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Schweinfurt
Schweinfurts Stadtrat entscheidet: Willy Sachs aus Ehrenbürgerliste gestrichen
Eine historische Entscheidung fällte der Schweinfurter Stadtrat am 29. Juni: Mit knapper Mehrheit entschied er, Willy Sachs aus der Ehrenbürgerliste zu streichen. Was waren die Gründe?
Das Willy-Sachs-Stadion soll nach dem Beschluss des Stadtrates in Sachs-Stadion umbenannt werden. Außerdem soll es eine Informationstafel über das Leben von Willy Sachs geben.
Foto: Nicolas Bettinger | Das Willy-Sachs-Stadion soll nach dem Beschluss des Stadtrates in Sachs-Stadion umbenannt werden. Außerdem soll es eine Informationstafel über das Leben von Willy Sachs geben.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:27 Uhr

Gegen den Willen von Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) entschied der Schweinfurter Stadtrat in seiner Sitzung am 29. Juni mit knapper Mehrheit, dass Willy Sachs posthum aus der Liste der Schweinfurter Ehrenbürger gestrichen wird und das von ihm 1936 gestiftete und nach ihm benannte Fußball-Stadion an der Niederwerrner Straße zukünftig "Sachs Stadion" heißen soll. Grund ist die Rolle des 1958 gestorbenen Großindustriellen im Nationalsozialismus.

Die Entscheidung fiel mit 22:20 Stimmen für die Streichung aus der Ehrenbürgerliste und 25:17 für die Umbenennung des Stadions. Der Stadtrat hat 45 Mitglieder mit OB. 42 waren anwesend. Die Diskussion dauerte rund eineinhalb Stunden und wurde sachlich und ohne Emotionen geführt. Im Vorfeld hatte das Thema nicht nur in der Kommunalpolitik, sondern auch in der Bevölkerung für eine teils hitzige Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern des Antrags geführt. Eine Gruppe von Stadträten um Julia Stürmer-Hawlitschek (SPD) und Adi Schön (Freie Wähler) hatten zuvor am 9. November 2020 einen Antrag auf Aberkennung der Ehrenbürgerwürde gestellt 

Schön und Stürmer-Hawlitschek argumentieren, Willy Sachs sei wegen seiner Verstrickungen mit dem nationalsozialistischen Terrorregime kein Vorbild, das Ehrenbürger sein sollte. "Es geht darum zu bewerten, ob jemand, der NSDAP- und SS-Mitglied, der Protegé von Nazi-Größen und Profiteur des Nazi-Regimes war, der seine Rolle nie hinterfragt hat, in einer Stadt, in einem Land, in einer Gesellschaft, die nach etlichen Jahrzehnten endlich gelernt hat, offensiv und ehrlich und umfassend ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und Lehren für eine stabile, freie, offene und tolerante Demokratie daraus zu ziehen, ein Vorbild sein und zudem ein Denkmal im Schweinfurter Stadtbild haben kann. Er kann es nicht. Willy Sachs darf kein Ehrenbürger sein", hieß es in ihrem Antrag.

Willy Sachs (Zweiter von rechts) bei der Eröffnung des von ihm gestifteten Stadions 1936 mit den Ehrengästen Heinrich Himmler und Hermann Göring (2. und 3. von links).
Foto: Sachs Archiv | Willy Sachs (Zweiter von rechts) bei der Eröffnung des von ihm gestifteten Stadions 1936 mit den Ehrengästen Heinrich Himmler und Hermann Göring (2. und 3. von links).

Wie ist die Position der Historiker in Sachen Willy Sachs?

Unterstützt werden die Antragsteller von verschiedenen renommierten Historikern, unter anderem Professor Dr. Andreas Dornheim von der Universität Bamberg. Er schrieb 2015 das Buch "Sachs - Mobilisierung und Motorisierung", in dem ein langes Kapitel ausführlich auf die Persönlichkeit von Willy Sachs und seine Rolle im Nationalsozialismus eingeht, wo er unter anderem bei der SS in höheren Positionen war. Dornheim erklärt in einer aktuellen Stellungnahme, die die SPD im Stadtrat zur Kenntnis gab, eindeutig: "Willy Sachs ist weder hinsichtlich seiner persönlichen Entwicklung noch seiner politischen Einstellung ein Vorbild."

Der ursprüngliche Antrag war von acht der neun im Stadtrat vertretenen Gruppen und Fraktionen unterschrieben, nur die AfD war explizit gegen den Antrag. Fraktionsvorsitzender Richard Graupner erklärte schon im Winter, Sachs sei einer der "verdientesten Söhne der Stadt" gewesen, ein beliebter Unternehmer und Stifter.

OB will Debatte über Sachs' Wirken, keine Streichung seines Namens

Oberbürgermeister Sebastian Remelé hatte den Stadtarchivar Uwe Müller damit beauftragt, die historischen Fakten aufzuarbeiten und einzuordnen. Müller kommt zu folgendem Schluss: "Eine angemessene Würdigung der Person Willy Sachs kann nur auf dem Hintergrund der Zeitumstände erfolgen und nicht ex post nach heutigen politischen und moralischen Kriterien." Der OB erklärte, "Geschichte lässt sich nicht korrigierend löschen, sondern man muss Lehren daraus ziehen." Er betonte aber auch die ambivalente Persönlichkeit von Willy Sachs, der sicher nicht als Vorbild tauge.

Dieser Position schloss sich auch ein Großteil der CSU-Fraktion an. Die Verwaltung schlug vor, Willy Sachs nicht aus der Ehrenbürger-Liste zu streichen, den Stadion-Namen zu belassen, aber eine ausführliche Informationstafel aufzustellen. Dem kam die Mehrheit gleichwohl nicht nach.

 
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  • B. L.
    Seit ihr noch zu retten, ich glaube nein. Zahlt den Erben bis auf den letzten Cent alles zurück.
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  • H. G.
    Hochachtung für die Stadt Schweinfurt! Man zeigt, daß die Bürger Schweinfurts nichts gemein haben mit einem Speichellecker Hitlers, Görings etc., den größten Massenmördern der deutschen Geschichte! Danke für diese Klarheit.
    Und von wegen: "das Stadion den Schweinfurtern geschenkt". Wenn er so viel Geld hatte, dann hatte er das nur weil die Leute bei Sachs hart dafür gearbeitet haben (inklusive der Zwangsarbeiter). Jetzt ist der Name richtig: Sachs-Stadion, ein Gruß an die Beschäftigten bei Sachs!
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  • R. B.
    Wie kommen Sie darauf, dass die Bürger von Schweinfurt nichts gemein haben mit diesem Speichellecker? Seit wann ist der Stadtrat das Sprachrohr der Bürger? Nur weil Sie sich in Ihrer Doppelmoral vom Stadtrat vertreten fühlen, heißt dies noch lange nicht, dass die Bürger die gleiche Meinung haben. Den Speichellecker ausradieren, aber das Stadion weiter nutzen, Menschen mit Charakter sehen anders aus.
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  • H. G.
    "Seit wann ist der Stadtrat das Sprachrohr der Bürger?"

    Vielleicht etwas Nachhilfe: die Bürger haben den Stadtrat gewählt.
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  • R. B.
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    Noch unsachlicher ging es nicht?
    Der Stadtrat vertritt die Bürger und wurde druch diese gewählt. Wer wenn nicht der Stadtrat, ist berechtigt für die Stadt zu sprechen?

    Auch das "kein wahrer Schotte" Argument zeigt nur, dass sie sachlich nichts beizutragen haben.
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  • R. B.
    @TL......, Sie glauben aber nicht ernsthaft, dass die Abstimmung des Stadtrates das Meinungsbild der Schweinfurter Bürger wiederspiegelt, oder?
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    Albatros, haben Sie sachliche Informationen die einen anderen Schluss zu lassen? Oder ist das Bauchipedia?

    Wie kommen Sie eigentlich darauf, der Stadtrat sei nicht die Vertretung der Bürger?
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  • R. B.
    Schaun Sie TL....., die deutsche Sprache ist sehr feinfühlig und wenn Sie meinen Kommentar richtig lesen würden, dann hätte sich die eine oder andere Frage erübrigt. Meinen Sie im Ernst Sie müssten mir erklären, dass der Stadtrat von den Wählern gewählt wird? Nicht wirklich oder? Ich sprach davon, dass der Stadtrat nicht das "Sprachrohr" der Bürger in Schweinfurt ist, das ist der feine Unterschied. Soll heißen, bloß weil die Bürger den Stadtrat gewählt haben, müssen deren Entscheidungen nicht die Meinung der Bürger widerspiegeln.
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    Also bleibts bei Bauchipedia.
    Wenn das die Sachlichkeit ist für die Sie neulich gelobt wurden...

    Ein schönes Wochenende.
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    Der Schweinfurter Stadtrat einen Schlußstrich gezogen. Ein großer Tag für alle, die seit den 1980er Jahren daran gearbeitet haben, die Geschichte des Willy Sachs ins rechte Licht zu rücken. Ein großer Erfolg für Klaus Hofmann, der diesen Tag leider nicht mehr miterleben durfte.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Wieviele Stadien hätte eigentlich Hitler persönlich stiften müssen, damit man ihn weiterhin als Ehrenbürger annerkennen könnte?

    (Und bevor man sich nun aufregt, einfach mal drüber nachdenken ob man Nazi-Verbrechen durch Geldspenden aufwiegen kann)
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  • R. B.
    Lieber Schweinfurter Stadtrat, was seid Ihr für Heuchler. Wenn Sie der Meinung sind, das Willy Sachs auf Grund seiner Nähe zu den Nationalsozialisten kein Vorbild war, dann wäre es nur konsequent, wenn Sie das Stadion, welches der Stadt Schweinfurt im Jahr 1936 gespendet wurde, der Familie Sachs zurück geben. Den Spender lehnen Sie ab, aber die Spende nutzen Sie weiterhin; wie sagte Chemieprofessor "Schnauz" in der Feuerzangenbowle, "Baah, wat habt ihr für `ne fiese Charakter!“
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  • M. L.
    Es ist an Dummheit kaum zu toppen! Sachs Stadion = SS zwinkern
    Das hätte man einfach ruhen lassen sollen. Es ist schon echt peinlich, ach, schon echt nervig diese aufgespielte links-grün-rote Korrekturpolitik. Die bewirkt doch genau das Gegenteil, spielt die rechten Parteien in die Karten und fördert weiterhin die Spaltung in der Gesellschaft. Und die rhetorische Frage schließt sich gleich an... Gibt es nicht wichtigeres zu tun in der heutigen Zeit?
    Ich für meinen Teil weiß, wen ich nicht wählen werde.
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  • W. W.
    Herzlichen Glückwunsch, Ihren Kommentar mit dem Hinweis auf "SS" Sachs Station hat man gedruckt, meinen der den selben Inhalt hatte - Mißbrauch von der Abkürzung- den hat man abgelehnt!
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  • F. R.
    Wikipedia: "Dilemma bezeichnet eine Situation, die zwei Möglichkeiten der Entscheidung bietet, die beide zu einem unerwünschten Resultat führen."
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  • M. K.
    Da die Damen und Herren Stadträte , die sich hier in dieser Angelegenheit so engagieren, relativ spät reagieren kann man wohl sagen, dass die Geschichte ja nicht neu ist, aber die Erkenntnis etwas zu verändern ist jetzt erst da! Sie müssten dann aber auch andere Lebensläufe durch sehen und viele Sachen erledigen. Vergangenheit ist Geschichte, Zukunft ein Geheimnis und jeder Augenblick ein Geschenk. Sie sollten sich den Aufgaben stellen, die wichtig für die Stadt und seine Bürger /innen sind. Hier haben sie soviel zu bewältigen, dass sie vielleicht Geschichte sein lassen können!
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  • T. D.
    Der Historiker war sicherlich hautnah dabei und weiß wie damals die Leute gedacht und gehandelt haben und welche Beweggründe es wirklich gab. Man sollte und darf nicht auf alles stolz sein , was sich in früheren Jahren so abgespielt hat aber wie lange lassen wir uns von einigen Moralaposteln bevormunden , welche uns immer wieder ihre eigene Moral aufbürden .
    Warum verzichtet man nicht ganz auf diese Ehrentitel , wenn man im gleichen Atemzug
    schon das Verwerfliche im Menschen sucht ?
    Konsequent würde auch heißen die Anlagen zurückzugeben an die Besitzer !
    Wir haben eigentlich viel größere Probleme in unserer Gesellschaft und trotzdem
    diskutieren wir lieber als endlich zu handeln und wirklich Verantwortung zu tragen .
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  • W. S.
    Es liegt in der Natur eines Historikers, dass er sich mit Dingen befasst, bei denen er 'nicht dabei war'. Genau das definiert sein Berufsbild und wird in informierten und gebildeten Kreisen auch weithin als unproblematisch angesehen. Was den professionellen Historiker von Ihresgleichen unterscheidet: Er kann das auch, Sie offensichtlich nicht.
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