Kann es sein, dass die Stadt Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) den Maler Hermann Gradl (1883-1964), einen der Lieblingskünstler des Massenmörders Adolf Hitler, weiter als Ehrenbürger und Namensgeber einer Straße ehrt? "Nein", sagt der renommierte Kunsthistoriker Wolfgang Brauneis aus Köln. Es wundere ihn sehr, dass die Stadt sich bis heute nicht von dieser Würdigung distanziert. Der Umgang mit Gradl, der vor allem mit Landschaftsbildern bekannt wurde, wird in Marktheidenfeld seit über drei Jahrzehnten - mal mehr, mal weniger offen - unter den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Passiert ist bisher aber nichts.
In Zeiten, in denen auch anderswo in Unterfranken in kommunalen Gremien beraten wird, inwieweit politisch umstrittene Persönlichkeiten wie der Schweinfurter Industrielle Willy Sachs, der Komponist und Mozartfest-Gründer Hermann Zilcher oder der Dichter Nikolaus Fey als Ehrenbürger oder Namensgeber für Straßen taugen, gewinnt die Debatte in Marktheidenfeld an neuer Aktualität.
Kunsthistoriker Brauneis, ein Experte für den Umgang mit NS-Kunst, hat im vergangenen Jahr am Deutschen Historischen Museum in Berlin die viel beachtete Ausstellung "Die Liste der 'Gottbegnadeten' - Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik" kuratiert. Maler Gradl kam in der Ausstellung am Rande vor. Dort ging es vor allem um Bildhauer und Architekten, die in der NS-Zeit große Anerkennung genossen hatten – und in der Bundesrepublik der 50er und 60er Jahre an öffentlichen Aufträgen gut verdienten, ohne sich von ihrer künstlerischen Arbeit in den 30er und 40er Jahren zu distanzieren.
Gradls Name taucht auf der "Führerliste" von 1939 auf
Ein Vorwurf, der gleichwohl auch auf den Landschaftsmaler Gradl zutrifft. Auch der konnte seine Bilder in der jungen Bundesrepublik weiter öffentlich ausstellen, ohne sich für seine Anbiederung an den NS-Staat rechtfertigen zu müssen. Dass der gebürtige Marktheidenfelder in dieser Zeit unter den Künstlerinnen und Künstlern eine zentrale Rolle einnahm und großes Renommee genoss, ist mehrfach belegt. Schon auf der sogenannten Führerliste von 1939 taucht sein Name auf: Die darauf vermerkten Persönlichkeiten profitierten vom Wohlwollen der braunen Machthaber, von Steuervergünstigungen - und sie wurden nicht zum Kriegs- oder Arbeitsdienst eingezogen.
Im Sommer 1944 mündete die "Führerliste" in die "Liste der Gottbegnadeten", die Hitler und sein Propagandaminister Joseph Goebbels persönlich verantworteten. Darauf sind über 350 Musiker, Komponisten, Schriftsteller, Schauspieler, Architekten und bildende Künstler aufgeführt. Kulturschaffende, denen aus Sicht der Nazis ganz besonders herausragende Bedeutung zukam, standen noch dazu auf einer "Sonderliste", die der "Gottbegnadeten-Liste" vorgeschaltet war: Einer der lediglich vier dort erwähnten Maler ist Hermann Gradl.
Der Marktheidenfelder ist ein gefragter Mann im Dritten Reich, nachdem Hitler 1937 bei einem Besuch in Nürnberg auf Gradls romantisierende Landschaftsbilder aufmerksam wird - ihn sogar in seinem Atelier besucht. "Wer solche Bilder malt, muss ein anständiger Kerl sein", soll der Diktator gesagt haben. So steht es in einer Autobiografie des Malers, die Peter Roos, Schriftsteller aus Marktheidenfeld, bereits 1990 öffentlich gemacht hat.
Gradl nennt Besuch des Führers "Höhepunkt meines Lebens"
In einem Brief an den damaligen Nürnberger Oberbürgermeister Willy Liebel spricht Gradl von einem unvergesslichen Erlebnis, vom "Höhepunkt meines Lebens". Von Hitler empfangen zu werden, "einige Stunden neben dem Führer verleben zu dürfen", sei das "unverdiente Glück, die höchste Auszeichnung, die sich ein deutscher Mann denken und erhoffen kann". Er werde weiter sein ganzes Können dafür verwenden, "das von unserem Führer geschaffene, wundervolle dritte Reich und insbesondere unsere fränkische Heimat im Bilde zu verherrlichen, um es dem deutschen Volke noch näher zu bringen", schreibt Gradl weiter. Noch im selben Jahr werden acht seiner Bilder im Münchner Museum "Haus der deutschen Kunst" ausgestellt. Bis 1943 ist Gradl dort jedes Jahr vertreten.
1940, auch das belegen Roos' Recherchen, erhält der Maler den Auftrag, sechs großformatige Bilder mit deutschen Landschaftsmotiven für den Speisesaal in einem Erweiterungsbau der Neuen Reichskanzlei in Berlin zu malen. 120.000 Reichsmark soll Gradl dafür kassiert haben. Viele weitere Aufträge folgen. Gradls Kunst ist bei der nationalsozialistischen Führungsriege gefragt. Der Maler, mittlerweile auch NSDAP-Mitglied, macht gute Geschäfte, er kann sich Luxuriöses wie einen BMW-Sportwagen leisten.
Und Gradl wird vielfach geehrt. So beschließt unter anderem auch der Gemeinderat seines Geburtsorts Marktheidenfeld am 30. Dezember 1942, ihn anlässlich seines 60. Geburtstags im Februar 1943 zum Ehrenbürger zu ernennen. Aufgrund der Kriegswirren bekommt er die entsprechende Urkunde erst 1955 anlässlich der 1100-Jahr-Feier der Stadt überreicht. Auch eine Straße in Marktheidenfeld wird nach Gradl benannt. An seinem Geburtshaus enthüllt die Stadt eine Bronzetafel. Dieses Haus ist mittlerweile abgerissen.
Nach dem Ende des Dritten Reichs muss sich Hermann Gradl einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen. Auf die Frage, ob er für Nazi-Organisationen gearbeitet oder aus diesen Nutzen gezogen hat, antwortet er 1947 laut den Roos-Recherchen mit "Nein". Er wird von der alliierten Spruchkammer lediglich als "Mitläufer" klassifiziert, zahlt 2000 Mark.
Spruchkammer nennt Hermann Gradl "Mitläufer"
Die NS-Vergangenheit hat sich damit für den Künstler und seine Fans erledigt. Gradl, gefeiert als "Malerpoet" und "Meister der Landschaftsmalerei" stellt im Nachkriegsdeutschland regelmäßig aus, er verkauft weiter Bilder an zahlungskräftige Kundschaft. Hochgeehrt stirbt er am 15. Februar 1964 in Nürnberg - an seinem 81. Geburtstag. In Marktheidenfeld huldigt man Gradl all die Jahre als "großen Künstlersohn". Als Peter Roos in den 1980er Jahren beginnt, die braunen Flecken der Biografie aufzudecken, wird er als Nestbeschmutzer beschimpft.
Mittlerweile scheint es so, als tue sich die Stadt Marktheidenfeld schwer mit Hermann Gradl. Eine Ausstellung im Franck-Haus, dem kulturellen Zentrum der Stadt, setzt sich kritisch mit dem Wirken des unterfränkischen Künstlers auseinander. Derzeit ist sie wegen Umbauarbeiten allerdings nicht zugänglich, sie soll aber nach deren Abschluss wiedereröffnet werden. Gradls Name fehlt auch auf der Liste der Ehrenbürger auf der Homepage der Stadt. 14 Namen sind dort zu finden, darunter die von Altlandrat Armin Grein und des früheren Bürgermeisters Leonhard Scherg.
Die Begründung der Pressestelle der Stadt für das Fehlen lautet, dass nur die Ehrenbürger dort aufgelistet seien, die diese Auszeichnung nach 1948 - dem Zeitpunkt der Verleihung der Stadtrechte an die Stadt Marktheidenfeld - erhalten hätten. Dennoch wirkt es so, als wolle man Gradl verstecken. Die Ehrenbürgerwürde wurde ihm 1955 verliehen.
War also Hermann Gradl ein Nazi? Diese Frage will die Stadt Marktheidenfeld nun offiziell klären und hat dazu Kontakt mit der Universität Würzburg aufgenommen. Eine Master-Studentin soll Gradls Rolle während der NS-Zeit wissenschaftlich untersuchen. Die Erkenntnisse gehen in den nächsten Monaten dem Marktheidenfelder Stadtrat zu. Es sei geplant, heißt es im Rathaus, Gradls Rolle auf Basis der dann vorliegenden Informationen neu zu bewerten.
Bei der Gradlstraße in Marktheidenfeld soll eine unkomplizierte Lösung helfen
Dabei ist rein rechtlich eine Aberkennung der Ehrenbürgerwürde gar nicht nötig, sagt Matthias Hanakam, der geschäftsführende Beamte der Stadt Marktheidenfeld. Denn nach Bayerischer Gemeindeordnung ist diese mit dem Tode erloschen. Sie kann Gradl also nicht genommen werden, weil er diese nicht mehr hat. "Doch wir wollen uns nicht wegducken", verspricht Hanakam. Er hält eine Auseinandersetzung mit der Person Hermann Gradl für unbedingt geboten. Die aktuelle Diskussion könnte am Ende dazu führen, dass der Stadtrat sich symbolisch von Gradl distanziert. So hätten das viele Kommunen mit Ehrenbürgern aus der NS-Zeit gemacht.
Marktheidenfeld hatte laut Hanakam weitere zweifelhafte Ehrenbürger. 1933 wurden Paul von Hindenburg und auch Adolf Hitler zu Ehrenbürgern ernannt. Der Reichsstatthalter Franz von Epp kam 1938 und NS-Gauleiter Otto Hellmuth 1939 dazu. Nach dem Krieg 1946 entschied Marktheidenfeld dann, den Nazigrößen den Ehrentitel abzuerkennen. Hermann Gradl durfte ihn behalten, weil er ihn nach Meinung des damaligen Gemeinderats aufgrund seines künstlerischen Wirkens verliehen bekommen hatte.
Was die Gradlstraße in Marktheidenfeld betrifft, schlägt Hanakam eine "unkomplizierte Lösung" vor. Mit der Gradlstraße könne man doch den unbelasteten Vater von Hermann Gradl ehren. Jakob Gradl war Bezirkshauptmann des damals noch selbstständigen Landkreises Marktheidenfeld, was ungefähr der Funktion des heutigen Landrats entspricht. Er war ebenfalls Ehrenbürger von Marktheidenfeld.
Gradls Verteidiger sprechen bis heute von einem unpolitischen Künstler, einem Landschaftsmaler, den sich die braunen Ideologen zur NS-Zeit zunutze gemacht hätten. Eine Haltung, die Experten wie Kunsthistoriker Wolfgang Brauneis immer wieder in der Debatte um den Umgang mit Künstlern hören, die im Dritten Reich hohes Ansehen genossen.
Kunsthistoriker Wolfgang Brauneis: Kunst ist niemals unpolitisch
Brauneis indes lässt diese Sichtweise nicht gelten. Kunst sei niemals unpolitisch. Gradls "scheinbar zeitlose Landschaften" hätten die Ideologie von der "Volksgemeinschaft", die sich allem, was irgendwie anders ist, erwehren müsse, gestützt und propagandistisch gefördert. Gradl und seine zu NS-Zeiten gefragten Kollegen hätten nur deshalb Erfolg haben können, weil andere Künstler "als modern, als jüdisch, als entartet" verfemt worden seien.
Wer als Maler zur Verfolgung von Impressionisten, Expressionisten oder Surrealisten durch die Nazis keine Stellung bezogen hat, sei nicht Mitläufer, er sei Nutznießer und Unterstützer dieses mörderischen Systems gewesen. So jemand, sagt Wolfgang Brauneis, verdiene keine Ehrung.
Irgendwann kommt einer auf die Idee die Autobahnen zu entfernen, denn die sind ja in der Entstehung auch ein Relikt von Hitler.
Kräht irgend ein Hahn danach, dass die Spanier südamerikanische Hochkulturen, die Amerikaner die Indianer nahezu ausgerottet und den Rest bis Heute noch in Reservate gesperrt hat ???
Es ist schon lange überfällig, dass hier endlich der Schlussstrich gezogen wird.
--- Reines Wunschdenken! Der braune Ungeist wabert bis heute durch bundesdeutsche Gehirne. Und der Imperialismus (nicht nur der Spanier und der US-Amerikaner) deformiert das Weltgeschehen bis heute.
--- Die Hähne die nicht mehr krähen sind so gut wie (geistig) tot.
Da hat mal eine namhafte Zeitung betitelt, weinen wir genauso über den toten Hans, Eduard, und Stefan wie wir um Mohammed und Ahmet weinen?
Habe mehr probleme wenn Altbürgermeister nur weil sie ihre Arbeit machen für die sie natürlich sehr gut bezahlt werden zu Ehrenbürger ernannt werden.
Aber dieser Herr war nicht künstlerisch begabt und brauchte daher keine Angst vor den falschen Fan's zu haben.
Vergangen, vergessen, Punkt aus. Geschichte ist Geschichte.
Deshalb ist Herr Gradl bereits jetzt kein Ehrenbürger mehr.