Prüfend nimmt der Streetart-Künstler Jamie Paul Scanlon, kurz JPS, sein jüngstes Werk in Augenschein. Ein lebensgroßes Abbild eines Gladiators im antiken Rom – oder zumindest ein Abbild davon, wie sich amerikanische Fernsehmacher die Berufskämpfer heute vorstellen. Der Mann, der da am sogenannten "Bunker" am ehemaligen Schwenk-Hafen seit kurzem mit bohrendem Blick in Richtung des Karlstadter Freibads blickt, ist nämlich nicht irgendein Gladiator.
"Das ist Spartacus aus der Serie Spartacus: Blood and Sand, dargestellt von Andy Whitfield", erklärt der Brite Scanlon, der seit Ende 2016 mit seiner Frau Stefanie im Steinfelder Ortsteil Hausen lebt, in breitem bristolischem Englisch. Die Serie habe ihm gut gefallen und das tragische Schicksal Whitfields, der nach der ersten Staffel einem Krebsleiden erlag, habe ihn dazu inspiriert, diesem in Form von Streetart ein Denkmal zu setzen – beziehungsweise eine ganze Reihe an Denkmälern.
Doppelgänger von JPS' Karlstadter Spartacus gibt es auch in Norwegen und England
Zunächst 2014 auf der norwegischen Insel Utsira, 2015 in seiner Heimatstadt Weston-super-Mare sowie im nahegelegenen Bristol und nun eben in Karlstadt. Scanlons Methode, mit wiederverwendbaren Schablonen zu arbeiten, macht es ihm möglich, mit der Zeit eine kleine Armee an Doppelgängern seiner Motive zu schaffen. Der Doppelgänger in Karlstadt weist mittlerweile jedoch ein Merkmal auf, das ihn deutlich von seinen Vorgängern im europäischen Ausland unterscheidet.
Anstelle seines Kurzschwertes – einer angedeuteten Sica – hält der Gladiator in seiner Rechten jetzt nämlich einen bunten Strauß Blumen. "Es schmerzt mich, das sagen zu müssen, aber ich finde, der steht ihm richtig gut", sagt Scanlon mit einem leicht gequälten Lächeln. Gequält, da die Korrektur – oder in seiner Wahrnehmung "Zensur" – nicht seine Idee war. Vielmehr kam er damit dem Vorhaben der Stadt Karlstadt zuvor, sein Kunstwerk aufgrund der dargestellten Waffe durch Mitarbeiter des Bauhofs überstreichen zu lassen.
Stadt Karlstadt lobt Qualität des "Graffitis", wollte es wegen der dargestellten Waffe jedoch entfernen
Ein Schritt, der Uli Heck, geschäftsführendem Beamten der Stadt Karlstadt, durchaus Bauchschmerzen bereitet hätte: "Das ist natürlich ein Graffiti, was hochwertig ist, das haben wir schon auch gesehen. Aber die abgebildete Waffe an einem Ort, an dem sich Jugendliche aufhalten, ist ein Punkt, wo unsere Sicherheit und Ordnung einfach eine gewisse Problematik sieht." Wie Heck weiter erklärt, hatte man auch selbst mit dem Gedanken gespielt, lediglich das Schwert zu entfernen, diesen jedoch aufgrund des zu erwartenden Aufwands wieder verworfen.
Stein des Anstoßes für die Kontroverse gab eine Mitteilung vonseiten der Karlstadter Polizei, nach der ein Zeuge das frische "Graffiti" gemeldet hatte. Das Kunstwerk wird darin als "Sachbeschädigung" bezeichnet, durch die der Stadt Karlstadt "ein Sachschaden in Höhe von 500 Euro" entstanden sei. "Lächerlich", findet Scanlon. "Ich könnte das gesamte Werk in fünf Minuten und mit einem Kostenaufwand von fünf Euro wieder verschwinden lassen." Überhaupt habe er gedacht, dass ihm für das Sprayen an der Türe des alten Kransockels vonseiten der Stadt eine Erlaubnis vorläge.
Scanlons geben sich gegenüber der Stadt als Urheber zu erkennen und erreichen Kompromiss
Davon weiß Heck nichts, freute sich aber dennoch, als die Scanlons sich auf die Polizeimeldung hin von sich aus bei ihm meldeten und um einen Gesprächstermin baten. Sie einigten sich, dass das Werk bleibt und lediglich die Waffe durch etwas Harmloses ersetzt werden muss.
"Ich bin definitiv kein Fan von Zensur", betont Scanlon, den im Jahr 2010 eine Ausstellung des berühmten Streetart-Künstlers Banksy dazu inspiriert habe, selbst in dieser Kunstform aktiv zu werden. Seine Frau habe ihn letztlich davon überzeugt, dass dies ein sinnvoller Weg sei, seinen Spartacus zu retten. Eine Argumentation, der sich der Künstler fügt – hegt er doch fast väterliche Gefühle für seine Kreaturen – und damit erstmals in seiner Karriere ein fertiges Kunstwerk im Nachhinein noch einmal verändert.
Hier ist der Spartacus zu sehen:
Ein Bruch mit seinen Prinzipien, der dem 45-jährigen Briten sichtlich schwerfällt. Dabei könnten aus dem Missverständnis unerwartete Möglichkeiten erwachsen. Heck, der selbst im Lohrer Stadtteil Ruppertshütten wohnt, kennt die zahlreichen Werke, mit denen die Scanlons in den letzten Jahren die Schneewittchenstadt verschönert haben und deutet an, dass er sich eine solche Kooperation auch für Karlstadt vorstellen könnte.
Eine Idee, der Scanlon offen gegenübersteht. Das nächste größere Projekt in der Region habe er jedoch bereits für Lohr geplant – an einer Stelle, an der ihm das diesmal ausdrücklich erlaubt wurde. Ziel sei es aktuell, den Verlust einer größeren Anzahl an Werken wettzumachen, die an einem Standort in der Region kürzlich vom Eigentümer überstrichen worden waren. "Das war ein niederschmetterndes Gefühl, aber gleichzeitig auch ein Tritt in den Hintern, wieder mal so richtig aktiv zu werden"
Am Berliner Teufelsberg darf der Gladiator wieder seine Waffe tragen
Mittlerweile findet sich JPS' Spartacus auch in Berlin am Teufelsberg, einmal mehr auf einer Metalltüre. Dass sich dort zwischen zahllosen Graffitis jeden Genres jemand an dem Kurzschwert stören sollte und der Blumenstrauß wieder zum Einsatz kommen muss: eher unwahrscheinlich.
Auto ein Aufkleber sein
Achtung, kann eine tödliche Waffe sein.
Das war die typische Waffe für den dargestellten Gladiatorentyp.
Beste Grüße
Simon Hörnig
Redaktion
Als ob unsere Jugendlichen sonst keine "Waffen" in ihrem so wohlbehütetem Leben sehen würden. Was ist mit den Medien und ihren Kriegsberichten, was ist mit den Computerspielen, die sie spielen, oder gar der Nachwuchs im Schützenverein? Und da soll ihnen ein künstlerisch gezeichnetes Schwert eine mörderische Inspiration geben?
Bitte lasst die Kirche im Dorf bzw. das Schwert am Spartacus, alles andere ist lächerlich.
Wegen einem kleinen Schwert!
Das ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten und landet hoffentlich nicht bei Quer...