Die Lage der katholischen Kirche ist dramatisch schlecht. Weil es immer weniger einsetzbare Priester gibt, müssen die Seelsorge-Gebiete notgedrungen noch größer werden. Die noch aktiven Geistlichen fühlen sich zunehmend physisch und psychisch überfordert. Hinzu kommt die Beschädigung des priesterlichen Amts durch den Missbrauchs-Skandal. Die jüngsten Ereignisse haben den emeritierten Theologieprofessor Martin Ebner aus Schweinfurt, selbst geweihter Priester, zum Nachdenken über eine äußerst pikante Frage gebracht: Braucht es überhaupt Priester? Im Interview erklärt Ebner seine Überlegungen.
Prof. Martin Ebner: Die innere Struktur der katholischen Kirche ist heutzutage klar auf den Priester zugeschnitten. Dieser geweihte und zum Zölibat verpflichtete Mann hat nach wie vor die zentrale Position in der Liturgie, in der Lehre und in der Verwaltung der Pfarrei. Das war aber nicht immer so. Die ältesten und für uns Christen noch immer maßgeblichen Schriften im Neuen Testament sprechen da eine ganz andere Sprache.
Ebner: Im alten Israel waren die Priester reine Kult-Manager im Jerusalemer Tempel. Ihre wichtigste Aufgabe bestand darin, die Tieropfer nach bestimmten, ihnen allein vorbehaltenen Riten darzubringen, vor allem, um damit als Vermittler zwischen Gott und Mensch die Sündenvergebung zu erwirken. Und: Priestersein war im Judentum keine Sache der Berufung, sondern ein Geburtsmerkmal. Allein der Stammbaum zählte. Nur wer als Mann in eine der 24 priesterlichen Familien geboren wurde, hatte das Vorrecht und die Verpflichtung, zweimal im Jahr jeweils eine Woche lang – neben seinem ganz normalen Beruf – den priesterlichen Opferdienst im Tempel auszuüben.
Ebner: Solche Kult-Manager wie im Tempel gibt es in den Gemeinden des frühen Christentums nicht. Im Neuen Testament gibt es keinen Stand, der sich selbst als Klerus bezeichnet und mit Vorrechten gegenüber den übrigen Laien ausgestattet ist. Es gehört zu den verblüffenden, aber kaum ernstgenommen Fakten, dass im Neuen Testament christliche Priester überhaupt nicht vorgesehen sind. Jesus hat keine Priester geweiht. Das Priesteramt ist ein erst später gesetztes Implantat ins Christentum.
Ebner: In christusgläubigen Gemeinden werden keine Blutopfer mehr dargebracht, sondern es wird ein Mahl gefeiert. Zu diesem Mahl in Erinnerung an Jesus werden jetzt nicht nur, wie sonst üblich, die ebenbürtigen Freunde des Hausherrn eingeladen, sondern alle Getauften im Einzugsbereich. Die Frage, wer bei so einem Mahl den Vorsitz führen darf, wird in den neutestamentlichen Schriften nirgends problematisiert. Alle sind gleich - und sollen sich gleichwertig fühlen.
Ebner: Ja. Gerade die Aufhebung der gesellschaftlich etablierten Standesgrenzen ist ein Charakteristikum der Christusgläubigen. Wer seinen Glauben an Christus durch die Taufe besiegeln lässt, betritt gleichsam einen neuen Sozialraum, in dem es nicht mehr auf die nationale Herkunft, auf den Stand und das Geschlecht ankommt. In der wohl ältesten Taufformel des Neuen Testaments heißt es wörtlich: "Da gibt es nicht mehr Jude noch Grieche, da gibt es nicht mehr Sklave noch Freier, da gibt es nicht mehr Mann und Frau. Denn alle seid ihr einer in Christus Jesus."
Ebner: So ist es. Und das betrifft besonders die den Priestern vorbehaltene Vermittlungskompetenz zwischen Gott und Mensch beim Blutopfer im Tempel. Die wird nun spiritualisiert und in die Reihe der Christusgläubigen selbst verlegt. Das wahre "Opfer" ist jetzt ein den Menschen zugewandtes Leben im Respekt vor Gott. Und dieses "Opfer" kann jede und jeder darbringen, so der Hebräerbrief. Wir können von einer bewussten Gegenkonzeption zum institutionalisierten Priestertum sprechen. Diese kritische Haltung der frühen Christen gegenüber dem priesterlichen Opferkult ist aber nicht einfach vom Himmel gefallen. Sie hat ihre Wurzeln direkt beim historischen Jesus und den Erzählungen über ihn.
Ebner: Nur zwei Schlaglichter: Jesus zeichnet ein äußerst missgünstiges Bild von den Priestern seiner Zeit. Die sicher bösartigste Geschichte ist seine Erzählung vom barmherzigen Samariter. Ein Zweites: Jesus war vom Stammbaum her kein Priester, gemäß unseren Begriffen also ein Laie. Und trotzdem tut er das, was eigentlich nur den Priestern vorbehalten ist: Er spricht im Namen Gottes die Sündenvergebung zu, ohne Autorisierung, ohne Tieropfer, ohne Tempelkulisse – einfach in einem Haus. Das war ein Affront. Wir könnten von einer feindlichen Übernahme priesterlicher Vorrechte sprechen. Kein Wunder, dass die Schriftgelehrten das für eine Blasphemie halten.
Ebner: Der Kirchenhistoriker Georg Schöllgen hat die Vorgänge, die sich um die Wende vom zweiten zum dritten Jahrhundert abspielten, als den größten Bruch der Christentumsgeschichte bezeichnet: Aus einer Seelsorgereligion wurde eine Kultreligion. Immer mehr Gemeindevorsteher - Episkopen und dann auch Gemeindeälteste - stellen sich selbst in eine Analogie zu den alttestamentlichen Tempel-Priestern.
Ebner: Genau. Ein Stand, der sich selbst dem Rest des Gottesvolkes, den Laien, gegenüberstellt und sich dabei überhöht. Ein Stand, der die am Anfang in der Taufformel beschworene und offensichtlich auch faszinierende Gleichheit unter den Getauften praktisch aufhebt. Diejenigen, die sich ab dem dritten Jahrhundert Priester nennen, beanspruchen dann auch, was für die Priester in Israel galt: dass sie besoldet werden und ab sofort hauptamtlich für Geld tun, was sie vorher nebenberuflich als Freizeitälteste und als Freizeitepiskopen gemacht haben.
Ebner: Auf der Vollversammlung des "Synodalen Wegs" wurde mit einer einzigen Stimme Mehrheit bei 95 zu 94 Stimmen der Antrag angenommen, dass auch die Frage diskutiert und beraten werden soll: Braucht es überhaupt Priester? Ja, diese Frage muss auf den Tisch – und zwar in Treue zur Ursprungstradition. Es ist unabdingbar, dass die Kirche die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Exegese und der Kirchengeschichte ernst nimmt und ihrer eigenen geschichtlichen Entwicklung ehrlich in die Augen schaut. Ansonsten ist keine Reform möglich, die diesen Namen verdient. Darf ich noch etwas im Blick auf die Zukunft hinzufügen?
Ebner: Ich bin überzeugt: Die Freistellung des Zölibats, wie sie von Kardinal Marx vorgeschlagen wurde, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Anstelle einer Weihe sollte es eine Beauftragung für bestimmte Aufgaben auf Zeit geben. Und dabei sollten die Leitung - besser: die Moderation einer Gemeinde - und die Liturgie, der Predigtdienst und die theologische Beratung nicht mehr in einer einzigen Hand liegen, sondern nach Kompetenzen auf geeignete Personen verteilt werden. Sobald diese spezifisch zugeschnittenen Ämter nicht mehr an das männliche Geschlecht und die Verpflichtung zum Zölibat gebunden sind, wäre mit einem Schlag nicht nur die Überhöhung und die damit oft auch verbundene Überforderung der Priester vom Tisch, sondern wir wären auch wieder ganz nahe bei der urchristlichen Vorstellung von der Gemeinde als Leib, wo die vielfältigen Aufgaben je nach geschenkter Kompetenz, Charisma genannt, wahrgenommen werden. Ich glaube, dass sich viele nach einer solchen Kirche sehnen. Und im übrigen wird sie mancherorts längst praktiziert - weil die Priester gar nicht mehr rumkommen.
Für den Frühsommer plant Martin Ebner die Herausgabe eines Buches im Echter-Verlag zum Thema.
Ohne die Menschen in der untersten Ebene funktioniert Kirche m.E. kaum. Auf das Engagement von Ehrenamtlichen alleine würde ich nicht setzen.
Da haben Sie recht.
Und wer genau braucht ein Unternehmen, welches seit Jahrhunderten den Menschen Angst eintrichtert, mit Fegefeuer und Höllenstrafen droht, welches Frauen auf den Scheiterhaufen setzte, nur weil die sich mit Heilkräutern und Geburtshilfe auskannten?
Wer braucht ein Unternehmen, welches Verlogenheit zum achten Sakrament erklärt hat?
Jemand, wo den Lehren Jesu' folgt braucht so ein Unternehmen sicher nicht.
Aber die Kirche braucht Schafe, die den Klingelbeutel füllen.
Jedem das Seine.
Deshalb besuchen wir den nächsten "Gottesdienst" zur IAA in Frankfurt,
rennen ums goldene Kalb, und kaufen uns ne'n SUV.
Satire Ende
vielleicht sollte sich die kirche ein beispiel nehmen und premium-glauben zu premium-preisen anbieten, da steht der deutsche michel doch drauf.
dazu noch einen shop mit klamotten im jesus-style, und was zum rauchen: "holy shit"!
und die Antwort wird sicher davon abhängen, welche Aufgaben diese Person haben soll.
Um "nur" aus der Bibel vorzulesen oder einen Gottesdienst mit festgelegtem Ritus abzuhalten, braucht man vmtl. keinen voll ausgebildeten Priester.
Interessanter wird das schon, wenn es um Beistand ("Seelsorge") für andere geht, die jemanden brauchen, an den sie sich auch mit den größten Problemen bzw. Zweifeln wenden und sich darauf verlassen können, dass das vertraulich bleibt. Das wäre wo ich die Hauptaufgabe der Kirche (heutzutage) sehen würde, und diesen Job "vernünftig" zu machen erfordert sicher nicht nur, dass diese Person selbst fest im Glauben steht (und das rüberbringen kann), sondern auch eine umfassende Ausbildung sowohl in theologischen als auch in praktischen Fragen.
Man mag das kritisieren als Ansatz zur Kirche als Lückenbüßer, aber "neben" seiner Tätigkeit als Wanderprediger hat auch Jesus Christus immer wieder und überall seinen Mitmenschen Gutes getan.
" Mitmensch " versteckt.
Für Trost und Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen braucht man kein Theologiestudium,
sondern offene Ohren und offenes Herz.
Und wenn's sehr spezifisch ist, wäre eher Psychologie und Psychotherapie zu empfehlen.
ich befürchte allerdings, die Sache ist komplizierter, insbesondere wenn es um Personengruppen geht, gegenüber denen (die meisten) "Normalbürger/innen" vorsichtig ausgedrückt gewisse Vorbehalte haben und "Vater Staat" eher in die Zwangsmaßnahmenkiste greift...
Katholiken neigen da viel eher zu Selbstgerechtigkeit, Ausgrenzung und Doppelmoral.
Ehrenwerteste Aufgaben waren das Geldeintreiben und nicht konforme Lebensweisen zu diffamieren.
Jetzt, da dieses System der weltentrückten Priesterschar massiv erodiert,
ist dann auch endlich wieder der Weg frei für christliche Gemeinden,
Gott zu suchen und die Nachfolge Jesu' in der Welt zu leben.
Es bleibt für mich die Frage: Ist das Priesteramt ist ein erst später gesetztes „Implantat“ ins Christentum. Oder eher ein Krebsgeschwür.