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Gerolzhofen
Nikolaus Fey: ein überzeugter Nationalsozialist
Neue Forschungen belegen, dass der Schriftsteller Nikolaus Fey Mitglied der brutalen Besatzungsverwaltung in Polen war. Werden jetzt Straßennamen geändert?
Die Nikolaus-Fey-Straße in Gerolzhofen erinnert an den fränkischen Schriftsteller, dessen Rolle in der Nazi-Zeit nun erforscht wurde.
Foto: Klaus Vogt | Die Nikolaus-Fey-Straße in Gerolzhofen erinnert an den fränkischen Schriftsteller, dessen Rolle in der Nazi-Zeit nun erforscht wurde.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:15 Uhr

Über vier Jahre lang hat sich in der Stadt Würzburg eine elfköpfige Fachkommission mit der Frage beschäftigt, welche Würzburger Straßen und Plätze Namen von Menschen tragen, die in der nationalsozialistischen Diktatur eine führende Rolle gespielt haben. Konkret ging es um Personen, "deren aktive Lebensphase in die NS-Zeit fällt und von denen anzunehmen ist, dass sie sich in dieser Zeit diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen". So hieß es seinerzeit in der Aufgabenstellung des Stadtrats an die Kommission. 

Der Kommission gehören neben dem Würzburger Kulturreferenten Achim Könneke (der auch die Leitung hat), Stadtarchivleiter Dr. Axel Metz und Stadtheimatpfleger Dr. Hans Steidle zusätzlich jeweils vier Vertreter aus der Wissenschaft und vier Vertreter des Stadtrats an. Vertreter der Wissenschaft sind Dr. Hannah Hien (Staatsarchiv Würzburg), Prof. Dr. Peter Hoeres (Historiker, Universität Würzburg), Dr. Bettina Keß (Historikerin) und Dr. Niels Weise (Historiker, Institut für Zeitgeschichte München). Nach viereinhalb Jahre und 17 Sitzungen hat die Kommission nun einen Abschlussbericht vorgelegt.

Bei den Forschungen wurde auch die Rolle des "Heimatdichters" Nikolaus Fey, die dieser in der Nazi-Zeit gespielt hat, durchleuchtet. Dabei kamen neue Erkenntnisse zum Vorschein, die die Kommission zum Ergebnis kommen lassen, dass die Nikolaus-Fey-Straße in Würzburg nicht länger so heißen soll und sie umbenannt werden sollte. Auch in Gerolzhofen wird man sich mit dem Ergebnis der Untersuchung wohl beschäftigen müssen. Denn im Gewerbegebiet westlich der Bahnlinie gibt es auch eine Nikolaus-Fey-Straße. Auch Dingolshausen und Schwebheim sowie zahlreiche weitere Ortschaft in Unterfranken erinnern mit Straßennamen an den Schriftsteller.

In Gerolzhofen gestorben

Fey war gelernter Schreiner. Er wurde 1881 in Wiesentheid geboren und starb im Jahr 1956 nach einem Schwächeanfall, den er bei einer Lesung oben auf der "Waldesruh" erlitten hatte, im Gerolzhöfer Krankenhaus. Er studierte zeitweilig verschiedene geisteswissenschaftliche Fächer, ohne allerdings einen Hochschulabschluss zu erlangen

Nikolaus Fey
Foto: MP-Archiv | Nikolaus Fey

Als Schriftsteller findet Fey sogar Würdigung in der neuen Gerolzhöfer Stadtchronik. Feys Absicht sei es gewesen, fränkische Mundart und fränkische Lebensweise lebendig zu halten, ist dort zu lesen. In der Zeit des Dritten Reichs habe er sich dem Versuch der Machthaber, Schriftsteller für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, "nicht immer ganz entziehen" können, "obwohl seine Dichtung weitgehend frei blieb vom Blut- und Boden-Vokabular der Zeit". Hingewiesen wird, dass Fey wegen seiner Funktion als "Reichsschrifttumsbeauftragter" nach dem Krieg ein fünfjähriges Schreibverbot erhielt.

"Überzeugter Nationalsozialist"

Der Abschlussbericht der Würzburger Kommission liest sich anders. "Fey ist als überzeugter Nationalsozialist anzusehen." Er habe aktiv an der Ausgestaltung nationalsozialistischer Propaganda-Inszenierungen mitgewirkt und von der NS-Herrschaft persönlich profitiert, heißt es unmissverständlich.

Zwischen 1933 und 1945 engagierte sich Fey in verschiedener Weise für den Nationalsozialismus, haben die Historiker recherchiert. Er trat bereits zum 1. Mai 1933 in die Partei ein und absolvierte danach mehrere Schulungen der NSDAP, um als offizieller Redner der Partei und sogenannter politischer Leiter fungieren zu können und das Amt des unterfränkischen Beauftragten für die Reichsschrifttumskammer zu übernehmen, was einem Zensor gleichkam. Die Überwachung der Texte anderer fränkischer Autoren auf ihre Vereinbarkeit mit der Parteilinie habe zu seinen Aufgaben gehört, berichtet die Kommission.

Immer wieder sei Nikolaus Fey bei nationalsozialistischen Großereignissen prominent in Erscheinung getreten, wie der Hochzeit von Gauleiter Otto Hellmuth und bei den Florian-Geyer-Festspielen in Giebelstadt, für die er bereits 1925 den Text des zentralen Schauspiels geschrieben hatte und die Gauleiter Hellmuth als pompöse nationalsozialistische Feier in Szene setzte. "22 Vergleiche unterschiedlicher Textfassungen seiner Werke haben ergeben, dass er wiederholt selbst Texte im Sinne der NS-Ideologie überarbeitet hat", stellt die Kommission fest.

Hitler als neuer Florian Geyer

Außerdem ließ Fey bei einem kleinen Festspiel anlässlich des Besuchs von SA-Stabschef Ernst Röhm auf der Festung Marienberg im Mai 1934 einen Bauernhaufen und eine SA-Abordnung gemeinsam auftreten. Fey schrieb dabei unter anderem diesen Text: "Wir haben keine Ruh im Grab, bis Du, Florian Geyer, wieder kommst. Der Führer und Erlöser ist da. Der Bauer ist erlöst. Die Scholle ist frei. In Adolf Hitler ist Florian Geyer erschienen. Bauern, hört's! Unser Florian Geyer lebt wieder. Dem Erlöser Sieg-Heil."

Immer wieder habe Nikolaus Fey NS-Propagandainszenierungen mitgestaltet und so zur Verbreitung der NS-Ideologie aktiv beigetragen. Fey erhielt in der NS-Zeit verschiedene Ehrungen, etwa 1937 den mit 1000 Reichsmark dotierten und vom Gauleiter gestifteten Friedrich-Rückert-Preis für Schrifttum und Literatur in Franken.

Neue Erkenntnisse

Bei ihren Forschungsarbeiten stießen die Mitglieder der Kommission auf einen Umstand, der bisher in der Literatur noch nicht erwähnt ist, aber Beleg dafür ist, dass der Schriftsteller kein bloßer Mitläufer des Regimes war, sondern aktiver Funktionsträger: Von 1942 bis 1944 wirkte Fey in der Regierung des "Generalgouvernements" in Krakau mit. Als Generalgouvernement bezeichnete man damals diejenigen Teile Polens, die 1939/41 nicht vom Reich annektiert worden waren und die den Status eines vom Reich völlig abhängigen, kolonieähnlichen Gebiets erhalten sollten.

"Die deutsche Besatzungsverwaltung dort war sehr brutal", heißt es im Abschlussbericht der Würzburger Kommission. "Ihr Ziel bestand darin, die lokale jüdische Bevölkerung zu vernichten und die nicht-jüdischen Bevölkerungsteile wirtschaftlich zugunsten des Reiches auszubeuten. In diesem Zusammenhang sind auch die Bemühungen um die Auslöschung der polnischen Eliten dort und die Ansiedlung deutschstämmiger beziehungsweise 'volksdeutscher' Bevölkerungsgruppen zu sehen." Fey war in der Regierung des Generalgouvernements Referent in der "Hauptabteilung Propaganda", die die Aufgabe hatte, die kulturellen Traditionen des polnischen Volkes auszulöschen, die "Germanisierung" des Raumes voranzutreiben und mit antisemitischer Propaganda die Judenvernichtung zu flankieren.

"Vielzahl schwerer Verfehlungen"

Die Kommission schreibt abschließend: "Fey ist als überzeugter Nationalsozialist anzusehen." Er habe sich eine Vielzahl schwerer Verfehlungen während der NS-Zeit zuschulden kommen lassen, insbesondere seine Beteiligung an der brutalen deutschen Besatzungsverwaltung in Polen mit dem Versuch zur Vernichtung der polnischen kulturellen Traditionen. "Der Umstand, dass sich Fey noch mit 61 Jahren für diese Aufgabe zur Verfügung stellte, wird als zusätzlich belastend angesehen, da deshalb nicht die Aussicht auf eine Verbesserung seiner Karriere oder die Befreiung vom Wehrdienst als Gründe für seine Übernahme dieser Aufgabe in Frage kommen konnten."

Die Kommission empfiehlt einstimmig die Umbenennung der nach Nikolaus Fey benannten Straße in Würzburg. Auch die Stadt Gerolzhofen wird sich angesichts der neuen Erkenntnisse mit diesem Thema beschäftigen müssen.

 
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Kommentare
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  • G. R.
    wenn sie inWürzburg spinnen müssen das die Gerolzhöfer noch lange nicht nachmachen.Steuergelder so unnötig zu verbrennen ist nicht nötig
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  • C. P.
    ein Kompliment an die main post Berichterstatter in der grossen ehemaligen Kreisstadt
    gerolzhofen
    dass auch die Mitarbeiter der main post nach Jahrzehnten nach Kriegsende auf die Änderung
    von strassen namen oder Gebäude namen mit auf springen
    ist es nicht toll womit man in corona Zeiten versucht die Leser an sich zu halten
    dafür zahlt man im abo auch noch regelmässig einen hohen betrag
    eigentlich sollte es eine Überlegung wert sein die mp weiter lesen
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  • G. K.
    Vielleicht ist man in GEO immer noch so weit hinter dem Mond, daß man sich gerne die Adresse mit dem Namen eines Nazi auf die Visitenkarte schreibt...
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