Drei Wochen lang will der Arnsteiner Pfarrer Christian Ammersbach auf das Tragen des Priestergewandes in den Gottesdiensten verzichten. Zu Beginn des Abendgottesdienstes am vergangenen Mittwoch in der Pfarrei Büchold erklärte der Geistliche, was ihn zu der Entscheidung bewegte. "Mit dem Verzicht auf das Tragen der allein Priestern vorbehaltenen Gewänder, möchte ich einen Anstoß geben, das kirchliche Weiheamt in seiner heutigen Form grundlegend in Frage zu stellen", so der 50-jährige Seelsorger. Es sei an der Zeit, auf dem Zeugnis der Heiligen Schrift aufbauend, neue Wege in der Leitung der Kirche zu gehen.
Das Interesse der Gottesdienstbesucher an der Erklärung ihres Pfarrers war groß. Sind es in der Regel zehn bis 15 Personen, die die Werktagsmesse in Büchold besuchen, waren es an diesem Abend fast 40 Interessierte.
Erschüttert über "systematisches Vertuschen"
Als Ammersbach im Anschluss an die Messfeier das Angebot machte, Fragen zu seiner Entscheidung zu beantworten, blieb ein Dutzend Besucher in der Kirche – und schnell entwickelte sich ein sehr lebhafter Austausch.
Der Großteil der Gesprächsteilnehmer sprach dem Geistlichen Respekt und Anerkennung dafür aus, dass er ein Zeichen setzen will. So manchen erinnerten die Einführungsworte von Pfarrer Ammersbach "Hier stehe ich in einfacher Albe, ohne Stola und Messgewand" sogar an Luthers Worte auf dem Reichstag zu Worms im Jahr 1521: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders".
"Die Ergebnisse der Missbrauchsgutachten erschüttern mich zutiefst. Es ist nicht nur das Ausmaß der Missbrauchstaten, sondern auch das systematische Vertuschen der Taten über Jahrzehnte hinweg. Zum Teil sogar heute noch", begründete der Pfarrer seine Entscheidung. Immer deutlicher werde, dass nicht nur einzelne Täter und Vertuscher Schuld auf sich geladen hätten, sondern dass das klerikale System als Ganzes mit seiner Machtkonzentration auf geweihte Amtsträger vor einem Scherbenhaufen stehe. Ein Ausdruck dieser klerikalen Macht seien auch die Priester-Gewänder, mit denen seit Jahrhunderten die Vollmachten inszeniert werden, die Kleriker für sich beanspruchen.
Pfarrgemeinderat äußerte sich positiv gegenüber Ammersbach
Die Bücholder Gemeindeglieder stellten sich hinter ihren Pfarrer mit Aussagen wie: "Die Kirche verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit. Deshalb ist es gut, dass sich auch aus dem Inneren der Kirche heraus Widerstand etabliert" oder "Es gehört Mut dazu, sich dem so offen zu stellen". Auch "Es wäre schön, wenn weitere Menschen ihre Meinungen und Empfindungen zu den Problemfeldern der Kirche öffentlich sagen würden", war zu hören.
Auch die Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates, die sich im Rahmen einer Sitzung zur Neuregelung des Pastoralen Raumes Karlstadt am Vortag getroffen hatten, hätten ihm ein positives Echo gegeben, so Ammersbach. Weil Ammersbach das Modell "Pastoraler Raum" ablehnt, wird er künftig nur noch als Pfarrvikar im Pastoralen Raum Karlstadt tätig sein kann.
"Die Kirche muss endlich von ihrem hohen Ross heruntergeholt werden", war eine weitere Aussage eines Gemeindegliedes. Besonders kritisiert wurde die Tatsache, dass vonseiten der Kirchenoberen erst dann Zugeständnisse gemacht würden, wenn die rechtlichen Beweise kein "Übertuschen" mehr möglich machen.
Sorge machte den Bücholdern, ob die Solidaritätskundgebung ihres Pfarrers mit den Betroffenen des Missbrauchs Konsequenzen für ihn persönlich nach sich ziehen könnte und er schlimmstenfalls sogar vom Amt suspendiert würde? "Das glaube ich eher nicht", beruhigte Ammersbach. Theoretisch und von Rechts wegen sei das natürlich möglich; vom Generalvikar habe er bislang keinerlei Rückmeldung bekommen.
L. Unsleber