
Entspannt stehen die Streetart-Künstler Jamie und Stefanie Scanlon am Donnerstagnachmittag an dem Baustellenzaun in der Gemündener Ladestraße – zu ihren Füßen eine knapp fünf mal drei Meter große Betonwand mit dem Abbild des Cyborgs "RoboCop 2". Als Cyborg wird ein Mischwesen aus biologischem Organismus und Maschine bezeichnet. Das zwei Meter hohe Kunstwerk hat der britische Künstler, der mit seiner Frau im Steinfelder Ortsteil Hausen lebt, erst im vergangenen Juni gesprayt, jetzt musste es einem Discounter-Neubau weichen.
"Es ist wie verhext", sagt Scanlon in breitem bristolischem Englisch, "bei mir zu Hause bleiben meine Werke viel länger erhalten, hier ist irgendwie der Wurm drin". So wurden Werke des international bekannten Sprayers in Lohr und Karlstadt bereits Opfer von Schmierereien – oder gleich komplett zugebaut.
Nun also der Abriss der Agrar-Lagerhalle, auf der Scanlon neben dem Antagonisten "RoboCops" auch den mechanischen Protagonisten des Science-Fiction-Films "Nummer 5 lebt!" gemalt hat. "Johnny 5", wie der Roboter im US-amerikanischen Original heißt, konnte als Blickfang an der B26 etwas mehr an Popularität gewinnen. Fast drei Jahre lang war er an der Einfahrt gegenüber dem Getränkemarkt Weimann zu sehen.
Sowohl der Eigentümer als auch die Stadt Gemünden möchten Kunstwerke erhalten

Doch Abbruchleiter Martin Lorey, der mit einem Kollegen auf der Baustelle zugange ist, hat gute Neuigkeiten: Am Donnerstagmorgen seien sowohl der Bauhof der Stadt Gemünden, als auch der Eigentümer der ehemaligen Halle Markus Streng auf ihn zugekommen und hätten ihren Willen bekundet, die beiden bemalten Wandplatten zu übernehmen, um die Kunstwerke so für die Öffentlichkeit zu erhalten.
Jamie Paul Scanlon hält Aufwand für unverhältnismäßig, fühlt sich aber geehrt
"Ich halte jetzt nicht viel davon, aber das ist Ansichtssache", beschwert sich der Bauhandwerker in Gegenwart Scanlons über den Mehraufwand. Der lacht nur zustimmend. Auch er schätzt den Aufwand für die noch relativ jungen Werke als unverhältnismäßig ein: "Die Wände zu transportieren und irgendwo aufzustellen, würde wahrscheinlich 5000 Euro kosten – für 1000 Euro würde ich sowas in dieser Größe auch neu malen", rechnet der Künstler.
Dennoch rührt ihn das Interesse an seiner Kunst: "Ich bin ein bisschen überwältigt, dass sie die Werke retten wollen. Das ist natürlich eine Ehre, über die ich sehr glücklich bin." Wie in Lohr, wo zahlreiche Werke der Scanlons im öffentlichen Raum zu bewundern sind, fühle er sich auch von den Verantwortlichen Gemündens wertgeschätzt und hat in der Stadt bereits einige neue Projekte geplant. Eigentümer öffentlich einsehbarer Wandflächen dürften sich darüber hinaus gerne jederzeit für ein kostenfreies "Straßenkunstwerk" bei ihm melden.
Eigentümer will die Kunstwerke in neuen Getränkemarkt integrieren, die Stadt am Skaterplatz
Wo seine beiden Roboter am Ende landen werden? Der Künstler ist gespannt. Markus Streng, der Eigentümer der Wände, erklärt auf Anfrage der Redaktion, dass sie wahrscheinlich in den geplanten Neubau des Getränkemarkts Weimann oder an dessen Parkplatzanlage integriert werden sollen. Für Streng sind die Kunstwerke, die die Scanlons mit seinem Einverständnis angebracht hatten, "Teil der Firmenhistorie". Er wäre jedoch bereit, der Stadt eine der Wandplatten zu überlassen.
Das sind Lösungen, die Gemündens Bürgermeister Lippert begrüßt: "Wenn Herr Streng als Eigentümer beide Kunstwerke wieder verwendet, so ist das auch in Ordnung." Der Stadt sei es lediglich um den Erhalt der Kunstwerke gegangen. "Es wäre viel zu schade, diese zu entsorgen. Insofern sollten diese Platten auf jeden Fall erst mal gesichert werden", erklärt Lippert. Als möglichen Verwendungsort wäre für ihn der Bereich eines angedachten städtischen Skaterplatzes denkbar: "Das würde thematisch auch ganz gut passen."
Am Montag sind die beiden Platten vom Abbruchgelände verschwunden. Gemündens Bürgermeister schätzt, dass Streng sie im Sinne der laufenden Arbeiten in Sicherheit bringen ließ. Man werde mit dem Eigentümer Kontakt aufnehmen und darüber sprechen, wie es mit den Kunstwerken weitergehen soll.