Ob er einen Leitspruch im Leben habe? Horst Bröstler muss nicht lange überlegen: "Es ist nicht wichtig, was ein Mann sagt, es ist wichtig, was er tut." Der Satz stammt, etwas abgewandelt, von einem Aborigine in Australien. Sechs Jahre hat Bröstler dort gelebt und gearbeitet. Warum ist schnell erklärt. Ja, gesteht er, er sei Jäger und Sammler, "aber ohne Gewehr". Und weil er nicht zur Bundeswehr wollte, ging es ans andere Ende der Welt. Starkstromelektriker wie er waren dort gefragt. Sogar der Flug wurde bezahlt.
Andere sind geblieben, Bröstler nicht. "Ich bin ein Franke, ich wollte wieder zurück", sagt er und verleugnet dabei seine Mundart nicht. An diesem Dienstag wird der Verleger des "Anzeigenblatts", das bis heute im eigenen Verlag in Marktheidenfeld herausgegeben wird, 80 Jahre alt. Zuhause ist er in Zimmern, wo er als der Mittlere von drei Söhnen des Schuhmachers Johannes Bröstler und Ehefrau Hedwig geboren wurde. Der eine Bruder ist acht Jahre älter, der andere acht Jahre jünger. Der Jubilar selbst hat mit Ehefrau Ursula einen Sohn, Johannes, und mittlerweile drei Enkeltöchter.
Schon als 14-Jähriger leidenschaftlicher Sammler
Die Leidenschaft fürs Sammeln kam früh. Als 14-Jähriger faszinierten ihn Briefmarken und Münzen. Als freier Mitarbeiter der Lokalzeitungen verdiente er sich dafür manche Mark und fand Freude am Fotografieren. Als er 1965 wieder nach Deutschland kam, hätte er das gerne zum Beruf gemacht. Für die Hochschule für Film und Fernsehen in München war er schon zugelassen, stand aber auf der Warteliste. Mit einem Job bei der Lufthansa in Stuttgart wollte er die Zeit eigentlich nur überbrücken. Es kam anders, auch weil Horst seine Ursula kennen lernte. "Sie ist meine rechte Hand."
Dass aus der Sammelleidenschaft ein Geschäft wurde, dafür gab es ein Schlüsselerlebnis. In Rothenfels bestaunte er bei einem privaten Besuch die Briefmarken eines Arztes. Zwei Lücken im Album fielen Bröstler auf. Die zwei habe er verkauft, erklärte dieser, um seinen Umzug von Berlin hierher zu bezahlen. "Da habe ich als junger Mensch erkannt, dass etwas dahinter steckt hinter dem Sammeln", erinnert sich Bröstler. Noch in seiner Stuttgarter Zeit machte er einen Versandhandel auf und musste bald Mitarbeiter einstellen. Der Weg in die alte Heimat war vorgezeichnet. Bröstler: "Versandhandel kannst du auch in Zimmern machen, hab ich mir gedacht."
1978 in Marktheidenfeld das Anzeigenblatt gegründet
Bald wurde es in Zimmern zu eng. Es folgten Umzüge nach Marktheidenfeld 1975 in die Petzoltstraße 4, dann in die Kreuzbergstraße 2, dann 1978 ins ehemalige Gebhardt-Haus an der Petzoltstraße 14. Hier schlug 1978 auch die Geburtsstunde des Anzeigenblatts, das noch heute eine Auflage von über 70 000 Exemplaren in Main-Spessart hat. Geplant war das nicht. Weil er seine Briefmarken- und Münzensammler regelmäßig mit Neuigkeiten versorgen wollte, ging er zum "Marktheidenfelder Boten". Das Wochenblatt kostete 20 Pfennige. Als er dem Verleger vorschlug, das Blatt jede Woche kostenlos an alle Haushalte zu verteilen, reagierte der entsetzt: "Bist du verrückt? Da wird ja bald mein Haus versteigert."
Also machte es Bröstler selbst. "Ich hab klein angefangen und dann Schritt um Schritt die Auflage gesteigert." Der Erfolg lockte andere. In den folgenden 30 Jahren hätten 36 Unternehmen vergeblich versucht, im Landkreis ein Anzeigenblatt zu etablieren. 1994 bezog das "Anzeigenblatt" den Neubau in der Baumhofstraße, druckte dort bis 2014 auch selbst. In der Blütezeit hatte das Unternehmen 55 Mitarbeiter, heute sind es noch 35. Der technische Bereich sei weggefallen, begründet Bröstler, doch er habe deswegen niemanden entlassen müssen. Frei werdende Stellen wurden nicht mehr besetzt.
Ehepaar ist noch täglich vormittags im Büro
Seit zehn Jahren führt Sohn Johannes das Verlagsgeschäft, doch Horst und Ursula Bröstler sind jeden Vormittag mehrere Stunden im Büro. "Aus Liebe zum Produkt, zum Sammeln und aus Verbundenheit mit den Mitarbeitern", sagt Bröstler. An seinem Geburtstag gibt es für seine Mannschaft, für Freunde und Gratulanten ein Ginko-Bäumchen. Er hofft, dass 80 gepflanzt werden. Feiern will er nicht. Doch Glückwünsche gibt es sicher zuhauf – Bröstler ist Mitglied in rund einem Dutzend Vereine, hat die Kulturstiftung, das Stadtarchiv, die Städtepartnerschaft gefördert.
Über die vielen Spenden, das soziale Engagement will er nicht reden. 1998 hat er am ehemaligen Kloster Mattenstatt eine Kapelle gebaut. "Sie glauben nicht, wie viele Leute da reingehen, Kerzen anzünden und ins Buch schreiben." Ein Bekannter habe einmal festgestellt: "Bröstler, der Herrgott meint es gut mit dir." Der Jubilar nickt, trotz manchem Krankenhausaufenthalt in den vergangenen Jahren. Er läuft viel, hält sich fit. "Ich habe noch Spaß am Leben."
Leidenschaft für Werke von Hermann Gradl
Ob ihm die erneute Diskussion um Hermann Gradl den Spaß nimmt? Der in Marktheidenfeld geborene Landschaftsmaler hat es ihm besonders angetan. Seine Bilder sprechen Bröstlers Seele an. Seit Jahren arbeitet der Sammler an einem Werkeverzeichnis. Anfangs habe ihn die Politik nicht gekümmert, sagt er. Doch sein Faible für den wegen seiner Rolle im Nationalsozialismus umstrittenen Künstler hat ihm manche Kritik eingebracht. Deshalb habe er sich intensiv mit der Person Gradl beschäftigt. Ein Aktenschrank ist voller Literatur über die Nazi-Zeit und die damaligen Verstrickungen. Auch "Hitler Lieben" von Peter Roos ist vertreten.
Bröstler, der Werke so vieler Künstler der Heimat wie Schiestl, Taschner, Roeder oder Rother hat, könne sich doch einfach an der Kunst erfreuen. Warum er sich zum Anwalt Gradls mache? "Das tue ich für mich selber", sagt der Jubilar. Er habe mit vielen Zeitzeugen gesprochen, viele Bücher gelesen, viele Unterlagen über Gradl studiert. Da habe er ein anderes Bild von Gradl bekommen als seine Kritiker. Und wenn der Stadtrat dem Künstler die Straße und die Ehrenbürgerwürde nehme? Bröstler: "Es wäre der Wahrheit nicht Rechnung getragen, wenn man ihm dies wieder aberkennen würde."