Im Herbst 2015 war die Not in Deutschland groß, zahlreiche ankommende Geflüchtete suchten eine Bleibe. "Jeder musste alles können oder zumindest alles versuchen. Es galt, möglichst schnell und unbürokratisch Lösungen zu finden", erinnert sich Joachim Salzmann, Leiter des Helferkreises Migration Lohr. Dieser entwickelte sich aus einer Hilfsaktion. Heute besteht er aus 90 aktiven Menschen, die sich ehrenamtlich für Geflüchtete engagieren. Die Helfer würden dringend gebraucht, jeder sei wichtig, so Salzmann. "Praktizierte Nächstenliebe" nennt er das, was er und der Helferkreis tun.
Die Ehrenamtlichen sind der Belastungsgrenze nahe
Immer noch müssen viele Menschen aus ihren Heimatländern nach Deutschland fliehen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) spricht aktuell sogar von der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Ankerzentrum bei Geldersheim (Lkr. Schweinfurt) habe seine Kapazitätsgrenze erreicht, so wie viele andere. Deshalb kämen auch immer mehr Menschen frühzeitig in dezentrale Einrichtungen – noch bevor das eigentliche Verfahren richtig abgewickelt sei, sagt Salzmann. Die bestehenden Unterkünfte seien auch in Main-Spessart nahezu ausgelastet.
Die wegen des russischen Angriffskriegs geflüchteten Ukrainer und Ukrainerinnen seien oft privat untergekommen, so Salzmann. Ebenso türkische Menschen, die ihre Heimat aufgrund des Erdbebens im Februar verlassen hätten. Zwischen Mietern und Vermietern seien so oft Patenschaften entstanden. Es kämen aber auch viele Syrer, Afghanen, Somalier und Eritreer nach Main-Spessart, bei denen solche Patenschaften seltener entstehen würden.
"Viele ehrenamtliche Helfer dachten, sie werden nicht mehr gebraucht – im positiven Sinne. Das war ein Trugschluss", so Salzmann. Wöchentlich kämen derzeit etwa zehn bis zwanzig Menschen in Main-Spessart an, die Unterstützung benötigen. Sie werden auf verschiedene Unterkünfte im Landkreis verteilt. Die Meisten der Migranten und Migrantinnen, die 2015 nach Lohr kamen, seien mittlerweile in die Gesellschaft integriert, sagt Salzmann. Eine gelungene Integration sei das Ziel für alle.
"Wenn man die Mitarbeitenden, egal ob Profi oder Ehrenamtliche, fragt: Kannst du noch? Dann werden sie sagen: selbstverständlich", so Salzmann. Aber wenn er sie beobachte, sehe er, wie nah sie ihrer Belastungsgrenze seien. Trotzdem würden sie weiter machen. "Wir fragen nicht, warum etwas passiert ist oder weisen Schuld zu. Bei uns wird gefragt: Was hat er? Was braucht er? Wie kann man helfen?"
Geheimrezept: Empathie und Motivation
Die Geflüchteten sollten laut Bundesamt für Migration Deutsch lernen, um sich besser zurechtfinden zu können. Deshalb bietet auch der Helferkreis ehrenamtlich Deutschkurse an. Daneben gibt es ein Deutsch-Sprach-Café. Einmal wöchentlich treffen sich hier Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Ländern, um sich bei Kaffee und Kuchen zu unterhalten. Die einzige Pflicht ist es, Deutsch zu sprechen und die Sprache so zu üben.
Ein weiteres Projekt ist "Mütter lernen Deutsch". Denn oft könnten Deutschkurse an der Volkshochschule von Müttern nicht wahrgenommen werden, weil ihnen eine Betreuungsmöglichkeit für die Kinder fehle, so Salzmann. Hier setzt das Angebot an. Ehrenamtliche betreuen die Kinder während der Zeit des Kurses.
Kein Zögern beim Helfen: "Wir reden über Menschen"
Jeden Montag- und Donnerstagnachmittag unterstützt zudem ein fünfköpfiges Team am Info-Point in der Rathausgasse 18 Geflüchtete bei Behördenbriefen, der Wohnungssuche oder Bewerbungsschreiben. Die Ehrenamtlichen würden viel Motivation und Empathie mitbringen, so Salzmann. "Manchmal muss ich sie bremsen: Freunde, macht euch nicht kaputt!"
Der Helferkreis stehe vor großen Herausforderungen, sagt Salzmann. Das Team sei auf das Netzwerk aus Ärzten, Behörden, ehrenamtlichen Helfern, der Tafel, Schulen und Kitas angewiesen. Auch finanziell bräuchten die Helferinnen und Helfer Unterstützung durch Spenden. Nur so können Übersetzter bezahlt und Fahrtkosten erstattet werden. Und: Ohne Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, wäre ein solches Angebot überhaupt nicht möglich. Für Salzmann und das Team ist klar: "Wir reden über Menschen." Deshalb zögern sie nicht, wenn es darum geht, Hilfe zu leisten.
Aber dieser Satz im Artikel,
"Immer noch müssen viele Menschen aus ihren Heimatländern nach Deutschland fliehen.",
verstehe ich nicht so ganz.
Leider müssen viele Menschen ihre Heimat verlassen,
aber wieso "müssen" die nach Deutschland?
Gibt es nicht mehr Länder in der EU oder auch außerhalb der EU?