Eine wirkliche Überraschung war die Nachricht über das Scheitern der Verhandlungen zur Zukunft der insolventen Rotkreuzklinik in Wertheim für die meisten Beteiligten nicht mehr. Die Kritik an der Entscheidung und die Rufe nach dem Erhalt einer Notfallversorgung waren dennoch groß. Jetzt gibt es zumindest ein wenig Hoffnung für den Gesundheitsstandort Wertheim: Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez erklärte am Freitag in einem Pressegespräch, dass die Stadt das Gebäude der Rotkreuzklinik kaufen möchte und darin ein Gesundheitszentrum etablieren möchte – idealerweise mit einer angeschlossenen Notfallversorgung.
Bis vor kurzem hieß es noch, dass ein Investor aus dem Landkreis Deggendorf aus dem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung eine Fachklinik für Amputationsmedizin machen wollte. Doch auch aus dieser Option wurde nichts, wie der Insolvenzverwalter am Mittwoch informierte. Die Stimmung in der Mitarbeiterversammlung, in der das bekannt gegeben wurde, beschreibt die Betriebsratsvorsitzende Birgit Väth als "recht locker". Nur noch wenige Angestellte hätten wohl bis zum Schluss gehofft, dass das Krankenhaus in eine Fachklinik umgewandelt werde.
"Die wichtigste Nachricht für uns war, dass die Finanzierung der Gehälter bis zum Ende der Kündigungsfristen gesichert ist", sagt Väth. Sie rechnet damit, dass bis Ende Juni die Kündigungen der aktuell noch knapp 200 Beschäftigten ausgesprochen werden. Je nach Frist erhalten diese dann noch maximal drei Monate ihr Gehalt. Da aber bereits seit zwei Wochen keine Patienten mehr in der Klinik behandelt werden, ist der Großteil der Mitarbeitenden freigestellt und kann sich in dieser Zeit einen neuen Job suchen.
Stadt will mit Partnern ein Konzept ausarbeiten
Doch vielleicht könnte es jetzt für einige von ihnen noch eine Zukunft in dem Gebäude des Krankenhauses geben. Da sich in den vergangenen Wochen abzeichnete, dass die Umwandlung in eine Fachklinik scheitern könne, habe sich die Stadt Wertheim Gedanken zu Alternativen gemacht, erklärt der Oberbürgermeister. Herausgekommen ist die Idee, dass die Stadt das Grundstück und das Gebäude kaufen will und dort ein Gesundheitszentrum mit angeschlossener Notfallversorgung aufbauen will. "Das kann aber niemals ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung ersetzen – das wissen wir", so Herrera Torrez.
Wie ein solches Zentrum genau aussehen könnte, kann der Oberbürgermeister noch nicht sagen. Dazu wolle man sich mit Experten beraten und mit der Wertheimer Ärzteschaft zusammenarbeiten, mit der man auch bereits gesprochen habe. Schon in der kommenden Woche soll die Ausarbeitung eines Konzepts beauftragt werden.
Wertheimer Ärzte spüren Wegfall der Rotkreuzklinik schon jetzt
Klar sei aber, dass die Stadt das Gebäude nur vermieten werde und nicht Betreiber eines Gesundheitszentrums werden könne. Koordinieren und vermitteln zwischen möglichen Mietern wolle man aber durchaus. Zum Kaufpreis wollte der OB keine Angaben machen, man gehe aber von einer Summe aus, die für die Stadt "leistbar" sei. Er betonte auch, dass letztendlich der Insolvenzverwalter über ein Kaufangebot entscheide und der wiederum brauche die Zustimmung der Gläubigerversammlung.
Zur Kritik mancher Bürgerinnen und Bürger, die Stadt hätte sich früher um eine Rekommunalisierung kümmern müssen, sagte der Oberbürgermeister im Pressegespräch: "Wir haben bereits im November erste Gespräche mit dem Insolvenzverwalter geführt." Zuvor hatte dieser noch den Eindruck vermittelt, er würde einen Käufer finden. Zudem sei die Übernahme durch die Stadt an den Verhandlungen mit dem bisherigen Träger, der Rotkreuzschwesternschaft, gescheitert. Ohne diese und andere Partner, wie den Landkreis, wäre eine Übernahme aber nie machbar gewesen. Deshalb glaube er nicht, dass das Ergebnis zu einem früheren Zeitpunkt anders ausgesehen hätte.
Auch die Sprecherin der Wertheimer Hausärzte, Dr. Christina Gläser, forderte Mitte der Woche im Gespräch mit der Redaktion, dass eine Notfallversorgung an dem Standort in jedem Fall weiter bestehen müsse. Sie und ihre Kollegen spüren schon jetzt deutlich in ihrer täglichen Arbeit, dass die Klinik seit Anfang Juni keine Patienten mehr behandelt. "Wir merken das richtig, weil es schwer ist, Patienten in einem Krankenhaus unterzubringen", berichtet sie. Die Rettungswagen bräuchten viel länger, bis sie vor Ort seien. "Ich habe schon erlebt, dass wir bis zu eineinhalb Stunden vertröstet wurden", so die Ärztin.
Kreuzwertheimer Bürgermeister bietet Unterstützung an
Für Klaus Thoma, Bürgermeister der Nachbargemeinde Kreuzwertheim, ist der Erhalt einer Notfallversorgung ebenfalls das wichtigste Ziel. "Der Verlust des Wertheimer Krankenhauses ist frustrierend und ein großer Verlust für den ganzen Raum", so Thoma. Ein Krankenhaus dürfe nicht nur nach wirtschaftlichen Kriterien geführt werden – bei der Feuerwehr mache man das ja auch nicht.
Er sieht eine ganze Reihe von Management-Fehlern in der Krankenhauspolitik: 2021 sei das Marktheidenfelder Krankenhaus mit Verweis auf die Wertheimer Klinik geschlossen worden. Jetzt werde Wertheim geschlossen, mit Verweis auf die Häuser in Lohr oder Würzburg. Der ländliche Raum werde durch solche Entscheidungen immer stärker benachteiligt, findet er.
Auch wenn Kreuzwertheim Teil des Landkreises Main-Spessart ist, hatte der Gemeinderat im Frühjahr beschlossen, die Stadt Wertheim bei einer Übernahme des Krankenhauses finanziell zu unterstützen. "Auch jetzt steht meine Tür offen", sagt Thoma und bietet Unterstützung bei der Ausgestaltung eines Gesundheitszentrums mit Notfallversorgung an. Denn für die Menschen in Kreuzwertheim gehe es im Alltag nicht darum, ob sie in Bayern oder Baden-Württemberg wohnen, ob rechts oder links des Mains. Diese Grenze gebe es – leider – nur in der Politik, so Thoma.