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Aschaffenburg
Solidarität mit Missbrauchsbetroffenen: Viel Applaus für Aschaffenburger Aktion
An drei Sonntagen fiel in der Aschaffenburger Gemeinde Maria Geburt die Eucharistie aus - zugunsten einer Aktion für Missbrauchsopfer. Was Betroffene zum Abschluss sagten.
Solidaritätsaktion in der Kirche Maria Geburt in Aschaffenburg-Schweinheim: Die Kerzen auf dem Altar sollten von Menschen aufgestellt werden, die selbst betroffen von Missbrauch sind - oder Opfer von Missbrauch kennen.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Solidaritätsaktion in der Kirche Maria Geburt in Aschaffenburg-Schweinheim: Die Kerzen auf dem Altar sollten von Menschen aufgestellt werden, die selbst betroffen von Missbrauch sind - oder Opfer von Missbrauch kennen.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:25 Uhr

Die Solidaritätsaktion für Missbrauchsbetroffene in der Kirche Maria Geburt in Aschaffenburg-Schweinheim ist nach drei Sonntagen beendet. Und der Initiator, Pfarrer Markus Krauth, stellt die Frage: "Was war das jetzt?"

Er selbst beantwortet seine Frage so: "Ein Gottesdienst." Alle seien an den drei Vormittagen gemeinsam im Raum versammelt gewesen, wie sonst auch: "Wir haben gehört – auf die Stimme Gottes." Und: "Wir haben geschwiegen – in der Gegenwart Gottes."

Nach der Veröffentlichung des erschütternden Münchner Missbrauchsgutachtens hatten der Aschaffenburger Pfarrer und das Gemeindegremium gemeinsam beschlossen: Es gibt an drei Sonntagen keine Eucharistiefeier. Dafür: Zuhören und Schweigen. Und Spenden für Betroffene. Am dritten Sonntag in Folge werden also in der Kirche bunte Teelichter angezündet – von Menschen, die Missbrauchsbetroffene kennen. Oder von Menschen, die sexualisierte Gewalt erlitten haben.

Cornelius Bönsch spielt auf seinem Cello Stücke von Bach, Ligeti und Berio. Erst zarte, leise Töne. Dann ruppige und laute, harmonische, dissonante, die auch klagend, bedrohlich und niederschmetternd wirkend. Der Nürnberger vermittelt die Gefühlslagen mit Musik.

Betroffener: Jahrelang den "Sexspielen" eines Priesters ausgeliefert

Und dann melden sich erneut Betroffene zu Wort. Eine Frau spricht von Seelenmord und fordert deshalb die Aufhebung der juristischen Verjährungsfrist.

Ein Mann erzählt, wie schwierig es gewesen sei, seiner Frau, seiner Familie zu sagen, was ihm in den 1960er Jahren als Internatsschüler passierte. Er habe Heimweh gehabt. "Ein Präfekt nahm mich unter seine Obhut." Er sei erst froh gewesen. Aber nicht darüber, "was dann geschah". Der Präfekt - "ein Pädophiler" - habe ihn nachts aus dem Bett in sein Zimmer geholt. Dort habe der Mann seine Soutane ausgezogen. "Darunter war er nackt." Über Jahre sei er schutzlos dem Priester und seinen  "Sexspielen" überlassen gewesen, berichtet der Mann.

Raum, um Betroffene zu hören: die Kirche Maria Geburt in Aschaffenburg. In der Gemeinde fand drei Mal anstatt des Sonntagsgottesdienstes eine Solidaritätsaktion mit den Missbrauchsopfern der katholischen Kirche statt.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Raum, um Betroffene zu hören: die Kirche Maria Geburt in Aschaffenburg. In der Gemeinde fand drei Mal anstatt des Sonntagsgottesdienstes eine Solidaritätsaktion mit den Missbrauchsopfern der katholischen Kirche statt.

Warum er so lange schwieg? Die Antwort auf seine Frage gibt der Betroffene selbst: "Ich habe geschwiegen, weil die Eltern mir nicht geglaubt hätten." Denn Priester hätten in seiner Familie als "etwas Heiliges, etwas Besonderes"  gegolten.

Betroffene Alexandra W. spricht Gemeinde direkt an

Auch Alexandra W., Betroffene im Bistum Würzburg, ist nach Aschaffenburg gekommen und beschreibt kurz, wie sie sich nach dem Missbrauch fühlte: "Liegen gelassen wie Müll." Dann spricht sie die versammelte Gemeinde in Maria Geburt direkt an. Es gebe eine  unsichtbare Grenze, die sie nicht durchbrechen könne. Sie sei zwar immer gehört worden, sagt Alexandra W. Doch dabei unverstanden geblieben: "Ich lief hinaus damals - aus meiner Gemeinde, aus dieser Kirche."

Doch nun, wie an diesem Sonntag in Maria Geburt, komme eine Gemeinde auf sie zu. Sie hätte solche Angst gehabt, "dass ihr uns da draußen komplett vergesst". Und auch sie fragt: "Geht ihr nach den drei Wochen jetzt wieder fort?" Albert Loy, der zweite Vorsitzende des Gemeindegremiums, stellt diese Frage allgemeiner: "Wie geht es jetzt weiter?"

Bernhard Rasche, Vorstandsmitglied in der Betroffeneninitiative Süddeutschland, geht davon aus, dass der Abschluss der Solidaritätsaktion in Aschaffenburg der Beginn eines Handlungsprogramms ist. Das sei in der Nachbesprechung, bei der er dabei war, deutlich geworden. "Es ist wichtig, dass das Thema Gewalt in der Kirche keine Tabuthema mehr ist", sagt Rasche. Er habe gespürt, dass hier "etwas aufgebrochen" sei. "Es war keine Aktion von oben herab."

Religionswissenschaftler Reményi: "Jeder Gottesdienst ist immer auch politisch"

Professor Matthias Reményi, Inhaber des Lehrstuhs für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Würzburg, ist auf Einladung einer Betroffenen nach Aschaffenburg gefahren. Zur Kritik des Bistums Würzburg, keine Sonntagsmesse zu halten, sagt Reményi: "Die Kritik zielt auf ein Missverstehen, ja eine politische Instrumentalisierung des Sinngehalts der Eucharistiefeier." So verständlich der Einwand auch sei: "Jeder Gottesdienst ist insofern immer auch politisch, als er öffentlicher Kult ist."

Der Pfarrer der Gemeinde Maria Geburt in Aschaffenburg-Schweinheim, Markus Krauth, zeigte mit seiner Gemeinde Solidarität mit Missbrauchsbetroffenen: Die Eucharistiefeier fiel an drei Sonntagen aus.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Der Pfarrer der Gemeinde Maria Geburt in Aschaffenburg-Schweinheim, Markus Krauth, zeigte mit seiner Gemeinde Solidarität mit Missbrauchsbetroffenen: Die Eucharistiefeier fiel an drei Sonntagen aus.

Sein Eindruck am Sonntag: Die Gemeinde habe ihre Erschütterung über die sexualisierte Gewalt und deren Vertuschung bis in den innersten Kern des gemeindlichen Lebens hinein zulassen wollen, eben die sonntägliche Liturgie hinein. "Und das ist nach meiner Wahrnehmung sehr authentisch und überzeugend gelungen."

Rita Goy, Lektorin von Maria Geburt: "Wir müssen Kinder stark machen."

Gemeindemitglied und Lektorin Rita Goy hat eine Antwort darauf , wie es weitergehen könnte: Es sei wichtig, jetzt weiter zuzuhören und hinzuschauen. "Wir müssen Kinder stark machen, ihnen Raum geben, wo sie ihre Gefühle ausleben können und spüren, wenn etwas für sie nicht in Ordnung ist und dass sie alles sagen können."

Am Ende dieses dritten Sonntagvormittags in Aschaffenburg gab es viele Dankesworte und Applaus – für alle Beteiligten.

Zuspruch gab es auch für die zweite Solidaritätsaktion für Missbrauchsbetroffene in der Region, initiiert von Pfarrer Christian Ammersbach in Arnstein (Lkr. Main-Spessart). Ammersbach trägt als Zeichen gegen Missbrauch zur Messe derzeit kein Priestergewand, sondern die weiße Albe. So wie  auch der emeritierte Theologieprofessor Martin Ebner in Schweinfurt: Am vergangenen Wochenende hätten die Gottesdienstbesucher von Christkönig und St. Josef dort spontan geklatscht, berichtet Ebner. "Damit habe ich nie gerechnet."

 
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  • BernhardRasche
    Ingo Fock von „Gegen Missbrauch e.V.“ schreibt dazu: „ "Eine Gemeinde hört zu", statt Eucharistie hören Sie Berichte von Betroffenen von #missbrauch #sexuellergewalt und schauen sich unsere Plakate an, die von Betroffenen als Postkarten an uns gesandt wurden. Starke Aktion !!
    maria-geburt.de/zeit/“
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