Erfahrung und Enthusiasmus verbindet das Team, das in einer gemeinsamen Anstrengung das Kitzinger Bahnhofsgebäude aus dem Dornröschenschlaf erwecken möchte. Nachdem die Bahn das Empfangsgebäude verkaufen wollte, der Kitzinger Stadtrat die Übernahme aber ausschlug, haben zum Jahreswechsel private Investoren zugegriffen. Sie erklären der Redaktion in einem Exklusivgespräch, wer sie sind und was sie vorhaben.
Für die Abteilung Erfahrung steht Steffen Steinert: Er ist Eisenbahner durch und durch, war früher maßgeblich für die Bahn-Immobilien mitverantwortlich und hat sich im Jahr 2013 selbstständig gemacht, um privatisierte Bahngebäude zu vermarkten. 51 Standorte gehören seinem Frankfurter Unternehmen Aedificia, davon 39 Bahnhöfe. Der Kitzinger Bahnhof wird künftig als eigenständiger Betrieb, die Aedificia Kitzingen KG, firmieren.
Ein Investor stammt aus Markt Einersheim
Als lokaler Investor und Mitgesellschafter ist Ulrich Siffert eingestiegen. Er wohnt in Würzburg, stammt aber aus Markt Einersheim und kennt den Kitzinger Bahnhof von Kindesbeinen an. "Ich weiß noch, wie ich mir am Kiosk Wassereis gekauft habe", sagt der neue Miteigentümer.
Jens Faras komplettiert das Trio: Er ist Ingenieur und Projektentwickler aus Sulz am Neckar, wo er das Planungsbüro Pure Planning GmbH leitet. Faras hat schon mehrere Bahnhöfe und Vorplätze umgeplant. Wie Siffert geht er das Vorhaben mit Enthusiasmus und Vorstellungskraft an.
Was geplant ist: Aedificia will den Bahnhof nach einem grundlegenden Umbau wieder für die Reisenden öffnen. Es wird eine neue Passage geben, die durch das Gebäude führt und in der es auch Sitzgelegenheiten geben soll. In Verhandlungen sind die Eigentümer bereits mit einem Bäcker, der in der Wartehalle einen Laden eröffnen könnte. Außerdem soll es wieder einen Fahrkartenverkauf geben, am besten durch Personal, nicht durch einen Automaten. Dafür sucht Aedificia noch eine Agentur oder ein Reisebüro.
Die restlichen Flächen im Erdgeschoss könnten als Büros oder Ladenflächen vermietet werden. Was bleiben wird, ist der Geldautomat, der im Erdgeschoss steht. Ob es auch öffentliche Toiletten geben wird, hängt daran, ob sich ein Betreiber findet. Aedificia würde die Räume zur Verfügung stellen, sie aber nicht selbst bewirtschaften. Apropos Wirtschaft: An eine Neuauflage der ehemaligen Gastwirtschaft ist nicht gedacht. Dafür soll der Bahnhof künftig barrierefrei erreichbar sein. Um Barrierefreiheit auf den Bahngleisen müssten sich allerdings der Freistaat und die Deutsche Bahn kümmern, sagen die Besitzer des Gebäudes.
Rucksack-Hotel im Obergeschoss
Spannend sind ihre Überlegungen fürs erste und zweite Obergeschoss. Dort soll nach den Vorstellungen der Investoren ein "Rucksack-Hotel" entstehen. Damit sind einfache Zwei- bis Acht-Bett-Zimmer gemeint, die zum Beispiel für Radtouristen oder Rucksackreisende infrage kommen. Etwa zehn Zimmer seien dort möglich, sagt Projektentwickler Faras.
Zukunftsweisend ist die Idee der neuen Eigentümer, vor dem Bahnhof Ladestationen für Elektroautos und E-Fahrräder anzubieten. Immerhin gehören zum Bahnhofsgebäude 61 Parkplätze direkt davor und daneben. All diese Pläne haben die Investoren ihren Worten nach der Stadt schon lange unterbreitet. Angeblich sogar die Idee eines Busbahnhofs vor dem Gebäude. Bislang seien die Reaktionen der Stadt aber zurückhaltend. Oberbürgermeister Siegfried Müller hatte dagegen im Mai vermeldet, die neuen Besitzer hätten zum Teil unannehmbare Bedingungen gestellt.
Warum glauben die Aedificia-Vertreter, dass ein Bahnhof eine lohnende Investition sein wird? "Weil wir wissen, dass wir es können", sagt der Ex-Eisenbahner Steinert im Brustton der Überzeugung: "Und wir haben die nötige Geduld und die Muße." Denn die neuen Bahnhofsvorsteher können einschätzen, dass sie mit Vermarktung und Umbau des Gebäudes erst einmal eine Durststrecke überwinden müssen. Die Bahnreisenden übrigens auch.
Bahnhof bleibt wohl noch eineinhalb Jahre geschlossen
Steinert bittet schon jetzt die Bevölkerung um Verständnis, dass der Bahnhof wohl noch über ein Jahr geschlossen bleiben wird. "Wir können weder hexen noch zaubern", sagt er. Zuerst müsse ein Großteil der Zusagen künftiger Mieter vorliegen, bevor Aedificia den Bahnhof nach deren Vorstellungen saniert und modernisiert und dafür Bankkredite aufnehmen kann. Ginge es allein nach den Investoren, würden sie sofort loslegen. Planer Faras könnte noch dieses Jahr den Bauantrag bei der Stadt einreichen, erklärt er. Der Umbau würde dann etwa ein Jahr beanspruchen. Aber bis dahin bleibt das Gebäude geschlossen.
Zugemacht hat es die Bahn, aber Aedificia kann es nicht vorläufig öffnen, auch wenn die Sanierung noch gar nicht begonnen hat, denn dazu müsste man täglich eine Aufsicht und einen Schließdienst organisieren. Das wäre zu teuer.