden die Wartenden mitgenommen. Es funktioniert vor allem deshalb, weil in Dörfern jeder jeden zumindest vom Sehen kennt. Man muss gar nicht weit schauen, um ein gelungenes Beispiel für eine Mitnahmebank zu finden. In Gemünden gibt es das Mäuerchen an der Plattnersgasse neben dem Marktplatz. Dorthin stellen sich alle, die mit ins Saaletal, nach Seifriedsburg, Aschenroth, Neutzenbrunn oder Reichenbuch genommen werden wollen. Auch wer in sein Heimatdorf mit dem Auto zurückfährt, schaut gerne dort vorbei, um jemanden mitzunehmen. Das stärkt die Dorfgemeinschaft. Auch in Ramsthal (Lkr. Bad Kissingen) gibt es zwei Bänke für Leute, die mitfahren wollen. Es handelt sich dabei um ganz normale Bänke, an denen jeweils ein Schild angebracht ist mit einem „Daumen raus“, so wie es die Tramper tun. Durchgesetzt hat sich das Angebot dort allerdings noch nicht, weil ein überörtliches Konzept fehlt. Das heißt: Leute ohne Auto kommen zwar leicht aus Ramsthal hinaus, aber nur schwer zurück. GI
 
 
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Kommentare
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  • J. N.
    Zitat:"Die beiden sind überzeugt, dass in einer Gegend, in der in manchen Orten nur noch einmal am Tag ein Bus fährt, es einen großen Bedarf nach Mitnahme zum nächsten Ort gibt." Nach der Einführung der Mitfahrstühle/Mitfahrbänke fährt dann keinmal am Tag ein Bus. Das muss klar sein.
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