Einen Kiosk oder Beratung beim Kauf von Fahrkarten suchen Bahnreisende vergeblich, auch bei Eiseskälte ist die Wartehalle geschlossen und öffentliche Toiletten gibt es keine: Das Empfangsgebäude des Lohrer Bahnhofs wird dieser Bezeichnung nicht gerecht, denn freundlich empfangen wird dort niemand. Auch sonst gibt es viele offene Baustellen am Bahnhofsareal. Vor zwei Jahren demonstrierten deshalb sogar Bürger auf dem Gelände, verbessert hat sich seitdem kaum etwas. "Jeder bedauert die Zustände", sagt Lohrs Bürgermeister Mario Paul (Grüne).
In einer Videokonferenz haben Politiker aus der Region, ein Busunternehmer, Vertreter der Deutschen Bahn und der Eigentümer des Bahnhofgebäudes kürzlich besprochen, wie es weitergehen soll mit dem Lohrer Bahnhof. Zunächst wollen sie laut Pressemitteilung des Landtagsabgeordneten Thorsten Schwab (CSU) einen Weg finden, die Zufahrtsstraße, die für den Busverkehr wichtig ist, zu erneuern und den Bahnhof barrierefrei auszubauen. Doch gibt es auch Pläne für das Bahnhofsgebäude selbst?
Kitzingen hat Bahnhof von Aedificia gekauft
Aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn kommt solchen Gebäuden eine große Bedeutung für die Außenwirkung einer Kommune zu. "Bahnhöfe sind das Eingangstor zur Stadt", sagt Lukas Iffländer, stellvertretender Bundesvorsitzender des Vereins. Wichtig sei auch, dass Reisende in Bahnhofsgebäuden vor dem Wetter geschützt warten können und dass sie sich dort sicher fühlen.
Im Jahr 2016 verkaufte die Deutsche Bahn das Lohrer Empfangsgebäude an die Frankfurter Immobiliengesellschaft Aedificia, die Bahnhöfe in ganz Deutschland erworben hat. Drei Jahre später hat diese Gesellschaft einen weiteren unterfränkischen Bahnhof gekauft, nämlich den in Kitzingen. Die neuen Eigentümer verkündeten große Pläne – doch in die Tat umgesetzt haben sie diese nicht. Das Gebäude blieb geschlossen, kein Leben zog ein. Schließlich hatte die Stadt die Nase voll, dieses Jahr im Januar kaufte sie Aedificia das Gebäude ab. Geplant ist nun, zeitnah die Wartehalle und die Toiletten wieder zu öffnen.
Lohr fehlt es am Geld
Auch in Lohr tut sich seit Jahren wenig. Könnte die Stadt das Schicksal des Bahnhofsgebäudes dort nicht auch selbst in die Hand nehmen? "Wenn es finanziell darstellbar wäre, wäre es extrem wünschenswert, dass das in die öffentliche Hand kommt", sagt Bürgermeister Paul. Doch die Stadt könne sich das nicht leisten. Mit dem Kauf alleine wäre es schließlich nicht getan. Die Kommune müsste auch die Betriebskosten stemmen. Die Immobilie bleibt also erstmal in privaten Händen.
Zwischenzeitlich gab es beim Eigentümer offenbar einige Umstrukturierungen: Das Unternehmen heißt nun Sohoco Immobilienverwaltungs GmbH & Co. KG. Es gebe dort nun auch neue Ansprechpartner, berichtet Bürgermeister Paul. Ob diese vorhaben, das Bahnhofsgebäude bald wieder für Reisende zu öffnen, bleibt allerdings offen. Auf Anfrage dieser Redaktion wollte man sich dazu nicht äußern.
Der Bürgermeister jedenfalls sagt, er wisse nichts über die konkreten Pläne des Unternehmens. Und er macht sich auch keine großen Hoffnungen: "Aktuell sind für mich keine Veränderungen im Verhalten der neuen Eigentümergesellschaft erkennbar." Seit dem Kauf des Bahnhofs habe der Investor "einfache Innenausbauten" und "kosmetische" Arbeiten an dem Gebäude vorgenommen. Das Erdgeschoss ist größtenteils ungenutzt. Einziger Mieter ist der Motorradclub Zombies Elite MC, der Ende 2019 sein Clubhaus in der ehemaligen Bahnhofsgaststätte eingerichtet hat.
Paul räumt ein, dass es nicht einfach sei, die Immobilie zu vermarkten, weil das Umfeld schwierig sei. Der Lohrer Bahnhof liegt auch nicht in der Stadtmitte. Vom Rathaus ist er rund 1,5 Kilometer entfernt, zu Fuß dauert das laut Google Maps etwa 20 Minuten. Ein Bus fährt unter der Woche alle halbe Stunde zum Bahnhof, aber nur bis zum frühen Abend.
Planung der Bahn für Videoreisezentrum ins Stocken geraten
Nachdem die Fahrkartenverkaufsstelle im Lohrer Bahnhof geschlossen hatte, wollte die Bahn dort schon 2019 eine persönliche Beratung per Video ermöglichen. Laut Bürgermeister Mario Paul ist sie dazu sogar verpflichtet. Doch auch bei diesem Vorhaben: Stillstand. Es sei weiterhin "die Installation eines Videoreisezentrums" vorgesehen, sagt eine Bahnsprecherin auf Anfrage.
Sie berichtet davon, dass durch den "Wechsel des Eigentümers" die Planung zusätzlich ins Stocken geraten sei. Die Immobilienverwaltung Sohoco habe der Bahn mitgeteilt, dass sie "den Bahnhof insgesamt überplanen will". Deshalb könne sie einen entsprechenden Raum kurzfristig nicht zur Verfügung stellen.
Die Bahn denkt nun über eine Outdoorvariante mit einem Pavillon für den Fahrkartenverkauf und die Beratung nach, berichtet die Sprecherin. Dies sei aber nur möglich, wenn die Stadt und die Tochterfirma DB Station & Service diese Idee befürworten und ein geeigneter Standplatz ermittelt werden kann. "Alle Beteiligten arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung."
Wenn sich die Lage am Lohrer Bahnhof verbessern soll, sei "eine hohe gemeinsame Anstrengung notwendig", meint Bürgermeister Paul. Dieser könne als "Mobilitätsdrehscheibe" eine wichtige Rolle in der "ökologisch orientierten Verkehrswende spielen". Aktuell könne der Bahnhof dieses Potential aber nicht entfalten. An der Haltestelle in Lohr sind 2019 an einem durchschnittlichen Werktag laut Bayerischer Eisenbahngesellschaft rund 1700 Personen ein- und ausgestiegen.
Zumindest einen Anfang hätten die Stadt Lohr und eine private Initiative gemacht, als sie vergangenes Jahr zusammen den Platz vor dem Bahnhof neu gestalteten, sagt Paul. Dort gibt es nun eine Sitzgelegenheit, eine Uhr und Informationstafeln. "Es ist eine kleine Maßnahme, aber immerhin mal ein Einstieg."