Wohl seit Mitte Juli ist die knapp einjährige Wildsau verschwunden. Dieses kunstvoll gemalte Tier des international bekannten britischen Graffiti-Künstlers Jamie Paul Scanlon und seiner Frau Steffi aus Lohr zierte eine Wand am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) in Lohr. Nun steht an der Stelle ein Stromkasten, und die Sau ist weg.
Ein Aufreger ist das in der Facebookgruppe "MainLohr Aktuell". Man schreibt über Veranstaltungen, den Stadtstrand, Corona, die Festwoche, Kunst und Kultur. Und eben über die Wildsau, die offensichtlich schon Kultstatus erreicht hatte. Feine Art, Blick fürs Detail, richtig toll heißt es in den Kommentaren. "Wer kommt auf die Idee, das wegzumachen?" fragt ein Gruppenmitglied in die Runde. Von Rücksichtslosigkeit gegenüber den Künstlern ist die Rede, aber auch von Verständnis für die Stadt, die sicher alle Möglichkeiten für geeignete Standorte geprüft habe.
Dieter Daus von der Stadt Lohr bedauert die Entwicklung und weist auf das Projekt des Citymanagements hin, in dessen Rahmen vor einigen Jahren verschiedene für Street Art geeignete Flächen zur Verfügung gestellt wurden. Darunter war auch die Fläche am ZOB. Der neue Stromkasten diene der Ladesäule des E-Busses, der den Stadtverkehr bedient, so Daus. Der Standort des hierfür notwendigen Verteilerkastens sei die einzig mögliche Stelle, da sich im Untergrund um das Gebäude bereits jede Menge Leitungen befinden würden. Die Stadt als Grundstückseigentümerin habe dazu einen Gestattungsvertrag mit dem Energieversorger geschlossen.
"Sehr schade" sei es, dass das "wirklich ansprechende" Objekt durch den Kasten teilweise verdeckt und nun auf Wunsch der Künstler überstrichen worden sei. Citymanagement, Bürgermeister und Künstler seien im Austausch gewesen. "Wir hätten die beiden gerne noch besser unterstützt", beteuert der Hauptamtsleiter.
Der Stadt dankbar
Steffi Scanlon erzählt, dass sich ihr weit über die Grenzen Lohrs bekannter Mann Jamie gerne von der Natur inspirieren lässt. Da biete sich im Spessart ein Wildschwein an. Sie seien sehr froh gewesen, als von Bürgermeister Mario Paul das Okay gekommen sei. Dieser sei ein großer Befürworter ihrer Kunst und habe sich bei ihnen schon mehrmals für den Vorgang entschuldigt. Die Stadt habe sogar Wände für Street Art vorbereitet und gestrichen, wofür sie sehr dankbar seien. Schwierig sei die Situation auch rund um das Feuerwehr-Graffito (wir berichteten) und beim Schneewittchenprojekt am Kaibach. Dort gebe es häufig Schmierereien, es fehle der Respekt, und sie wünschten sich, dass öffentlich nach den Übeltätern gesucht würde.
Die Flächen zum Malen werden zwar kostenlos zur Verfügung gestellt, die Materialien müssen aber selbst bezahlt werden. Da ist eine lange "Haltbarkeit" wünschenswert. "Wenn unsere Arbeiten nicht kostenlos wären, würde die Kunst von allen Seiten eventuell mehr geschätzt werden, und es würde nicht so leichtsinnig damit umgegangen", meinen Jamie und Steffi Scanlon. Es müsse doch ein Budget für Kunst und Kultur geben. Gerade in Zeiten wie diesen seien sie vermehrt auf öffentliche Aufträge angewiesen, da Privatpersonen gerade weniger Geld für Kunst ausgeben. Sie seien im Moment nicht motiviert, die vorhandenen Flächen aus eigener Tasche zu gestalten. "Wer weiß, was als Nächstes passiert?"
Idee: Werke über die Stadt verteilt
Wie man Street Art vermarkten könnte, darüber haben sich die Scanlons auch schon Gedanken gemacht. Sie beschreiben einen "Street Art Trail", den sie aus England kennen. Das Ganze könnte wie eine "Kunstschnitzeljagd" aufgezogen werden. Viele verschiedene Kunstwerke über die ganze Stadt verteilt – das würde nicht nur den Tourismus ankurbeln, sondern sicherlich auch die Einwohner begeistern. Die Standorte könnten auf einem Stadtplan eingezeichnet werden, der bei der Touristinformation frei erhältlich ist, und schon könnten sich Groß und Klein auf die Suche machen und dabei nicht nur die Kunstwerke entdecken und fotografieren, sondern auch die Stadt kennenlernen und in den lokalen Geschäften einkaufen. Es sieht so aus, als ob Jamie und Steffi Scanlon Lust hätten, da mitzumachen.
Übrigens: Fans der Wildsau sei verraten, dass sie sechs Geschwister hat, die unter anderem in Erlenbach und Wiesenfeld zu finden sind.
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Aber dann hätte man ja denken müssen , um eine passende Lösung zu finden !
Manches Mal fragt man sich!